Betr.: Wildtiere fotografieren (Teil 3): Geotags & Nähe
Dieser Beitrag ist Teil der Reihe über Nachhaltigkeit und Verantwortlichkeit beim Bloggen. Bitte beachten Sie die Linksammlung am Ende des Beitrags, denn das Thema „Wildtiere fotografieren“ kommt in einer eigenen kleinen Serie innerhalb der Reihe zur Sprache. Es ist zu komplex, um es in nur einem Blogpost zur Sprache zu bringen.
Im Blog des Weltenbummlers perpetual fragments fand ich einen interessanten Beitrag über die Ethik und Wildtierfotografie der ursprünglich als 8 Common Ethical Mistakes in Wildlife Photography (And How to Fix Them) von Ellyn Kail auf Feautre Shoot veröffentlicht wurde.
Ein äußerst spannendes Thema, zu dem es sich in der Tat lohnt, Gedanken zu machen. Was mich betrifft, habe ich eine klare Meinung zu den meisten Punkten, die dort Erwähnung finden und ich halte damit nicht hinterm Berg.
Hier Teil 3.
3. Alles mit Geotags versehen
Das Geotagging von Fotos lockt noch mehr Fotografen, „Influencer“ und Schaulustige an mit überwiegend negativen Folgen für die Lebensräume der Tiere oder die Tiere selbst. Es geht aber nicht nur um das Geotagging von Fotos sondern generell um die Veröffentlichung von detaillierter Ortsangaben, wo welche Bilder entstanden sind. Also auch um die Fundorte seltener, bedrohter Arten.
Das Problem ist bekannt, oft benannt und diskutiert worden. Ich sehe das in den allermeisten Fällen mittlerweile ganz genauso. Ich muss ich jedem auf die Nase binden, welche Tiere ich wo fotografiert habe. Die Grundproblematik ist der der Diskussion um die Veröffentlichung von Foto Hot Spots, sei es im Text, sei es mit im Bild versehenen Geotags (die den exakten Ort der Aufnahme festhalten in der Datei speichern und so abrufbar sind) sehr ähnlich. Vielleicht ist sie sogar noch um einiges „schärfer“. Wohin die Veröffentlichung von solchen Orten führen kann, habe ich am ganz kleinen Beispiel der Waldohreulen im Winter 2020/21 geschildert.
Was ich dort erlebt habe, ist allerdings vollkommen harmlos im Verhältnis zu dem, was Tierschützer zu berichten wissen. Die Preisgabe von Orten seltener Tierarten kann einen regelrechten Run auslösen – nicht immer zum Wohl von Landschaft und Natur und noch weniger zum Wohl der dort lebenden Pflanzen und Tiere. Einen dringenden Appell, Fundplätze seltener Wildtiere zu verschweigen hat der Wuppertaler Tierfotograf Benny Trapp auf meiner anderen Seite veröffentlicht. Dem kann ich mich nur noch anschließen. Wildtierfotografie kann nämlich auch dazu führen, dass Lebensräume überrannt, zertrampelt und unrettbar zerstört werden, wenn sie nicht rechtzeitig gesperrt werden. Das aber gelingt eher selten.
Und so brechen Heerscharen fotobegeisterter Urlauber, Influencer, Instagrammer, Youtuber etc., für die es nur um dieses eine Foto geht und das Bedürfnis nach Anerkennung in den sozialen Medien, zum Beispiel immer tiefer in Naturschutzgebiete vor, gefährden Umwelt, Tiere und Pflanzen und immer öfter auch sich selbst.
Auf so ein kleines, kaum sieben Zentimeter langes Tier, das kaum größer ist als ein Kameradeckel und sich normalerweise ganz versteckt im Gras aufhält, ist man zum Beispiel schnell getreten.
Klar kann ich jedem erzählen, dass ich Krähen am heimischen Kronthaler Weiher fotografiere. Die Tiere gibt es dort zuhauf, jeder hier weiß das und weder sie noch das Ufer am Weiher sind gefährdet, wenn ich irgendwen auf die Idee bringen sollte, auch dorthin zu fahren, um ebenfalls Krähen zu fotografieren. Macht sowieso keiner – Krähen kann man schier überall vor die Kamera bekommen. Anders als bei den Waldrohreulen, die einen regelrechten Run in den kleinen Ort auslösten, als der BR darüber berichtete, was nun weniger die Eulen gefährdete als die Schaulustigen selbst. Die nämlich stolperten bisweilen kreuz und quer über die Straßen und stapften auf ihre Displays starrend vor die Linienbusse, was wiederum die Anwohner wenig prickelnd fanden. Mal ganz unabhängig davon, dass das Betreten fremder Grundstücke plötzlich auch kein Tabu mehr war.
