Spaziergänge (#49): Rund um den Seehamer See
Wahrlich: Eine Perle des Voralpenlandes ist der Seehamer See bei Weyarn nicht. Trotzdem besuche ich ihn zwischen den Jahren, ich will ihn zu Fuß umrunden.
Wie schön, dass Uli, der das Blog Auf den Berg.de betreibt, eine Frage aufwirft, die ich mir auch immer wieder stelle. Ulis Blog beschäftigt sich vornehmlich mit Wanderungen in der alpinen Region. Im Beitrag über seine Tour von Finsterwald zur Hainzenhöhe (Notiz an mich: Unbedingt nachmachen!) sinniert er über die Definition, bzw. die Grenze, ab wann eine Wanderung eine Wanderung und kein Spaziergang mehr ist. Eine Stunde Wegzeit nennt er dort ganz beiläufig als Minimalkriterium. Damit ist meine Umrundung des Seehamer Sees auch eine Wanderung und kein Spaziergang mehr, dürfte folglich in dieser Rubrik nicht erscheinen. Aber wer will so begriffsklauberisch sein?
Den Seehamer See habe ich schon öfter aufgesucht, auch darüber gebloggt, damals aber, weil ich dort im Wasser war. So zum Beispiel 2019 im Sommer. Jetzt mache ich mich mitten im Winter, der wieder mal viel zu warm ist, auf, den See zu Fuß zu erkunden. Ich brauche Bilder, viele Bilder von Seen und das möglichst im Winter – egal, wie das Wetter gerade ist.
Das ist in den Tagen vor Silvester fönig und warm, während die Nordhälfte Deutschlands mit Dauerregen und Hochwasser zu kämpfen hat, präsentiert sich die Alpenregion fast schon trügerisch frühlinghaft… und das Ende Dezember!
Schon der Hinweg verspricht einen spannenden Tag und gute Fotomöglichkeiten. Das Alpenpanorama scheint, obwohl rund 70 Kilometer entfernt, zum Greifen nah. Man sieht weit bis nach Österreich ins Kaisergebirge. Also: Rechts ranfahren, aussteigen, schauen.
Nach einem Abstecher am Erlensee (davon später; sagte ich schon, dass ich Seenbilder brauche?), komme ich mittags am Seehamer See an. Meinen Spaziergang (oder doch meine Wanderung?) starte ich am Südostufer an der kleinen Staumauer in unmittelbarer Nähe des Parkplatzes an der A8. Die nämlich rauscht direkt am See entlang, was wenig idyllisch ist, einmal mehr stelle ich fest, was für ein größenwahnsinniger Schwachkopf das war, der damals die Streckenführung der Autobahn München-Salzburg ausgeheckt hat.
Entgegen der empfohlenen Richtung auf OutdoorActive umlaufe ich den See im Uhrzeigersinn. Und ich parke auch nicht da, wo die App den Start der „Familientraumtour“, wie sie ein User eingestellt hat, empfiehlt. Überhaupt komme ich erst während der Runde darauf, mal einen Blick in die App zu werfen, ich will eruieren, wie lang der Weg eigentlich ist. Die Angaben schwanken zwischen 6,2 und 6,6 Kilometern, denn diese Tour ist mehrfach enthalten. Die einen brauchten eineinhalb Stunden, die anderen mehr als das Doppelte. Nun ja: Ob Wanderung oder Spaziergang ist letztlich eine Frage des Schrittempos; oder wie in meinem Fall, eine Frage der Anzahl der vielen Fotostopps und der dabei jeweils verbrauchten Zeit.
Ich starte also an der Staumauer, halte mich Richtung Süden und durchquere einen Wald, der teils aus Fichten besteht, teils aus Buchen, Weiden und Birken. Schon hier ist von der Autobahn kaum mehr was zu hören.
Holzstege führen zum Teil durch den Wald, immer da, wo es morastig wird, eine Quelle dem Boden entspringt oder kleine Bäche Richtung See fließen.
Manchmal lässt sich der Pfad nur erahnen. Wo geht es weiter?
Da aber zwischen den Jahren mehrere Menschen auf die gleiche Idee gekommen sind, herrscht reger Verkehr im Wald und zwischen den Feldern. Mit kommen immer wieder Leute entgegen und damit ist klar, wie die Wegführung ist.
