An einem Wochenende im Outback

„Nein, es ist nicht systemrelevant, über kopulierende Erdkröten zu bloggen. Vielleicht nicht mal relevant.
Ich mache es trotzdem. Für mein Gemüt. Und das derer, die auch mal einen Moment an etwas Anderes als Corona denken möchten und ein Fenster nach draußen gebrauchen können.“

Getwittert am 20.03.2020

Damit ist alles gesagt – auch wenn es vielleicht nicht notwendig wäre, zu erklären, warum ich blogge, was ich blogge, geschweige denn, sich dafür zu rechtfertigen.
Heute möchte ich mal wieder aus dem Outback grüßen und mich bei der Gelegenheit zum dritten und letzten Mal in dieser Saison zum Krötenthema äußern.

Ende vergangener Woche, bevor es wieder richtig kalt wurde, zeigte sich in Bayern das Wetter von seiner Schokoladenseite. Es war Zeit für einen nach allen Regeln der Ausgangsbeschränkungen zugelassenen Spaziergang im heimischen Wald: Allein oder mit Menschen, mit denen man zusammenlebt, darf man das. Mein Gemüt braucht das – von dem Bedarf an Bewegung und frischer Luft ganz zu schweigen. Also schreiten mein Frau zu einem Spaziergang aus.
Verschwenderisch blühen die wilden (oder ausgewilderten?) Schlüsselblumen unter den Bäumen am Waldrand.

Gelbe Tupfer vom Scharbockskraut sind zwischen den Bäumen auszumachen, noch blühen auch Huflattich und Leberblümchen. Pestwurz sprießt überall aus dem Boden.

Es ist wunderbar warm, der Frühling zeigt sich in seiner Pracht.
Unser Weg führt uns zu einem Teich, einem anderen als den, den ich sonst beim Krötenretten ansteuere. In der Ferne sehen wir mal einen anderen Spaziergänger mit Hund, zwei Radfahrer, einen Jogger. Man bleibt auf Abstand. Selbst, wenn man sich auf dem gleichen Weg entgegenkommt, weicht man zur Seite, grüßt und geht seines Weges.

Auch in diesem Weiher war am Freitag die Krötenpaarung noch in vollem Gange. Die Frösche haben ebenfalls ganze Arbeit geleistet. Laichballen schwimmen im Wasser zwischen den vertrockneten Schilfblättern.

Es kommt einem alles nur plötzlich so unwirklich vor. Frühling, Sonne, Natur, Draußen Sein, überall sprießt es – Leben bricht sich Bahn.
Trotz allem.
Aber ist das unwirklich?

Sind es viel nicht eher die Umstände, unter denen wir im Moment leben müssen und von denen niemand sagen kann, wie sich das weiter entwickeln wird?

Einmal mehr bin ich dankbar dafür, dass wir vor rund 20 Jahren, als wir nach Bayern gezogen sind, aus lauter Verzweiflung über den schon damals vollkommen überzogenen Wohnungsmarkt in München, aufs Land gezogen sind.

„Ihr da draußen im Outback! – Am Arsch der Welt!“ Wie oft habe ich das gehört – nicht selten gemischt mit einem gewissen herablassenden Unterton?
Wie mag es nun gehen, die sich Abend für Abend ins Getümmel der Großstädte gestürzt haben?

Und die Kröten?

Die meisten Krötenweibchen sind mit Ablaichen fertig, noch immer suchen ein paar Männchen verzweifelt eine Partnerin, die meisten aber haben sich langsam auf den Heimweg begeben.

Am Samstag nieselte es, die Fangeimer waren voll. Eine mintgrüne Kröte mit dunkelbraunen Flecken, ein besonders imposantes Exemplar, gerät mir zwischen die Finger. Sie hat es mir besonders angetan. Ob sie will oder nicht, sie wird in die Lift gehoben und auf Augenhöhe fotografiert.

Ein Auto fährt vorbei, der Fahrer schaut irritiert aus dem Seitenfenster. Vielleicht fragt er sich, was ich da mache, den einen Arm ausgestreckt, einen Klumpen auf der Handfläche, mit der anderen eben diesen fotografierend. Und das an einem Samstag. Um diese Uhrzeit. Bei diesem Wetter. Vielleicht hält er mich für einen Spinner. Oder einen unverbesserlichen Idealisten.
Soll er.

So wie alle überzeugten Städter auch. Schön ist’s im Outback – schön am Arsch der Welt. Trotz allem.


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2 Antworten

  1. Der Frühling und die erwachende Natur- und Tierwelt bringen uns auf andere Gedanken. Das tut gut und ist notwendig.
    LG Jürgen

  2. Peter Voigt sagt:

    Lieber Lutz,

    doch doch : Solche Beiträge – wie auch der zum Thema „Brille“ – sind absolut systemrelevant, weil sie für ein wenig gute Stimmung sorgen, im Gegensatz zu der deprimierenden Corona-Dauerschleife in allen Medien. Und entschuldigen musst Du Dich für solche anscheinend „banalen“ Beiträge in diesen Zeiten schon gar nicht. Nichts wäre schlimmer, als wenn wir jetzt noch in kollektive Depression verfallen und unsere Gedanken nur noch um Corona kreisen. Als Nichtschwimmer freue ich mich auf vielleicht wieder etwas mehr „schwimmfreie“ Beiträge in Deinem Blog 😉
    Liebe Grüße
    Peter

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