Bretagne (#11) -Alles très chic in Tréguir

Tréguir liegt in der Nähe der Küste, ebenfalls am Flüsschen Le Jaudy, von dem in dieser Serie bereits die Rede war. Hier aber in Tréguir, wo der Le Guindy hinzukommt, wird der Le Jaudy breiter und breiter, vor allem, wenn die Flut kommt und das Wasser vom rund 10 Kilometer entfernten Ärmelkanal in den Fluss hereineindrückt. Dann erreicht er kurzzeitig eine imposante Breite.


Der Fluss ist ein Paradies für Sportbootkapitäne, Jacht reiht sich an Jacht am kleinen Anleger von Tréguir. Einen Hafen gibt es in diesem Ort allerdings nicht. Es ragen nur Stege für Sportboote hinein in das Gewässer. Keine Hafenmauer, keine Anlagen, keine Fischerboote. Nichts. Sooo unromantisch.
Wie wir in einem Reiseführer lesen, waren die Einwohner von Tréguir einst im Mittelalter dermaßen stolz auf ihre Buchmacherkunst in den Skriptorien und daher so wohlhabend, dass die den Ton angebende Geistlichkeit den Handel über Meer und Fluss für vollkommen unnötig erachtete. Einen Hafen bauen? Wozu? Wir machen Geld mit unseren Büchern. Was für eine fatale Fehleinschätzung!
Mit der Erfindung des Buchdrucks ging allerdings die Zeit der Skriptorien zu Ende und damit der Wohlstand der Stadt verloren. Aber da hatten andere Orte im Hinterland längst die Flüsse als Wirtschaftswege erkannt und sich zu Handelszentren entwickelt. Tréguir verlor zunehmend an Bedeutung. Das kommt eben dabei heraus, wenn man wenig weitsichtig aufs falsche Pferd setzt.

Heute ist Tréguirs romantische Altstadt vor allem für Touristen sehens- und entdeckenswert. Mittelalterliche Häuser, viele kleine Geschäfte und noch mehr Restaurants reihen sich um den Platz der Kathedrale und die vielen kleinen Gässchen mit ihren gotischen Häusern. Urlauber flanieren, man hört sogar hin und wieder Sprachfetzen in Deutsch, vor allem, wenn sich Ehepaare lautstark streiten, welcher Weg denn hier nun der Richtige ist, wo und wie man denn nun den Abend verbringen solle. Das sind Momente, da möchte man nicht als Landsmann dieser Menschen erkannt werden, lässt sofort Reiseführer und Stadtplan verschwinden und blättert vor lauter Fremdschämen in französischsprachigen, antiquarischen Büchern, die vor einem kleinen Buchladen ausgestellt sind. Fehlte noch, dass so einer einen in der Öffentlichkeit anspricht.

Das ist alles nur Tarnung, denn mein Französisch ist nicht der Rede wert. Schon, weil es im Prinzip nicht vorhanden ist.
Obwohl ich mir einbilde, ein einigermaßen funktionierendes Sprachgefühl zu haben, halte ich mich sogar bei der Aussprache fremder Ortsnamen in der Öffentlichkeit zurück. Man kann ja so viel falsch machen und abgrundtief blamieren, wenn man von Orten spricht und deren Namen total verhunzt. Also lasse ich das.
Daher verwende ich, so lange wir unter uns sind, für Tréguir lieber als Pseudonym die beiden Wörtchen Très chic. Die kenne ich wenigstens, ich kann sie richtig aussprechen und très chic ist das kleine Städtchen ja ohnehin. Vollends absurd wird es übrigens bei dem südlich von Tréguir gelegenem Dorf Minihy-Tréguier. Die Unfähigkeit und der Unwille, den Ortsnamen richtig aussprechen zu lernen führ dazu, dass ich es einfach in vollkommener Ignoranz Mimimi très chic nenne – so kann man es auch machen.

 

Auf der Suche nach einem Restaurant beim Bummeln durch die Gassen Tréguirs, die nicht annähernd so leer sind, wie es die Bilder hier vorgaukeln möchte, lässt sich Vieles entdecken. Fotografen, Holzschnitzer, Mode- und Schmuckdesigner haben ihre kleinen Ateliers und Verkaufsräume dort, es gibt Kunst, Nippes und Feinkost. Aber auch die ganz normalen Wohnhäuser sind fast alle liebevoll gepflegt und herausgeputzt. Die Geschäfte der einschlägigen großen Handelsketten sucht man hingegen vergebens. Wohltuend, einmal nicht in einer verdeichmannten Stadt zu bummeln, wie es hierzulande kaum mehr möglich ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Es gibt viel zu sehen, zu probieren und noch mehr zu fotografieren.
Vor allem die beiden Türme, einst das Tor zum Flussufer, haben es mir angetan. Und als dann noch die Abendsonne so steht, dass ich wieder einmal ein hartes Gegenlicht-Motiv ausprobiere und mich nur noch wenig über die idiotischen Sonnenschirme vor dem kleinen Restaurant ärgere, die das Bild nachhaltig stören, ist alles gut. Und chic. Très chic sogar.

Jetzt noch Galettes bretonnes und alles ist perfekt.


Wenn Sie mehr über die Bretagne lesen möchten, finden Sie eine Liste aller Beiträge samt Verlinkung auf der Unterseite
Die Serien dieser Seite im Überblick.


Vielen Dank fürs Lesen.
Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, dann freue ich mich, wenn Sie ihn Ihren Freunden weiterempfehlen – z.B. über Facebook, Twitter, in Internetforen, Facebookgruppen o.ä.
Gern dürfen Sie den Artikel auch verlinken.

Diesen Beitrag weiterempfehlen:

1 Antwort

  1. Anwolf sagt:

    Das sieht wirklich très chic aus! Und dieses Örtchen ist gleich auf meiner Liste gelandet. Eigentlich wollten wir dieses Jahr wieder nach Cornwall reisen, aber die Briten mit ihrem Brexit-Chaos und der damit verbundenen Unsicherheit, was die Einreise mit Hund angeht, hat uns umplanen lassen auf Bretagne. Die Küste soll ja recht ähnlich sein. Aber die Sprache… Ich kann dir noch nicht mal sagen, wo wir unsere Unterkünfte gebucht haben. Ich kann mir die Ortsnamen einfach nicht merken. Aber Très Chic bleibt mir ganz bestimmt in Erinnerung. Mal schauen, ob wir dort hin finden ;-) Bis dahin werde ich zur totalen Verwirrung noch durch deine anderen Bretagne-Artikel stöbern.
    Liebe Grüße! Andrea

Entdecke mehr von Mal Zwetschgenmann - Mal Wassermann

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen