Schwimmen gehen in Zeiten von Corona? (#04): Umgewöhnen im Freibad
Endlich hat auch der Erdinger Freibad auf. Vieles fordert zum Umgewöhnen auf. Ich kann nicht sagen, wie voll es an wirklich heißen Sommertagen war/ist, aber an den eher durchwachsenen herrscht gähnende Leere und kollektive Entspannung. In der Zeitung lese ich, wie viele Menschen den Weg in die Freibäder scheuen. Warum auch immer.
Wie in allen anderen sind mittlerweile Doppelbahnen geleint, das ist offenbar etwas gewöhnungsbedürftig für so manchen Zeitgenossen.
Dabei ist das Prinzip denkbar einfach – und für die, die es nicht gewohnt sind, hat die Bäderleitung extra Hinweisschilder aufgestellt. Auf der jeweils rechten Bahn schwimmt man Richtung Sprungturm, wendet vor Kopf und schwimmt auf der anderen zurück. Also im Kreis. Immer schön gegen den Urzeigersinn. Alle, die Sportbahnen benutzen, kennen das.
Manch anderer hingegen noch nicht.
Und daher kommt es gelegentlich zu Irritationen, vor allem, wenn man zu zweit auf der Doppelbahn ist und der Mitbenutzer meint, einer schwimme auf der einen, der andere auf der anderen stoisch hin und her.
Nun gut, mag man einräumen: Machen wir’s halt so. Problematisch wird es erst wenn Nr. 3 dazu kommt. Und laut Hinweisschild im Freibad ist jede Doppelbahn bis maximal 26 (in Worten: sechsundzwanzig) Schwimmern auslastbar. Das wird ein Spaß.
Und noch etwas ist neu in diesem Jahr im Erdinger Schwimmerbecken:
Die beiden mittleren Bahnen sind reserviert für Sport- und Schnellschwimmer. Wobei reserviert nicht wirklich die Sache trifft. Denn natürlich darf dort jede/r schwimmen, aber es soll eben flott und sportlich zugehen. Die Außenbahnen wiederum, bei denen man sich zur Not am Beckenrand festhalten kann, sollen vornehmlich von gemütlichen Schwimmern genutzt werden. Das ist fair, allerdings birgt es Konfliktpotential.
Schnell ist, so kommentiert jemand auf FB, als ich das Bild in einer Schwimmgruppe hochlade, was man selbst dafür hält und schon entbrennt eine Diskussion darüber, wen diese wachsweiche Definition Schnell- und Sportschwimmer denn nun meint. Denn auch Sportschwimmer ist ein jeder, der sich dafür hält. Und wie ich beim freitäglichen Schwimmbadbesuch beobachten konnte, sind das viele. Die Begriffe sind sehr dehnbar und genau das ist das Problem:
Drei Mädchen, die alle etwa 6-8 Jahre als sind, mit Taucherbrille kreuz und quer über die Bahn gondeln, gehören ebenso dazu wie eine Mutter, die ihren beiden Kindern, die ebenfalls im Grundschulalter sind, gerade das Schwimmen beibringt. Sie mag es nicht, wenn andere auf der Bahn sportlich und schnell unterwegs sind, und beschwert sich bei der Schwimmmeisterin, es werde auf die Kinder keine Rücksicht genommen. Aber sie muss sich allerdings belehren lassen, dass sie mit Kindern und Schwimmnudeln im Schwimmerbecken wohl grundsätzlich falsch sei.
Irgendwann wird irgendwer irgendwen fragen, ob er ernsthaft der Meinung sei, dass er sportlich oder schnell schwimme und dann droht Ungemach.
Es gibt Sportschwimmer, die nonchalant die Kinder umrunden, es ist ja genug Platz. Andere brettern einfach hindurch, da kennen die nichts und niemanden. Wieder andere mögen die drei am Beckenrand abpassen, oberlehrerhaft den mahnenden Finger heben und auf das angebrachte Schild hinweisen.
Die meisten Kommunen bemühen sich, ihren Bürgern soweit als möglich entgegen zu kommen, so wenig Regeln wie nötig aufzustellen, um die Schwimmbäder öffnen zu können: Die Hälfte der Klos sind bei uns verriegelt und Urinale außer Betrieb gesetzt, damit man nicht zu nah nebeneinander beim Pieseln steht. Es ist also nicht alles schlecht.
Da werden Spinde verrammelt und auf Bänken Schilder angebracht, dass dort nur einer sitzen dürfe, es sei denn, man käme aus dem gleichen Haushalt. Da wird geputzt und pausenlos die Leiter desinfiziert. Alles für uns.
Gewöhnen wir uns daran, so lange es so ist – es ist besser, als vor verschlossenen Türen zu stehen. Und dämpfen wir unsere Ansprüche ein wenig zurück.
