Bretagne (#6) – Am Leuchtturm am Pfad der Zöllner
Der Pfad der Zöllner gehört zu den Europäischen Fernwanderwegen, er schlängelt sich an der bretonischen Küste Bucht für Bucht und Halbinsel für Halbinsel entlang und ist unter Frankreichurlaubern wie Wanderern äußerst beliebt. Ein besonders Highlight ist dabei der Abschnitt am Le phare de Ploumanac’h einem Leuchtturm, der gern auch Phare de la pierre Rouge oder Phare de Men Rouz genannt wird.
Das ist Bretagne pur – das ist Bretagne par excellance. Das ist das Herzstück, das jeder, der an der Kanalküste Urlaub macht, besucht. Entsprechend geht es dort auch in der Saison zu: Es sind schiere Völkerwanderungen.
Zweifelsohne ist die Halbinsel zwischen den Badebuchten von Perros-Guierec im Osten und Ploumanac’h im Westen ein ganz entzückendes Stück Landschaft, das in keinem Reise- oder Wanderführer fehlen darf. Es ist der berühmteste Teil der rosa Granitküste, besonders schön anzusehen, wenn die Abendsonne die Steine anstrahlt und noch mehr zum Leuchten bringt, die Luft feucht und diesig ist und der Dunst über dem Meer steht.
Eigenartige Namen tragen die Felsen dort, viele fordern die Phantasie des Betrachters heraus. Aber wenn man sich erst einmal „eingesehen“ hat, dann sind Felsen, die den Namen Schildkröte , Pilz, Hase oder Napoleons Hut tragen, auch als solche sehr gut zu erkennen. Und wenn nicht, dann stehen an der Küste reichlich Hinweisschilder für Wanderer und Spaziergänger.
Alle, die diesen Küstenabschnitt vom Wasser aus betrachten, werden vom Kapitän des Ausflugsschiffes (ja, auch das haben wir gemacht) ebenfalls darauf hingewiesen, was er an der Küste entdecken könnte.
Und ehrlich: Wer würde schon zugeben, dass seine Phantasie nicht ausreicht, hier eine Schildkröte zu sehen?
Und das? Ein Hut? Der von Napoleon? Samt Kokarde?
Na also. Sag ich doch.
Wer die Beschaulichkeit oder gar Einsamkeit sucht, ist auf diesem Küstenwanderweg falsch. Von den beiden stark frequentierten Badeorten aus machen sich Wanderer und Spaziergänger auf, eben all die, die nicht einfach am Strand liegen, in der Sonne brutzeln, baden oder auf die perfekte Welle warten wollen.
Die perfekte Welle ist dabei die, die hier nie kommt. Dazu ist die Dünung zumindest an diesem heißen Sommertag zu schwach. Aber für die Surf-Schüler in Perros-Guierec ist das vielleicht auch gut so. Unermüdlich üben sie für den Tag, an dem sie dann eben doch kommt, die perfekte Welle.
Unser Weg führt uns von Perros-Guierec zwischen Wiesen und Steinen, Gestrüpp und Sand nach Nordwesten, immer der Küste entlang. Alle paar Meter könnte man stehen bleiben, geduldig warten, bis andere das Blickfeld freigeben und dann Fotos machen.
An besonders exponierten Orten wurden sogar Foto-Points eingerichtet. Damit man nur ja weiß, wann man auf den Auslöser drücken muss, um das zu fotografieren, was hinterher für „ahhh“ und „ohhh“ sorgen will, wenn man die Bilder herzeigt. Auch hier hätte es an Gelegenheiten nicht gemangelt, einen Beitrag für die Blogparade der schönsten Fotospots und die Wahrheit dahinter zu bebildern.