Kreist ein Storch über unserem Dorf, kann ich auch das mit Ortsangabe berichten. Es ist hinlänglich bekannt, dass im Schwabener Moos von Frühjahr bis Herbst Störche zu finden sind. Auf dem Turm in einem kleinen Dorf nicht weit von hier nisten ebenfalls welche. Reichweitenstark berichtete im Wochenendteil eine überregionale Tageszeitung darüber mit dem Ergebnis, dass es auch dort kurzzeitig mehr Schaulustige als Einheimische auf den Straßen zu sehen gab.
Das aber ist nicht das eigentliche Problem. Wenn ich Schildkrötenfotos in ihren natürlichen Lebensräumen mache, halte ich mich mit genauen Ortsangaben mittlerweile sehr bedeckt. Sie gehören zu den bedrohten und streng geschützten Arten, millionenfach wurden diese Tiere in den 70 und 80ern der Natur ihrer Heimatländer entnommen, um den Markt in Europa und Amerika zu bedienen. In einem kroatischen Naturschutzgebiet am Vrana See macht heute ein Hinweisschild über bedrohte und geschützte Arten dies noch einmal unmissverständlich deutlich. Und auch heute sind diese Tiere noch immer nicht geschützt davor, illegal abgesammelt und aus dem Urlaub mit nach Hause genommen zu werden.
Also bleibe ich, wenn ich über meine Reisen in die Mittelmeerländer und Schildkrötensuche berichte, mit der Ortsangabe sehr vage. Ja, ich nenne in diesen Schilderungen auch Orte, aber ich präzisiere nicht näher, wo genau man suchen muss. Nicht nur aus Rücksicht auf die Tiere und deren Bestand – auch ein wenig, weil ich denke, dass manches Terrain sensibel darauf reagiert, wenn dann doch immer mehr Leute durch die Macchia kriechen.
Es macht meiner Meinung nach auch kaum einen Unterschied, ob ich die Tiere aus rein privatem Vergnügen suche und fotografiere oder ob ich ein „höheres, wertigeres“ Interesse dabei verfolge: Ob es sich dabei um meine eigene Wissbegier über Leben und Lebensraum dieser Art handelt, ob ich das Bildmaterial für spätere Vorträge nutze, als engagierter Halter und Tierschützer mir selbst eine gewisse Wissenschaftlichkeit attestiere, oder ob ich die Bilder für Publikationen nutzen oder sie als Illustrationsmaterial an andere verkaufen will. Das mag für meine Legitimation und eine gewisse Rolle spielen. Letztlich bin ich trotzdem nur ein knipswütiger Touri. Den Tieren ist egal, warum ich sie vors Objektiv nehme.
Es gibt allerdings neben Schildkröten auch bei weitem seltenere oder scheuere Tiere, denen es gar nicht gut tut, wenn sie zu sehr in den Fokus knipswütiger Urlauber geraten. Manch eines dürfte das auch mit dem Leben bezahlen wie der kleine Schweinswal, der im Sommer 2021 in die Hände streichel-und fotografierwütiger Urlauber bei Grömitz an der Ostsee gelangte. Er wurde buchstäblich zu Tode gestreichelt und dabei unentwegt gefilmt oder fotografiert.
Seit Jahr und Tag schwadroniere ich vor meinen Urlauben auf dem Balkan darüber, dass ein guter Urlaub nur einer ist, wenn ich einen Scheltopusik sehen konnte. Die nämlich sind enorm faszinierend, allerdings weitaus schwieriger aufzuspüren. Es ist ja nicht so, dass ich nicht bereits einen gesehen hätte.
An einem Sonntag morgen mitten auf einer kleinen Landstraße in Kroatien entdeckten wir dieses Exemplar. Es ließ sich nur schwer überzeugen, von den wärmenden Straßen ins Gebüsch zu verschwinden, wo es bei weitem sicherer aufgehoben ist. Da reicht ein Auto, das nicht bremst oder ausweicht und das Tier ist tot.
4. Zu nah herangehen
Wildtiere zu fotografieren kann die Tiere stressen, aggressiv machen und demzufolge kann das Fotografieren auch gefährlich sein.
