Into the Jungle – willkommen im Dschungel

Ratlos stehe ich am Ufer eines Kiesweihers. Es ist noch relativ früh am Tag, etwas kühl, aber die bleierne Hitze, die sich heute angekündigt hat, wird schon noch kommen. Erst schwimmen? Erst mal zu Fuß vom Ufer aus das Gewässer begutachten?

Aquapark nennt sich das Ganze hochtrabend, die Leute aber sagen nur Weiher zu dem Baggersee östlich von Moosburg in der Nähe von Landshut. Südlich des Weihers befinden sich die Wadle Bauunternehmung und das Moosburger Werk der Rohrdorfer Sand und Kies GmbH, das lässt keinen Zweifel aufkommen, wo ich mich gerade befinde und dass nichts an dem See natürlich ist.

Nach ein paar Schritten am Ufer entscheide ich mich für den Spaziergang, gehe zum Auto zurück, um die Kamera zu holen und befinde mich kurze Zeit später im FKK-Terrain. Misstrauisch werde ich von den ersten anwesenden Hüllenlosen beäugt, ein bekleideter Mensch mit Kamera. Das ist höchst suspekt, was mich einigermaßen amüsiert, ist doch das Internet voll mit weitaus attraktiveren Nackerten als denen, die da am Ufer in der Morgensonne liegen. Warum in Teufels Namen sollte ich, hätte ich Ambitionen, hier irgendwen fotografieren wollen?
Trotzdem richte ich mein Objektiv lieber auf die Libellen am Ufer, versuche, sie im Flug zu fotografieren, was nicht wirklich gelingt. Bevor es zu unschönen Diskussionen am Weiher kommt.

Und dann fotografiere ich die auf den Schilfhalmen sitzenden. Die halten wenigstens still.

Das Objektiv schwenkt hinüber zum anderen Ufer, als mich ein FKK-lerer anspricht, ob ich den Weiher kaufen wolle, wenn ich ihn schon so viel fotografiere.
Richtig: Ich erinnere mich. Der Aquapark befindet sich in Privatbesitz. Aber die Gerüchte reißen nicht ab, dass er wieder verkauft werden soll.
Ich verneine dankend, das notwendige Kleingeld fehlt mir. Und was soll ich auch mit einem Privatgewässer anfangen so lange die Kieswerke nebenan das Weiße Gold aus der Erde holen und das Waschwasser der Kiesreinigung ungerührt in den Aquapark pumpen?

Der permanente Zulauf und die Starkregen der vergangenen Wochen haben den Weiher zum Überlauf gebracht. Ein Teil der Wiese und der Spazierweg steht, das merke ich bald, komplett unter Wasser. Da will ich durch. Jetzt erst recht.

Welcome to the jungle – willkommen im Dschungel.
Ich kehre ein weiteres Mal zum Auto zurück, hole meine Tasche, die ich auf der Wiese platziere (dort, wo man textiliert bleibt), schlüpfe in die Badehose und die Schwimmschuhe. Dann geht es erneut durch den FKK-Bereich hinein in die „grüne Hölle“. Denn das wird sicher spannend.
Knietief steht das Wasser an einigen Stellen, das ist nicht mal übertrieben.

Willkommen im Dschungel

Ich komme mir vor, wie so ein Forscher auf einer Dschungel Expedition, obwohl ich noch nie im Dschungel war, aber ungefähr so muss es sein. Abgesehen davon, dass ich vollkommen unzulängliche Kleidung trage, keinen Strohhut, keinen Rucksack, kein Gewehr oder eine Peitsche mitführe und auch sonst das Dröhnen der nahe gelegenen A92 die Explorer-Illusion auf tönerne Füße stellt.

Passend dazu allerdings fällt ein Heer aus Stechmücken über mich her, stilecht. Schon bald juckt es überall an den Beinen und Armen. Das wird ein Vergnügen sein, später in den See zu steigen. Darauf freue ich mich schon jetzt.

Willkommen im Dschungel

Aufregend ist der Pfad nicht – weder nähern sich Alligatoren, noch schreien Affen von den Bäumen, weder umschwirren mich handtellergroße Falter noch lauern giftige Spinnen. Das Dschungelgefühl ebbt spätestens ab, als ich wieder festen Boden unter den Füßen habe und zwischen den Bäumen immer wieder den See und die Industrieanlagen erblicke.

Willkommen im Dschungel

Doch dann ist es unvermittelt wieder da, als ich zwei Bläulinge erspähe, stehen und bleibe und sie fotografiere.

Willkommen im Dschungel

Dieses Mal sind es keine Stechmücken sondern Hunderte von Ameisen, die in Windeseile über meine Schuhe die Beine hinaufkrabbeln. Und wenn ich Hunderte sage, meine ich natürlich Tausende.
Ein perfekter Moment, um hysterisch zu werden.
Wollte man das.

Willkommen im Dschungel

Will ich aber nicht. Ich bin schließlich nicht in einem Indiana Jones Film.
Schnelle Schritte und heftiges Aufstampfen mit beiden Füßen lassen den Großteil der Krabbler, noch bevor sie die Badehose erreicht haben, herunterfallen – zurück auf die Ameisenstraße, auf der ich mittendrauf stehe, wie ich jetzt erst bemerke. Den Rest streife ich herunter.

Willkommen im Dschungel

Am Ende des Pfades stehe ich auf dem Parkplatz des Kieswerks, was heißt: Umkehren. Zurück durch den Dschungel.
Während ich eine im Wasser schwimmende Schwanenfeder ins Visier nehme, höre ich plötzlich Geplansche, verursacht durch Schritte im Wasser.
Nähert sich ein Tier?

Willkommen im Dschungel

Nein – ein völlig nackter Ureinwohner steht mir plötzlich gegenüber, aufgetaucht wie aus dem Nichts. Makellos braun gebrannt die Haut mit welligem, eisgrauem Haar.
Wenn er jetzt seine Streitaxt zückt, mich niederschlägt, der Kamera beraubt und meinen leblosen Körper im Wasser versenkt, ist alles aus.
Andererseits: Der Wilde hat gar keine in der Hand und trägt auch keine am Körper… Und hinter den Büschen lauert auch niemand mit einem Blasrohr und mit Curare bestrichenen Pfeilen.
Reiß Dich zusammen, Alter. Wir sind schließlich in Bayern und nicht in einem echten Dschungel.

Willkommen im Dschungel

Der Mann grüßt freundlich und in verständlicher Landesart und schreitet dann ungerührt seines Weges fort. Nix da – von wegen blutrünstiger Krieger.

Und ich kehre zurück zu meiner Tasche, um endlich schwimmen zu gehen. Denn mittlerweile ist es mächtig warm, schwül und feucht im „Dschungel“. Aber durch die lauernden Mücken muss ich noch durch. Oder haben die mittlerweile ihren Blutdurst an dem Ureinwohner gestillt?

Wer kann das wissen…

Zum Schwimmen im Aquapark gibt es einen eigenen Beitrag.


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