Aber da das Thema bereits erledigt ist, habe ich die Wahrheit dahinter – wie so oft – einfach auf meinen Bildern ausgeblendet und mich auf das konzentriert, was ich in solchen Momenten am liebsten fotografiere: Die Natur. Zum Glück habe ich einen ganz eigenen Geschmack für das, was ich fotografieren will. Und der ist nicht immer mehrheitsfähig. Also kann ich auf Fotopoints verzichten, richte meine Kamera auf Steine und Sträucher, Meer und Strand eben dort, wo ich ein schönes Bildmotiv vermute, und nicht zwangsläufig dort, wo man mich darauf aufmerksam macht, dass man von hier aus ein sensationelles vor Augen hat. Eben das, was alle fotografieren.
Immer wieder fällt mir später beim Sortieren der Fotos auf: Viele Bilder gaukeln Alleinsein vor. Aber der Schein trügt. Viele gaukeln zudem vor, dass wir kilometerweit von der Zivilisation entfernt sind, aber das stimmt ebenfalls nicht. Das ist nur dem geschuldet, dass ich lieber Landschaften als Gebäude fotografiere. Aber auch das kommt vor: Ein steinerner Unterstand oder Fischerboot zum Beispiel, im Hintergrund der bereits erwähnte Leuchtturm und das Eiffel-Haus. Davor vielleicht noch ein kleines Fischerboot.
Das ist Bretagne pur. Klischeehaft bis an die Grenze zum Kitsch – und doch real.
Wer den Weg in umgekehrter Reihenfolge abreichtet, kann in Ploumanac’h am Hafen starten und sich dem Küstenverlauf ostwärts folgen. Auch das machen wir, da wir bei unserem ersten Weg von Perros-Guierec am Leuchtturm kehrt gemacht haben. Der Hunger trieb uns zurück.
In Ploumanac’h, einem der beliebtesten Urlaubsorte an der Granitküste, treffen wir mitten zwischen den Steinen eine etwas genervte Urlauberin; eine Französin, die auf der Suche nach dem Touristenbüro des kleinen Städtchens ist, sich aber von der Schönheit der Landschaft verzaubern ließ und ein paar Schritte gegangen ist. Und dann immer weiter.
Aber genießen kann sie das Ganze nicht wirklich. Sie erzählt von ihrem Sohn im Teenager-Alter. Der ist im Auto auf dem Parkplatz geblieben, er starrt unentwegt auf sein Handy und schaut einen Video-Clip nach dem anderen. Alles mit Kopfhörern, RAP-Musik könne sie nicht aushalten.
Immer wieder habe sie versucht, ihn zu überreden, doch mal auszusteigen, sich diese wunderbare Gegend anzuschauen – es sei doch alles so traumhaft hier.
Keine Chance. Den Sohn interessiert das nicht. Frische Luft, auch so ein Klassiker in der elterlichen Argumentation braucht er nicht, Sonnenlicht erst recht nicht. Sie kann das nicht verstehen. Da hätte er doch eigentlich auch zu Hause bleiben können.
Ich fühle mit der Frau, verstehe aber, dass der Filius sich für tote Steine und Gegend nun mal wenig interessiert.
Und Licht, Luft, Sonnenschein? Er ist, so möchte ich der Frau erklären, schließlich keine Pflanze. Da müsse er keine Photosynthese betreiben. Da könne er im genausogut im Auto warten.
Aber die Bemerkung spare ich mir. Die Gute ist eh schon gereizt.
Es ist eben ein Kreuz mit dem pubertätigen Nachwuchs – aber wenn ich ehrlich bin: Ich war in dem Alter auch nicht anders. Die Frau verabschiedet sich, es wird Zeit für sie, nun endlich zum Touristenbüro zu fahren – wo immer das ist.
Wir bleiben noch einen Moment. Mit einem Blick auf das Schloss Costaérès beenden wir unseren Spaziergang. Es liegt auf einer Insel vor Ploumanac’h und gehört derzeit dem deutschen Schauspieler, Komiker und Entertainer Dieter Hallervorden.
Es sei ihm gegönnt.
Wer ko, der ko…
Für Wanderer: Details zu diesem Weg finden Sie auch im Bretagne-Wanderführer von Rother (Affiliate Link).
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Vielen Dank fürs Lesen.
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