Meine Meinung: Volle Zustimmung! Unbedingt! Es wäre vollkommen töricht, das in Abrede zu stellen. Alle Tiere haben eine bestimmte Fluchtdistanz und die meisten werden, wenn ihnen jemand zu nahe kommt (also z.B. ein Fotograf) einfach abhauen. Durchbricht man die Fluchtdistanz für die Tiere überraschend, dann gehen nicht wenige zum Angriff über. Kreuzottern und Hechte beißen, Wespen stechen, Rinder stürmen gegen vermeintliche Bedrohung an. Möwen fliegen Scheinattacken, Schwäne fauchen und hacken. Das Ganze potenziert sich bei vielen Arten, wenn sie ihren Nachwuchs schützen müssen.
Oft genug liest man von Tierunfällen, die genau auf solches Verhalten zurückzuführen sind. Das kann sehr schmerzhaft enden, sogar tödlich.
Nein: Man muss zumindest hierzulande die heimischen Tiere nicht fürchten, aber mit Respekt begegnen – und dazu gehört genug Abstand, dass die Tiere eben nicht angreifen, um sich zu verteidigen oder, will man sie fotografieren, ihr Heil in der Flucht suchen.
Ein Rind anzufassen, ist nicht unbedingt eine gute Idee, einen fremden Hund zu streicheln allerdings auch nicht.
Ich muss mich behutsam und vorsichtig den Tieren nähern, die ich fotografieren will. Und in vielen Fällen bleibe ich ganz einfach auf Distanz und nutze das Tele. Dazu habe ich es.
Wie dumm muss man sein, wie verantwortungslos und fahrlässig, Wildschweine mit der bloßen Hand zu füttern, wie es oft genug an der Ostseeküste passiert?
Wie dumm muss man sein, seinem kleinen Kind ein Stück Brot in die Hand zu drücken, um es zu fotografieren, wenn sich ein Schwan nähert und zuschnappt, weil dem Kind das Ganze doch nicht so geheuer ist und es die Hand zurückzieht? Womit wir auch schon wieder bei Punkt 1 wären.
Das sind keine konstruierten Fälle, beides habe ich beobachtet.
Leute lasst es einfach.
In den allermeisten Fällen sind die Tiere schnell verschwunden und man wundert sich immer, wie auch die, die ansonsten behäbig und schwerfällig wirken, plötzlich ein Tempo an den Tag legen, mit denen man so gar nicht gerechnet hat. Das ist ein weiter, völlig pragmatischer Grund, der mit Ethik wenig zu tun hat, warum man beim Fotografieren sich den Tieren nicht allzu sehr nähern sollte.
Oft hilft ein Tele, aus einem Foto mit hoher Datenmenge kann ich Ausschnittvergrößerungen machen; die meisten hier gezeigten Bilder sind so entstanden. Es geht eben nicht anders, wenn man sich nicht in einem Versteck halbe Ewigkeiten aufhalten will, bis einem der Zufall genau das Tier vor die Kamera „treibt“, das man immer schon fotografieren wollte. Und es geht nicht anders als Dutzendweise Fotos zu machen und zu hoffen, dass wenigstens ein paar davon halbwegs geeignet sind. So entstand auch das Bild der Goldstriemen in der Adria.
Fische mögen das nämlich auch nicht besonders gern, wenn sich ein großer Schatten von oben allzu nah über sie legt und ein Schnorchler wie ich ihnen die Kamera entgegenstreckt. Mit ein paar schnellen Bewegungen entziehen sie sich der vermeintlichen Gefahrenlage, aber eben auch dem Fotografieren.
Sogar die bei weitem mutigeren Krähen machen irgendwann einen schlanken Fuß, rückt man ihnen mit der Kamera zu sehr aufs Gefieder.
Ein Unding übrigens, Tiere, die auf der Flucht sind, daran zu hindern, weil man noch nicht genug Fotos oder eben nicht dieses eine ganz besondere hat, womit wir noch einmal beim Fall des bereits erwähnten Schweinswals sind.
Die Flucht zu verhindern ist natürlich bei den meisten Arten, sofern das Tier nicht geschwächt ist, ein aussichtsloses Unterfangen, bei den bereits erwähnten Schildkröten aber nicht, auch nicht bei diversen Insekten, Blindschleichen, Spinnentieren, Schnecken und Würmern, Kröten, Salamandern etc.
Und noch verheerender ist es, sich Tierkindern, die oft nicht flüchten können, zu nähern.
Der nächste Teil geht kommenden Montag online.
Text und alle Bilder: Lutz Prauser. Alle Rechte beim Autor
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