Allein, allein…
Es gibt Tage, da bist Du ganz allein als Schwimmer im großen Weiher. Heute war so ein Tag.
Trotz gelegentlichem Sonnenschein und einigermaßen akzeptabler Wassertemperaturen (etwa 16 °C, also für einen überzeugten Neo-Schwimmer wie mich ok) hat sich niemand ins Wasser gewagt.
Das ist schön. Ich mag Alleine sein beim Schwimmen.
Zwar ist es in der Freizeitanlage gut gefüllt, aber nicht mal Stand-Up-Paddler sind unterwegs. Und IM Wasser ist sowieso keiner.
Selbst im ganz flachen Uferbereich, in denen sonst die Kinder spielen, ist es erstaunlich leer. Ein paar Kinder stehen mit hochgekrempelten Hosenbeinen im Wasser – auch Väter, die ihren Nachwuchs beaufsichtigen oder bespaßen.
Aber in Badeklamotten wagt sich niemand ins Nass; ich auch nicht, sofern ein Neoprenanzug nicht als Badeklamotte gewertet würde.
Während ich mich noch entkleide und in die Gummipelle quetsche, errege ich einigermaßen Aufmerksamkeit unter Radfahrern und Spaziergängern am Weiher. Hey, was bitte ist daran so ungewöhnlich, wenn sich einer am Kiesstrand zum Schwimmen fertig macht. So kalt ist es nun auch wieder nicht.
Scheinbar schon, denn viele tragen Jacken, manche Frauen Halstücher, das Thermometer schwankt je nach Sonne oder Wolken zwischen 15 °C und 21 °C, nicht unbedingt ein T-Shirt-Wetter.
Einige Kinder starren wie immer vollkommen ungeniert, neu- und wissensbegierig, derweil ich den auf links gezogenen Anzug langsam an mir hochziehe und dabei umkremple.
Jetzt kommt das Beste: Seit ich weiß, dass ich den Rückenreißverschluss dieses Neuerwerbs ganz allein schließen kann, bin ich sehr entspannt. Ich muss niemanden mehr ansprechen und um Hilfe bitten, was in Corona-Zeiten ein enormer Vorteil ist. Auch wenn es augenscheinlich kaum einer mit dem gebotenen Abstand noch ernst meint, am Ende gerät man doch an den Falschen, der einen anranzt, man solle gefälligst auf zwei Meter Distanz bleiben und er denke gar nicht daran, Hand anzulegen. Einer solch keifenden Person begegnete ich unlängst im Baumarkt. Es fehlte nicht viel und sie hätte mit der Schwimmnudel, die sie unter dem Arm geklemmt hatte, auf mich eingeschlagen. Dabei war ich ganz sicher mehr als 1,50 von ihr entfernt – sie konnte halt nicht richtig schätzen, dafür umso gewaltiger zetern.
Zurück zum Thema:
Beim Selberschließen fängt man sich auch keine blöden Kommentare oder Fragen mehr ein: „Der ist ja eng, wie kann man darin denn atmen?“ oder „Ich will Dir ja nicht die Rückenhaut mit in den Reißverschluss einziehen, ich trau mich nicht, hochzuziehen…“, „Ich kann das nicht!“ usw. – Das kennen wir alles, muss man nicht wiederholen, es wird nicht witziger dadurch.
Endlich im Wasser kraule ich eine vergnügliche Runde, die offen gestanden arschkalt beginnt, aber nach kurzer Gewöhnung doch angenehmer ist als befürchtet.
Eigentlich ist es nicht unbedingt notwendig, im Kronthaler Weiher mit Boje zu schwimmen, so groß ist er dann doch nicht, und heute sind neben zwei Ruderbooten mit Anglern auch keine anderen Menschen auf dem Wasser, von denen ich gesehen werden möchte.
Trotzdem. Man weiß ja nie. Zudem gibt die Boje ein gutes Bild ab – auch farblich passt sie wunderbar zur neuen hellblauen Silikonkappe, eine frische Sommer-Farbkombi.
Und noch etwas ist wichtig: Man kann nie wissen, wenn man sich dem einsamen nördlichen Ufer nähert, welches junge Glück man dort vielleicht bei was auch immer aufstöbert. Da ist es besser, von weitem gesehen zu werden, wenn man sich wasserseits den lauschigen Plätzen nähert. Niemand soll heute von meiner Anwesenheit bedrängt, gestört werden.
Sogar meine ursprünglich geplante Schwimmroute ändere ich, weil die Angler mit ihren Booten diese genau kreuzen.
Ich habe keine Lust auf Diskussionen mit den wenig charmanten Anglern am Weiher und in deren Schnüren hängen will ich auch nicht landen. Also ein weiter Bogen. Ich berste heute förmlich vor lauter vorauseilender Rücksichtnahme.
Dann, nach dem Schwimmen entdecke ich beim Abtrocknen vom Ufer aus in der Ferne eine Boje im Wasser und denke:
„Uff. Doch nicht allein. Noch einer, der so tickt wie ich.“
Und es fühlt sich gut an.
PS: Was ich bei dieser Gelegenheit vielleicht auch einmal erwähnen sollte. Menschen, die mit den Gepflogenheiten des Schwimmens nicht so vertraut sind und Selfies wie die in diesem Beitrag in den sozialen Medien sehen, ergehen sich des Öfteren in ulkig gemeinten Bemerkungen über den Schriftzug HEAD auf der Silikonkappe. Eingeweihte wissen natürlich, dass es der Markenname eines Sportartikelherstellers ist und der eigene Name seitlich auf der Kappe steht.
Allen anderen erkläre ich, dass das HEAD auf der Stirn sinnvoll ist, damit im Falle eines Badeunfalls die Rettungskräfte sofort sehen, wo der Kopf, also oben, und wo vorne ist. Damit sie im Falle einer Mund-zu-Mund-Reanimation gleich Bescheid wissen und nicht versehentlich…
Lassen wir das. Ist auch unlustig.
Vielen Dank fürs Lesen.
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