Wenn es regnet am Hackensee
Ein alter Bekannter ist der Hackensee, wenn auch kein allzu vertrauter.
Ich kenne ihn winterlich, als ich dort spazieren und fotografieren war und sommerlich, als ich dort schwimmen war. Das eine ist nur ein paar Monate, das andere aber vier Jahre her. Dringend Zeit wurde es also, dem Hackensee einen weiteren Besuch abzustatten und freudig vergnügt hineinzuhüpfen. Allen Widrigkeiten zum Trotz, denn der ADAC kündigte viel Stress auf Bayerns Autobahnen an (Ferienhalbzeit in Bayern dazu Ferienende irgendwo). Da rollen die Blechlawinen auf Schleichfahrt; vor allem rings um München und auf der A8 München – Salzburg. Und genau das ist die Strecke ist, die ich auch nehme.
Selbigen Stau sehe ich dann auch auf meinem Weg, allerdings nur auf der Gegenspur.
Die größere Widrigkeit aber, die direkt vor dem Verkehrshinweis aus dem Radio tönt, ist der Wetterbericht. Von teilweise schweren Gewittern an den Alpen ist die Rede. Die Berge sind kaum mehr 25 Kilometer entfernt; der Hackensee liegt also nicht in, aber zumindest an den Alpen.
Gewitterstimmung liegt in der Luft, zumindest regnen könnte es, das kann man riechen. Das trübt allerdings meine Motivation nicht, zu oft haben mir in diesem Jahr heranziehende Gewitter den Schwimmausflug versaut oder mich gar nicht erst los fahren lassen. Zu zögerlich war ich manches Mal in diesem Jahr, wenn es gewitterte und ein paar Kilometer weiter, wo ich eigentlich hinwollte, rein gar nichts war.
Gewitter sind ein sehr lokales Ereignis, rede ich mir ein. Also auf zum See, wird schon gut gehen, ich habe einfach ganz große Lust darauf.
Zwischen den big five, von denen nicht mehr allzu viel übrig ist, will ich eben auch alten Bekannten mal wieder einen Besuch abzustatten, vor allen denen, bei denen ich vier oder fünf Jahre nicht mehr war, also auch dem Hackensee.
Der See ist klein, liegt südlich von Holzkirchen wunderschön mitten in einem Wald in einem Talkessel. Es ist ein Moorsee, entsprechend warm ist das Wasser, braun und trüb, leicht säuerlich, etwas erdig, der Grund schlammig – das muss man mögen. Es ist so ganz anders als im kalkig harten Wasser der ehemaligen Kiesgruben oder dem kristallklaren Wasser so mancher Bergseen.
Alles passt, schnell bin ich im Wasser und schwimme los. Weit ist es nicht vom Steg unterhalb der Wasserwacht, die an diesem Samstag aber nicht besetzt ist, hinüber zu dem anderen Steg am Badeplatz am gegenüberliegenden Ufer. Dort drüben habe ich drei oder vier Leute ausgemacht; vier Leute sind es auch hier, neben mir noch ein Trio, ein Mann und zwei Frauen, die ebenfalls zum schwimmen hergekommen sind. Letztlich also teilen wir uns zu n icht mal zehn Leuten den Hackensee, alle anderen hat das Wetter oder eines der Volksfeste in der Region abgehalten, herzukommen.
Doch: Ein paar Spaziergänger:innen, die mit ihren Hunden am Ufer entlang laufen habe ich noch gesehen. Zwei Frauen spazieren barfuß unter den Bäumen hindurch.
Der Steg am anderen Ufer ist schnell erreicht. Ein wenig überrascht stelle ich fest, dass mittlerweile niemand mehr hier ist, als ich das Wasser kurz verlasse.
Der Grund wird schnell klar, es nieselt leicht vor sich hin, beim schwimmen hatte ich das gar nicht bemerkt. Regen würde ich das jetzt noch nicht nennen, eher so ein Wetter, bei dem man ohne Regenjacke oder Schirm los geht und denkt „Ach die paar Tropfen“, um sich später zu ärgern, denn man wird doch auf Dauer ganz schön nass. Gut jedenfalls, dass ich all meine Sachen regensicher am Ufer deponiert habe. Dass es nun tröpfelt ist mir herzlich egal. Nass bin ich sowieso.
Aber der Regen nimmt zu. Wie feine Nadelstiche spüre ich ihn jetzt auf meinem Rücken, als ich zurück im Wasser bin und weiter schwimme. Das kitzelt mehr und kribbelt, als dass es unangenehm wäre. Nicht, dass mich das jetzt besonders beunruhigen würde, die Gefahr einer Gischt sehe ich noch nicht. Aber ich behalte es sehr aufmerksam im Blick, ob der Regen weiter zunimmt. Dann wird es Zeit, den See zu verlassen.
Starkregen überzieht nämlich die Luft direkt über der Wasseroberfläche mit winzigen Wassertropfen, so wie ein Nebel oder eine Gischt. Das erschwert nicht nur das Atmen, das kann ebenso zur Unterversorgung mit Sauerstoff führen wie zu einer Verkrampfung der Stimmritzen.
Beides ist nicht ungefährlich, allen Hymnen, wie großartig schwimmen bei Regen ist zum Trotz. Es weiß halt kaum einer, dass das ganz schon gefährlich werden kann. Tatsächlich nimmt der Regen etwas zu, was mich dazu bringt, den Rückweg anzutreten und streckenweise statt zu kraulen jetzt Brust zu schwimmen.
Doch so schnell, wie der Regen begonnen hat, erst unmerklich, so schnell hört er auch wieder auf. Die Luft hat sich zwar ein wenig abgekühlt, das moorige Wasser aber nicht. Das ist Motivation genug für eine Extrarunde – quasi die Extrameile, von der manche Arbeitsgeber und FDPler so gerne reden, sie manchmal auch einfordern, nur eben außer mit warmen Worten selten honorieren.
Erst als es zweimal sehr laut und unüberhörbar über mir donnert, weiß ich, dass es jetzt besser ist, aufzuhören. Schwimmen bei Regen ist nicht immer so harmlos, schwimmen bei Gewitter aber arg bescheuert, fast schon Darwin Award verdächtig.
Aber außer donnerndem Gepolter passiert nichts weiter, das Wetter kann sich wieder mal nicht entscheiden.
Dass der große Guss ausbleibt, ist mir ganz recht, denn bei Abtrocknen bei strömenden Regen ist ziemlich sinnlos und die 600 Meter zum Parkplatz würden sicher ausreichen, um trotzdem wie ein begossener Pudel regennass triefend am Auto anzukommen.
Gewitter gibt’s ganz sicher, nur eben woanders.
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