Das Fremde so nah (Challenge 2018/6)

Allein in der Fremde?
Ich kann es unumwunden zugeben, ich verspüre immer ein sehr großes Unbehagen, wenn ich das erste Mal in ein Schwimmbad gehe, in dem ich zuvor noch nie gewesen bin. Man kann ja so viel falsch machen, man kennt die Wege nicht, könnte sich verlaufen. Im Münchner Michaelibad, das ich mir als fremdes Freibad ausgesucht habe, kann man zum Beispiel das falsche Drehkreuz nehmen und steht im Hallenbad… und das womöglich, wo heute Babyschwimmen angesagt ist. Bloß nicht!

Das Fremde - das Michaelibad

Es ist eben alles nicht so einfach und es wird im Bad nicht besser:

Nie weiß man, welchen Spind man nehmen soll und ob man nicht gerade den aussucht, den ein anderer Badegast, der immer kommt, für sich beansprucht.
Nie weiß man, wie warm das Wasser sein wird, nie weiß man, wo seine Sachen ausbreiten kann, wo man seine Ruhe hat.
Darf man Trinkflaschen an den Beckenrand stellen oder wird man vom strengen Bademeister zusammengeschissen oder zumindest angepfiffen?
Darf man Paddles benutzen?
Wie sind die Regeln im Becken?

Das Fremde - das Michaelibad

Wer schwimmt wo?
Sind die schnelleren hysterisch unentspannt, wenn ich ihnen im Weg rumgondle? Werden die langsameren aggressiv, wenn ich sie überhole?
Paddeln Rückenschwimmer kreuz und quer?
Sind Bahnen abgetrennt?
It es laut dort? Ist es voll?
Springen Verrückte vom Beckenrand in die Bahnen?
So viele Fragen, so viele Eventualitäten, so viele Fallstricke.

Mag sein, dass das alles etwas von diskreten autistischen Zügen hat, mag sein, dass es das nicht hat. Jedenfalls bin ich heilfroh, wenn ich in einem Bad in der Fremde in Gesellschaft von jemandem bin, der sich dort auskennt oder jemanden, der das Ganze forsch angeht. Dabei habe ich mir diese Aufgabe, fremde Frei- und Hallenbäder zu erkunden, selbst ausgesucht.

Also stehe ich zögerlich am Beckenrand des Michaelbads – schaue ins Wasser und beobachte. Gottseidank ist es in dem riesigen Bad überschaubar leer.Das Fremde - das Michaelibad

Es dauert seine Zeit, bis ich die Nische gefunden habe, in der ich meine Bahn ziehen will. Wie ich schnell erkenne, hetzen einige irre schnell durchs Wasser, am Beckenrand stehen zwei auf den ersten Blick als sehr sportliche Schwimmer erkennbare Männer und fachsimpeln. Und zwar genau über das, was der Dritte im Bunde gerade treibt. Stilkritik auf wenig charmantem Niveau. So was kann ich ja leiden…
Ein paar Ältere paddeln hinegen sehr gemütlich und peinlichst darauf bedacht, dass die Haare nicht nass werden. Erschreckenderweise schwimmen die ohne Rücksicht auf Verluste im Karree, was unweigerlich dazu führt, dass sie pro Runde die Bahnen der Schnelleren queren. Auch so etwas finde ich nicht gerade prickelnd. Was soll der Schwachsinn, in die Fremde zu fahren, wenn das Gute so nah liegt?Das Fremde - das Michaelibad

Irgendwann aber bin ich dann auch im Wasser.
Vier Kilometer stehen auf dem Zettel. Die Karreeschwimmerinnen haben ihr unsinniges Tun aufgegeben, beschränken sich auf die eine Beckenseite, nachdem es einen Beinahezusammenstoß mit einem Kampfkrauler gegeben hat.
Bitte geht doch.
Geht nicht.
Plötzlich rumpelt es hart. Ich hänge im Rücken eines älteren Mannes, der rückenpaddelnd schräg in meine Bahn hineingeraten ist. Ich entschuldige mich vorauseilend, bevor der Mann einen Anfall und womöglich einen Infarkt bekommt. Dann nämlich geht gar nichts mehr mit Schwimmen.
Der aber entschuldigt sich seinerseits mit den Worten, er schwimme doch immer sehr präzise seine Bahn, auch wenn er rückenschwimmt. Er verstände gar nicht, dass er so die Orientierung verloren und mir in die Bahn geschwommen ist. Ich solle doch bitte nicht böse sein.

Kann man das, wenn man so charmant um Verzeihung gebeten wird?
Nach vier Kilometern lasse ich es gut sein, hake das Michaelibad ab und damit die Aufgabe, ein neues Freibad zu erkunden. Als ich mich nach dem Abtrocknen noch ein wenig in die Sonne setze, dem Treiben zuschaue und einen flüssigen Snack nehme, fühle ich mich fast schon wie zu Hause.

Aber nur fast…
Wo waren noch mal die Mülleimer? Und wo das Klo?


Noch zu erledigen:

Fünf Wiederentdeckungen: noch 2 / noch 1
Und außerdem: Jahressoll 480 km / Ranking aktualisieren / Chiemsee – ein neuer Uferabschnitt / Badehosen ausmisten / Chiemsee-Querung / Vollmond-Schwimmen / Goldene Stunde / 100km im Freiwasser

Erledigt:
Fünf neue Seen: Tüttensee, Pullinger Weiher, Haager Badesee, Kirchsee, Happurger Stausee, Badesee Niedernberg
Fünf Wiederentdeckungen: Pelhamer See, Thenner Weiher, Feldmochinger See
Und außerdem: Ein 5.000er, Völklingen – ein fremdes Hallenbad, Langbürgner See, Michaelibad – ein fremdes Freibad


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