…nur noch eben schnell aufs Klo!

Was hat sie es gehasst, meine Großmutter, wenn sie ihren Mann, also meinen Opa zum Essen rief. Dann nämlich stiefelte erst einmal schnurstracks aufs Klo. Und geben Sie es ruhig zu: Sie können das auch nicht leiden, oder?
ODER?

Wenn auf den Ruf „Das Essen steht auf dem Tisch“ als Antwort kommt_ „Ich komme gleich…“ ist das schon übel, wenn aber dem Halbsatz angefügt wird „…ich mach nur noch schnell dies oder das!“ ist die Stimmung auf 180.
Ich nehme mich da nicht aus, ich mache auch schnell noch dies und das, meist aber etwas zu Ende, an dem ich gerade sitze: Zum Beispiel eine Mail schreiben oder einen Roman, ein Bild bearbeiten, Wordle lösen oder die Wäsche aufhängen. Was man eben so macht… denn das Essen ist selten genau dann fertig, wenn es hundertprozentig passt. Warnrufe „Du könntest schon mal den Tisch decken“ helfen nur geringfügig weiter, denn die kommen oft ebenfalls zur Unzeit.
Trotzdem: Selten biege ich auf dem Weg zum Esstisch noch Richtung Klo ab. Es sei denn natürlich zum Händewaschen. So wurde es uns schließlich seit frühester Kindheit eingebläut: Nach dem Klo und vor dem Essen Pfoten waschen nicht vergessen.
Und wenn man dann schon mal da ist, da kann man doch auch…
„Komme gleich, ich gehe eben schnell noch aufs Klo!“
Grober Fehler, ganz grober Fehler. Und damit zurück zum eigentlichen Thema:

Nicht, dass mein Opa, wenn meine Oma ihn zu Tisch zitierte, überhaupt irgendetwas geantwortet hätte. Er war kein Mann großer, wuchtiger Worte. Grummelnd trottete er Richtung Badezimmer, meist die Lokalzeitung in der Hand, gerade, dass er vorher den Zigarrenstumpen noch aus dem Mund nahm. So verschwand er für die Länge einiger Artikel hinter verschlossenen Türen und meine Oma, die den Herd bereits abgedreht hatte, kochte erneut. Dieses Mal allerdings vor Wut.
Nun war es nicht gerade so, dass sie eine leidenschaftliche oder begnadete Köchin war, ihr das Soufflee drohte, zusammenzufallen, irgendetwas klumpig zu werden oder zu vermatschen. Das war weniger das Problem. Sie nahm es stattdessen als das, als das es auch gemeint war: Als pure Provokation, ein kleines Zeichen eines Jahrzehnte andauernden Machtkampfs, denn das ging wohl jeden Tag so. Bloß nicht sofort antanzen, nur weil eine/r ruft…

Und in meinem eigenen Elternhaus?
Mein Vater, der sich angewöhnt hatte, bis zum allerletzten Moment am Schreibtisch zu sitzen und erst, wenn das Essen auf dem Tisch stand, aus seinem Büro zu kommen, war da nicht anders. Allerdings war sein Schwenker Richtung Toilette nur von kurzer Dauer, meine Mutter ärgerte es trotzdem – vermutlich, weil sie es von früher her kannte und schon damals die Diskussionen erlebt hatte, die Sticheleien und den Ärger meiner Oma, wenn der Herr Großvater, also ihr Vater, erst eine Sitzung veranstaltete und alle auf ihn warten mussten und das Essen drohte, zu erkalten.
Hätte meine Oma doch nur gerufen: „In zehn Minuten steht das Essen auf dem Tisch. Karl, geh doch schon mal aufs Klo!“ Es hätte viele unnütze Diskussionen und Streitereien vermeiden können.
Ob er es gemacht hätte, kann ich nicht sagen, aber einen Versuch wäre es wert gewesen.

Das denke ich zumindest, derweil ich auf dem Klo sitze, darüber sinniere und gleich auf dem Tisch Frikadellen mit Glückskeks auf mich warten werden. Geiler Hipster-Scheiß halt.
Aber erst, wenn ich in der Kantine bei der Essensausgabe dran bin.

Vieles könnte so einfach sein…


 

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2 Antworten

  1. Axel Prauser sagt:

    Ist bei meinem Sohn nicht anders. Auch wenn ich schon mal dran gedacht habe eher zu rufen, vergesse ich es dann doch wieder. Insofern sieht die Lösung so aus, dass er sein Essen etwas kälter bekommt (er mag es sowieso nicht zu heiss) und wir nicht warten, da wir es heiss mögen. Schliesslich kommt es beim gemeinsamen Essen auf diese 3-5 Minuten nicht an und er auch keine Zeitung, Handy o.ä. zum WC mit nimmt. Ja dann… Aber soweit sind wir dann doch noch nicht.
    Liegt wohl alles in der Familie und das seit Generationen :-)

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