Unter der Oberfläche Fische, viele Fische. Ein Blick in die Regattastrecke
Über die Olympiaregattastrecke und das Schwimmen dort habe ich bereits geschrieben: hier. Auch über die vollkommen marode Tribüne, die mittlerweile komplett gesperrt ist wegen statischer und Brandschutzmängel und eine 60 Millionen schwere Sanierung ansteht, die aber niemand wirklich bezahlen kann oder will. Neun Millionen wären im Topf, das reicht aber hinten und vorne nicht. Aber erzählt habe ich noch nichts über die Fische im Wasser.
Ich habe im ersten Beitrag darüber sinniert, ob Münchens größtes Freibad überhaupt eines ist, oder doch Freiwasser? Das Thema möchte ich an dieser Stelle noch einmal aufgreifen, denn bei meinem zweiten Schwimmausflug Mitte August dorthin finde ich weitere schlagende Argumente, die Regattastrecke als Freiwasser zu deklarieren. Denn meiner Definition nach ist Freiwasser vor allem dieses: Ungechlort, ungeheizt, weder gekachelt noch blau lackiert verputzt noch mit Edelstahl ausgekleidet. Und es ist voller Leben.
Ich weiß, die Definition hinkt: Freiwasser ist durch Spundwände auch gelegentlich in Metall gefasst und manches brackige Gewässer ist alles andere als voller Leben.
Die Regattastrecke ist es – und ich bin froh, dieses Mal mit der Unterwasserkamera einiges davon eingefangen zu haben. Auch wenn das etwas zu Lasten des Schwimmens ging.
Vorschlag also: Folgen Sie mir auf den für Schwimmer abgesperrten Bereich vor der Tribüne. Und schauen Sie gemeinsam mit mir durch die Schwimmbrille in das klare Wasser nach oben…
Und nach unten. Die Regattastrecke ist mit Abstand das klarste Gewässer der Region. Im seichten, flachen Bereich ist ganz schön was los – und damit meine ich weder die Schwimmer, die eher karge Vegetation am Grund noch das auf dem Boden durch die gekräuselte Oberfläche tanzende Sonnenlicht.
Ich meine vor allem die Fischschwärme, die plötzlich vor einem auftauchen – und schon befindet man sich mittendrin oder direkt darüber.
Es müssen hunderte Fische sein. Sie stieben auseinander, ordnen sich neu, weichen mir aus ohne hektisch in Flucht zu geraten. Offenbar sind sie die Schwimmer im Sommer längst gewohnt. Ein wenig ist es, als sei man Teil eines großen Aquariums, ein wenig ist es, als schwimme man im klaren Meerwasser, wäre nicht alles so „grün“ um einen herum.
Aber was heißt hier schwimmen? Da muss man einfach anhalten und schauen. Und noch mehr schauen. Der Sport, das profane Kilometer kraulen, steht dann für einen Moment hinten an. Wäre das Wasser nicht bei längeren Pausen doch etwas frisch, ich könnte dem Treiben noch stundenlang zusehen.
Nur ganz kleinen Fische suchen noch immer Schutz im Unterwasserbewuchs, aber mit etwas Geduld und Warten kommen sie wieder aus ihren Verstecken. Und dann flirren auch sie flirren zu hunderten, wenn nicht zu Tausenden im warmen Wasser am Ufer um mich herum.
Hin und wieder entdecke ich fette, dunkle Karpfen – sie sind bei weitem nicht so entspannt und machen sich eilig davon, wenn ich mich nähere, so dass das Fotografieren mit der kleinen Kamera nicht nur eine echte Herausforderung an meine Geschwindigkeit sondern auch an die Kamera selbst ist.
Das aber spannendste Erlebnis ist die Begegnung mit einem Hecht. Zunächst sehe ich ihn kaum. Dabei schwimmt er direkt vor mir, nur eine Etage tiefer, aber er ist kaum wahrzunehmen.
Der etwa 50 cm lange Fisch lässt sich ebenfalls weder aus der Ruhe bringen noch gebärdet er sich angriffslustig. Er steigert auch sein Tempo nicht, als ich erst aufhole und dann parallel zu ihm die Kamera auf ihn richte. Besonders gut sind die Bilder nicht, aber ich zeige trotzdem eines, als ich den Hecht fast überhole.
Irgendwann ist er dann zum Greifen nahe, steht, fast bewegungslos im Wasser neben mir. Langsam drehe ich mich, so dass ich ihn von der Seite aus fotografieren kann. Das ist einer der Momente, in denen ich denke, wie großartig Freiwasserschwimmen ist. Ich weiß: Viele Menschen behagt es nicht, Fischen im Wasser zu begegnen und die Angst vor dem Hecht, dass er zubeißen und einen verletzen könnte, ist nicht ganz von der Hand zu weisen, wenn auch in eher anders gelagerten Situationen. Von einem blutigen Fußbad schilderte inmitten des größten Sommerlochs nämlich die Ebersberger Zeitung. Ein radelnder Rentner hatte seine Füße zum Abkühlen in den Antoni-Weiher gehängt. Da biss der Hecht zu. Die Kommentare auf diese Nicht-Meldung in den sozialen Medien waren durchweg spöttisch, auch ich erlaubte mir eine Anmerkung, nämlich, dass das eben dabei rauskommt, wenn man seine nackten Füße bei anderen ins Wohnzimmer hängt. Das muss wohl dem Hecht mächtig gestunken haben.
Letzteres ist eher ein Scherz, der Hecht mag im Zeh fette Beute gemutmaßt haben, die ihm, dem Lauerjäger direkt vors Maul geraten ist. Ob’s geschmeckt hat, weiß man nicht. Der erste Teil meiner Anmerkung aber ist nicht ohne Hintersinn formuliert, denn natürlich ist der Weiher – wie der Regattasee auch – das Wohnzimmer des Hechts. Was heißt: Wir sind dort nur zu Gast, sollten uns auch entsprechend so benehmen und können beileibe nicht erwarten, dass die Tiere in Seen und Weihern wie auch in den Wäldern immer sehr erpicht auf uns Eindringlinge sind. Wir sind es, die ihnen zu nahe kommen und ihre Wehrhaftigkeit provozieren, wenn die Fluchtdistanz zu gering ist – nicht umgekehrt. Egal, ob Hecht oder Kreuzotter, Wespe oder Wildschwein, Möwe oder Schwan.
Die Begegnung mit dem Hecht finde ich einfach phantastisch. Er steht etwa einen Meter vor mir still im Wasser. Erst als ich gar nicht mehr kann, stoße ich zum Luftschnappen nach oben.
Ein kurzer Schlag mit der Schwanzflosse, der Hecht dreht ab und verschwindet seitwärts.
Ein knappes Dutzend Bilder habe ich machen können – damit bin ich zufrieden und nehme das Schwimmen wieder auf. Dafür bin ich schließlich hergekommen.
Es war ein absolutes Highlight in diesem Sommer. So etwas bietet kein Freibad.
Ergo: Die Regattastrecke ist keines.
Punkt.
Vielen Dank fürs Lesen.
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cool solche Fotos und dann die Begegnung mit einem Hecht (beinahe hätte ich Hai) geschrieben !
Nein ist doch ein Erlebnis wenn man solche Begegnung hat und fotografisch festhalten kann !