Dass der Seehamer See ein beliebtes Spazier- bzw. Wandergebiet ist, wird verständlich, denn nach und nach enthüllt er dann doch seine Reize, zeigt seine Schokoladenseite. Trotz der Autobahnnähe ist es ein schönes Fleckchen.
Es gibt viele interessante Perspektiven, Trampelpfade führen immer wieder hinunter zum Ufer an das von Wind und Schnee Anfang Dezember plattgedrückte Schilf. Fasziniert bin ich von den vielen abgebrochenen Birkenästen, die auf dem Boden liegen. Die liegen da wohl schon länger, denn sie tragen noch die unreifen Samen, die sich mittlerweile violett verfärbt haben, fast schon flieder- oder lavendelfarben. Das Phänomen ist mir auch neu.
Immer wieder sehe ich vom Ufer die Inseln im See, zu denen ich in den Vorjahren geschwommen bin. Sie bilden den Sperrriegel zwischen dem Teil des Sees, der für Wassersportler:innen genutzt werden darf, und dem Teil, der den Tieren und Pflanzen als Schutzgebiet vorbehalten ist.
Ich folge immer wieder den Trampelpfaden, allerdings nur bis zum Vogelschutzgebiet, ab hier bleibe ich auf dem ausgewiesenen Rundwanderweg.
Zwischen dem Wanderweg und dem Ried liegen Wiesen, die uns Spaziergänger:innen auf Abstand halten. Der Blick schweift nach Norden über den See auf ein kleines Wäldchen, hinter dem die Autobahn liegt.
Idylle aber kann man sich auch einbilden, nichts ist falsch daran und so stehe ich eine Weile da, schaue und warte, ob sich die Sonne vielleicht doch noch sehen lässt. Wo, so überlege ich, könnte es genauso aussehen? In Skandinavien, in der Tundra oder Taiga?
Am eingezäunten Seebach führt noch einmal ein offizieller Weg vor zum offenen Wasser. Auch ein schöner Platz. Wäre es noch etwas wärmer, ich würde auf der Bank Platz nehmen und ein wenig schauen. Einfach nur dasitzen und schauen.
Zwischen den Feldern hindurch geht es schließlich zurück in Richtung Großseeham. Mein Blick wie auch der der Kamera fällt auf den Weiler Reichersdorf mit der Filialkirche St. Leonard und der Allerheiligenkapelle. Das ist schon wieder irgendwie Bilderbuchbayern, auch ohne Zwiebelkirchturm.
Den wohl schönsten Blick finde ich vor Großseeham ganz im Westen. Dann nämlich erheben sich hinter dem See die Alpen, so als läge der Seehamer See mitten zwischen den Bergen und nicht ihnen zu Füßen. Weitereiste Menschen können mir ja mal zuraunen, wo in der Welt es vielleicht auch so ausschaut.
Es ist ein Weg zum Schlendern, zum Schauen, zum Stehenbleiben, zum Fotografieren. Langsam verstehe ich, dass es Leute gibt, die weit mehr als zwei Stunden brauchen. Ich suche, finde aber nicht den besten Punkt, um See und Wendelstein auf einem Bild zu haben. Hier zumindest ein Versuch.
Durch den wie ausgestorben wirkendem Ort und ein Stück Straße an den Campingplätzen voller verrammelter Wohnwagen vorbei führt mich die Runde wieder zurück. Es ist windig geworden. Und wolkig.
Die Sonne steht tief und zumeist hinter Wolken, aber es reißt wieder auf.
Bevor ich mich mit dem Auto auf den Heimweg mache, entscheide ich spontan, noch einmal durch Großseeham zu fahren zu dem Parkplatz mit der tollen Aussicht auf die Berge. Mit etwas Glück sind sie jetzt von der Abendsonne beschienen und leuchten.
Das tun sie zwar nicht, aber das Schilf, die Sträucher und Bäume auf der kleinen Landzunge im See.
Fast schon unwirklich. Und nur wenige Minuten.
Für ein paar Fotos reicht es aber.
Erwähnte ich schon, dass ich dringend Winter-Seen-Bilder brauche?
Nun habe ich über hundert mehr.
Vielen Dank fürs Lesen.
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Ich ziehe für mich immer die Grenze bei der Distanz – bei mehr als 5km oder mit deutlichen Höhenmetern ist es für mich eine Wanderung, kürzer und weitgehend eben ist ein Spaziergang.
Aber egal, wie man deine Runde nennen mag, schön sieht sie aus!