Ich weiß, es fällt schwer.
Ein Beispiel:
Im Gegensatz zum Taufkirchner Freibad (und wohl vieler anderer im Land) sind in Erding die heißen Duschen geöffnet. Einzige Beschränkung: Maximal zwei Personen dürfen gleichzeitig im Raum sein.
Nach mehreren Kilometern bei 17 °C Luft- und 23 °C Wassertemperatur freue ich mich, mich unter der Dusche wieder aufwärmen zu können.
Pustekuchen: Zwei etwa 12Jährige Jungen frönen dem Dauerduschen, nachdem sie geraume Zeit immer wieder vom Einmeterbrett gesprungen und vermutlich mittlerweile reichlich durchgefroren sind. Dauerduschen – welcher Schwimmbadbesucher kennt das nicht? – kann eine Ewigkeit dauern. Denn natürlich gibt es viel zu erzählen und unter Umständen auch Blödsinn zu machen. Dann steht man eben draußen triefnass, friert, will sich nicht abtrocknen, weil man selbst gleich unter die Dusche will und überlegt:
Abtrocknen und heimgehen?
Reingehen?
Was sagen?
Rücksicht einfordern?
Einfach warten und frieren?
Den alten Meckerer geben und fremde Kinder anmotzen, also das werden, was man nie werden wollte?
Ich habe großen Respekt vor dem Aufsichtspersonal, dass an wirklich heißen Sommertagen wird überwachen müssen, ob auf jeder Doppelbahn wirklich nur 26 Leute sind, dass Konflikte schlichten und entscheiden muss, wer denn als Nächstes ins Wasser darf, wenn zwei das Becken verlassen. Und auseinander sortiert, wer auf welche Bahn gehört und wer nicht…
… und wer wann Duschen gehen darf, in welcher Reihenfolge und wie lange.
Es gibt so manches, an das wir uns diesen Sommer gewöhnen müssen.
Nur eines finde ich sonderbar. Das neue Hinweisschild wirft Fragen auf:
Warum muss ich unter der Herrendusche einen Badeanzug tragen?
Und wo bekomme ich den in meiner Größe her?
Welche Größe brauche ich überhaupt?
Und werde ich mich wirklich daran gewöhnen?
Und wie läuft das so bei Ihnen im Freibad? Erzählen Sie doch mal.
Ich freue mich auf Kommentare.
Vielen Dank fürs Lesen.
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Rein persönlich finde ich Schwimmen in Zeiten von Corona sehr viel entspannter. Die Bäder sind leerer – ich war inzwischen bei 30 Grad in Becken, die ich sonst immer meide. Die Doppelbahnen (in Berlin sind 18 pro Bahn erlaubt) finde ich angenehmer als stets zu enge Einzelbahnen oder das Chaos im Freien Becken. Nur die Duschen fehlen – aber in Berlin waren die Duschen in vielen Freibädern schon vorher schwierig). Für mich ist das alles besser. Aber ich weiss, es ist damit erkauft, dass dieses Jahr viele Menschen gar nicht ins Bad kommen.
Meinten Sie das wirklich so, dass jeder Einwand ein Meckern oder ein oberlehrerhaftes Verhalten ist?
Das Eintreten eines jeden Einzelnen für ein angenehmes soziales Miteinander finde ich wichtig und richtig. Das geht in unserer Gesellschaft leider ein wenig verloren. Da wird schnell alles auf „die da oben“ abgewälzt – oder im Schwimmbad aufs Personal. Verständlich, denn: wer will sich schon zum oberlehrerhaften Meckerer (m/w/d) abstempeln lassen?
Schade eigentlich, denn es gibt ja immer (naja: fast immer) auch die Möglichkeit, freundlich und fair auf das eigene Anliegen aufmerksam zu machen. Was zB die beiden Jungs in der Dusche betrifft: eine kurze Nachfrage („Braucht Ihr noch lange?“ oder so) hätte die Situation möglicherweise schnell geklärt.
Nein, nicht jeder Einwand ist Meckern oder oberlehrerhaftes Verhalten. Natürlich nicht.
Ich sehe aber, dass es der Ü60 Generation, zu der ich noch nicht gehöre, zunehmend Schwierigkeiten hat, mit dem Verhalten von Kindern und Jugendlichen angemessen, geduldig und gelassen umzugehen.
Ich möchte mich nicht in diese Richtung entwickeln, sehe aber durchaus die Gefahr.
Und ich sehe die Gefahr, dass eine Reaktion, die man selbst für angemessen empfindet, bei größeren Kindern und Jugendlichen ganz anders ankommt als gemeint.
Daher finde ich es wichtig, darüber nachzudenken.