Immer feste drauf – ich brauch das

Fast schon verschwenderisch, wie der Oktober es in diesem Jahr krachen lässt. Mit bis zu 24°C kam er schon wieder an den Sommer heran, zumindest aber den Spätsommer. In den vergangenen Tagen zog es mich immer wieder in den Weiher oder zum Spazierengehen in die Berge. Zwar sind die Nächte kühl und das Wasser bring es kaum mehr auf Temperaturen über 12° bis 13°, aber für ein Ründchen oder Stündchen im Weiher langt es schon noch. Nach mehreren Ausflügen ins herbstliche Freiwasser kostet es mich nicht mal mehr Überwindung, mich vom Steg aus ins Wasser fallen zu lassen, im Neoprenanzug, mit zwei Silikonkappen und einer das halbe Gesicht abdeckenden Brille, lässt es sich gut aushalten.
Ich weiß, viele schwimmen ohne das alles im See, auch hier im Weiher habe ich am Wochenende einige Menschen schwimmen gesehen – nur in Badegarderobe. Ich finde das bewundernswert, meine Sachte ist das nicht. Ich pelle mich lieber in den Neoprenanzug, aber dann bin ich ein gutes Stück länger drinnen. Ich schwimme, lieber 50 Minuten mit Anzug als 15 Minuten ohne. Das Für und Wider zu erörtern, wie es bisweilen in den sozialen Netzwerken passiert, finde ich spätestens dann enervierend, wenn die Ohne-Schwimmer die Mit-Schwimmer zu überreden versuchen, ihnen es gleich zu tun, weil nur das ihrer Meinung nach das einzig Wahre ist. Für mich gilt: Jeder soll nach seiner Fasson selig werden, da bin ich ganz preußisch.
Also mit. Ich bin kein Kaltwasserschwimmer und schon gar kein Eisschwimmer. Und ich habe keinerlei Motivation, das eine oder andere zu werden.
Aber im Moment geht halt noch was, wer weiß, wie lange? Ein paar Tage vielleicht noch, dann ist für mich die Saison endgültig vorbei, dann kommt er zurück, der unselige Kampf um die Top-Spinde, um die freie Bahn und die letzte freie Liege. Einen ersten Vorgeschmack davon hatte ich bereits.
Mein heimliches Ziel ist es, das Datum des letzten Freiwasserschwimmens im Jahr immer weiter nach hinten zu schieben. Das Wetter spielt mir dabei gut in die Hände. So spät im Jahr war ich noch nie draußen, vom Meerwasserschwimmen auf Madeira im vergangenen Winter abgesehen – aber das zählt nicht.
2016, so sehe ich in meiner alten Statistik, war am 30. September Schluss, 2015 war es sogar schon der 22. September. 2014 war es der 12. Oktober. Heute ist der 18.10. – sechs Tage wären also schon mal geschafft. So gesehen bin ich jetzt schon im grünen Bereich…
Das meine ich wörtlich, denn auch wenn das Wasser oberflächlich betrachtet von einem unverschämt verführerischem Blau ist, ist es eine Etage tiefer und nicht gerade in Ufernähe von undurchdringlichem Smaragd-Grün, das Bild vom Laub von unten zeigt, was ich meine. Ich versuche ein Split-Level-Foto, so recht will es mir nicht gelingen.

Weitaus weniger im grünen Bereich bin ich bei der notwendigen Ankleidehilfe am Ufer. Bisher hab ich noch immer wen gefunden, der mir den Rückenreißverschluss geschlossen hat, aber die Klientel, die dafür in Frage kommt, wird im Herbst und vor allem unter der Woche immer dünner. Es kommen immer weniger Menschen zum Weiher, ein paar Spaziergänger, der eine oder andere Radfahrer. Und dann ist da noch die Gruppe älterer Leute, die regelmäßig zum Picknick kommt. Die aber scheidet nach den Vorkommnissen am vergangenen Sonntag aus.
Zum einen meint eine der Frauen, ich könne doch eigentlich mal jemanden mitbringen, der den Reißverschluss hoch zieht und nicht immer sie fragen. Das interpretiere ich so, dass ich ihr mit meiner Bitte lästig werde, nachdem ich bereits am 05., am 13. und am 15. Oktober mit der gleichen Frage an die Leutchen herangetreten bin. Dreimal innerhalb von 10 Tagen, das ist ja an Penetranz kaum mehr zu überbieten. Unerhört.
Aber ein Mann steht schließlich auf, bittet eine andere Frau um Hilfe, allein schafft er das nicht.
Die Frau bemerkt, wie verdammt eng der Anzug sitzt, da bräuchte man ja schon gewaltig viel Kraft, um den Zipper hochzubekommen.
„Ich hab ihm schon das letzte Mal gesagt, dass er weniger essen soll“, antwortet der Mann.
„Oder er bereitet sich schon auf den kalten Winter vor“, kommentiert die Frau, die mit einem zaghaften Zug versucht, den Reißverschluss zu schließen.
„So wird das nichts, halt Du mal… – und Sie ziehen bitte jetzt den Bauch mal ein.“
Damit meint er mich. Die beiden tauschen die Aufgaben, sie zieht die beiden Seiten zusammen, er zerrt den Zipper nach oben. Endlich ist der Neo zu.
Offen gestanden: Der Mann hat recht, und das in doppelter Hinsicht: Ich sollte wirklich weniger essen. Und ja, das hat er mir bereits am Fünften gesagt.
Trotzdem bin ich etwas angesäuert. Wenn ich eines nämlich überhaupt nicht ausstehen kann, ist das, wenn Andere in meiner Anwesenheit über mich in dritter Person sprechen Noch dazu buchstäblich hinter meinem Rücken. Das ist im höchsten Maße ungehörig.
Ganz abgesehen davon, dass man so etwas grundsätzlich nicht sagt. Da kann er mich auch gleich fett nennen.
„Was wird jetzt das für ein Auftritt?“ fragt mich eine Frau, die am Ufer steht.
„Gar keiner“, antworte ich wahrheitsgemäß. „Ich geh einfach nur schwimmen.“
Sie grinst. „Dann nehmen Sie sich doch mal ein Beispiel an den Kollegen hier. Die gehen auch alle schwimmen, aber ohne so ein Dingsda.“ Womit sie den Neoprenanzug meint.
Auch ihr erkläre ich frei von jeder Anzüglichkeit, dass ich es lieber lang und ausdauernd mag als kurz und heftig. Darum mit Gummi, dann kann man nämlich schon mal 50 Minuten durchhalten und nicht nur 15 – wenn überhaupt

Ich bin es langsam Leid, mir fortwährend pseudo-witzige und möchtegern-originelle Sprüche anhören oder mich rechtfertigen zu müssen, weil ich es mit Pelle lieber mag. Also muss ich mir wohl qualifiziertes Ankleidepersonal suchen. Oder nur noch ins Hallenbad gehen und dort nur badebehost schwimmen. Aber im Weiher ist es halt schöner.
Man kann eben nicht alles haben.
Kommen Sie jetzt nicht auf Idee, ich solle doch im Weiher den Neo einfach weglassen. Da führt kein Weg hin – auch nicht über Facebook-Kommentare. Und schon gar nicht hinter meinem Rücken…


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2 Antworten

  1. Günter sagt:

    Lutz, wir lieben Dich auch fett und mit Neo! *duckundweg*

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