Bei Meister Bockert
Meister Bockert, also den Biber, zu fotografieren, ist ein Ding der Unmöglichkeit – zumindest für mich. Die Tiere sind dämmerungs- und nachtaktiv, extrem scheu und daher kaum auszumachen. Manche Bibersichtung entpuppt sich beim näheren Hinsehen als Nutria und so bleibt nur, die Spuren ihres Wirkens anzuschauen, vor allem, wenn man tagsüber unterwegs ist.
So auch an einem sonnigen Sonntag im späten Oktober. Der Hund und ich haben Ausgang und freuen uns auf eine ausgiebige Runde im Sollacher Forst, einem Wald, von dem hier schon mehrfach die Rede war.
Diesmal geht es ins Bibergebiet.
Der Forst ist, was er ist: Ein Forst.
Einst aber war es ein richtiger Wald, ein mooriger noch dazu. Doch intensiver Abbau von Lehm für die Ziegelbrenner in Isen hat dem Wald schweren Schaden zugefügt. Die aufgelassenen Flächen wurden entweder mit schnell wachsenden Fichten oder Birken aufgeforstet oder eben sich selbst überlassen. Heraus kam ein Forst.
Erst seit einigen Jahren wird das Gelände rekultiviert und so entsteht zumindest teilweise ein richtiger Wald.
Dazu gehörten Zwangsrodungen von Gehölzen, die hier nichts zu suchen haben, aber auch das Anlegen bzw. Erhalten von kleinen Wasserlöchern und Bächen. Für eine ordentliche Vernässung sorgt der Biber. Der hilft, Wasser zu stauen, Wasserflächen zu vergrößern und er wird nicht müde, einen Baum nach dem anderen umzulegen.
Da das Totholz zumindest im Bibergebiet nicht abgeräumt wird, bilden sich neue Lebensräume für Tiere, Pflanzen und Pilze, die hier längst verschwunden waren. Nach und nach entstand ein Biotop, das zu erkunden auch dann spannend ist, wenn einem Meister Bockert nicht über den Weg läuft.
Es lohnt schon um der Fotos willen, von denen ich Dutztende mache, derweil die Hundedame Holzstücke zerbeißt, Libellen beobachtet und mich immer wieder von meinem Standpunkt fortzieht, weil sie wieder etwas entdeckt hat:
Noch eine Pfütze, noch ein Bächlein, noch ein Teich. Sie ist vollkommen aus dem Häuschen, was ich gut verstehen kann. Und so stapfen wir zwischen Birken, Erlen, Kiefern und Buchen entlang über sumpfigen Boden, Baumleichen, herabgefallenes Laub und Gras.
Nur wenige Trampelpfade führen hin zu den Teichen, was nicht verkehrt ist. Das ist kein Spaziergebiet, noch dazu steht man oft genug urplötzlich köcheltief im Matsch. Gut, wenn man (also ich in diesem Fall) passendes Schuhwerk und robuste Hosen trägt, schlecht, wenn man nur mit Schühchen aufgebrochen ist.
Es ist traumhaft. Da das Gelände kein ausgewiesenes Naturschutzgebiet ist, kann ich mich hier auch relativ frei bewegen, nämlich dort, wo es eben geht, ohne mir tausend gute Gründe zu überlegen, warum ich vom Weg abgewichen bin und was ich hier zu suchen habe, falls mich wer fragt.
Vielleicht ist es ganz gut so, im Wald zu verschwinden. Die Leute, die auf dem asphaltierten Weg, der auch durch den Forst führt, mit ihrem PKW tief hinein fahren, um sich ein paar hundert Meter Fußweg vom Parkplatz zu sparen, um dann spazieren zu gehen, finde ich nur noch absurd.
Ich bin übrigens auch kein Freund der E-Biker, die im Pulk mit vollem Tempo auf ihren Rädern vorbeizischen. Ich wage zu bezweifeln, dass die bremsen und ihr Rad unter Kontrolle halten können, wenn zum Beispiel Hundeführer mit einer fünf Meter langen Leine unterwegs ist und diese sich ein wenig über den Weg spannt. Das kann dann böse für Hund und Halter wie auch für die Radler ausgehen.
Aber auch die Radler bleiben lieber auf den bewährten Wegen und das unterscheidet uns.
Und noch etwas unterscheidet uns: Die Hündin und ich haben das viel, viel intensivere Walderlebnis.
Wir sehen und erleben Dinge, die die anderen nicht sehen. Vielleicht wollen sie das aber auch gar nicht. Die Ansprüche sind eben sehr unterschiedlich.
Was zum Beispiel Meister Bockert alles flachlegt, das ist beeindruckend.
Und was er nicht schafft, besorgt das aufgestaute Wasser. Die Landschaft ist vollkommen faszinierend, so klein das Areal auch ist.
Kurz darf die Hündin auch mal von der Leine und im flachen Wasser herumtoben. Es wäre einfach schofelig, ihr das zu verbieten. Den Biber stört es so wenig wie irgendwen sonst. Und wenn ich eines nachvollziehen kann, dann ihren unbändigen Wunsch, im Schweinsgalopp ins Wasser zu stürmen. Nun gut, in dieses würde ich vielleicht nicht hineinhechten.
Noch etwas unterscheidet die Hündin und mich von den Spaziergängern und Radlfahrern: Wenn wir zwei Stunden später nach Hause kommen werden, wird zumindest einer von uns mächtig nach Herbst, Wald, Matsch, Wasser, verrottetem Laub und Moor riechen.
Raten Sie, wer das ist.
Kleiner Tipp: Ich bin es nicht.
Vielen Dank fürs Lesen.
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