Riegsee – Ganz großes Kino im Blauen Land
Mag sein, es gibt Seen mit beeindruckenderem Panorama. Mag sein, es gibt größere Seen. Mag auch sein, es gibt schönere. Ja, die gibt es.
Aber der Riegsee, von dem ich bis vor einem Monat nicht mal wusste, dass es ihn gibt, hat mich trotzdem vom ersten Moment an begeistert.
Das liegt allerdings auch ein wenig daran, dass die Seen des blauen Landes nicht wirklich in meinem Einzugsgebiet liegen. Die Fahrt dorthin dauert immerhin fast eineinhalb Stunden.
Dabei höre ich schon den Aufschrei der Münchner, dass alle dortigen Seen selbstverständlich zum Einzugsgebiet gehören, gerade mal, dass sie ganz knapp jenseits der Stadtgrenzen liegen, quasi noch in den Vororten.
Vereinnehmen kann er, der Münchner: Riegsee, Staffelsee, Kochelsee, Walchensee, Sylvenstein-Speicher. Alles unser. Übrigens gehört auch der Gardasee dazu, immerhin ist man ja in zwei Stunden dort. Scheiß drauf, dass die Tiroler Geschwindigkeitsbegrenzungen in Wahrheit das Ganze unmöglich machen. Aber so ein gestandener weißblauer Hauptstadt-Bazi mit schnellem PS-Geschoss schwadroniert und imponiert viel und halt gern. „Mia san mia!“
Was aber ein anderes Thema ist.
Den Riegsee nehme ich trotzdem auf die Liste, wie seinen Nachbarn, den Staffelsee auch. Schon allein deshalb, um irgendwann mal Take me to the Lakes – München Edition komplett abgearbeitet zu haben. Und da steht er nun mal drin – der Staffelsee übrigens nicht. Muss man nicht verstehen.
35 °C sind gute Voraussetzungen, um in die Berge zu fahren, zumindest nah heran, um dort zu schwimmen. Die Saison ist kurz, die Seen kühlen schnell ab. Der aber nicht ganz so schnell. Ohne natürlichen Zufluss und nicht allzu tief ist die Wassertemperatur angenehm, er gilt als der wärmste See rings um Murnau. Ob das stimmt?
Vom Campingplatz Brugger am Westufer geht es los. Während die meisten Urlauber noch vor ihren Wohnwagen und -mobilen sitzen und frühstücken, nachdem sie auf der Wiese am Ufer ihr Handtuch in strategisch günstige Positionen platziert haben, suchen wir uns ein Plätzchen am SUP-Strand, denn ich bin nicht allein. Dieses Mal bin ich in Gesellschaft eines guten Freundes und Verwandten, der die größeren bayerischen Seen mit seinem Kajak abklappern will. Und er ist es auch, der mich zum Riegsee mitgenommen hat. Einer geht paddeln, einer kraulen.
Das erste Teilstück geht quer über den See, dort am Ostufer ist auch ein Campingplatz und ein Strandbad. Ich halte etwas Abstand, bei einer Fotopause kommt mir eine Frau auf einem SUP recht nahe. Sie versucht, das Board und sich in Position zu bringen, damit der Gatte, der brusttief im Wasser steht, damit er sie formatfüllend mit seinem Smartphone fotografieren kann.
„Schnell, mach schnell!“ kreischt sie, „Sonst fahr ich den Mann um“, womit eindeutig ich gemeint bin. Ich will mich aber nicht umfahren lassen, sage ihr, sie müsse sich keine Sorgen machen, ich könne schon ausweichen, wenn es nötig wird. Die subtil platzierte Spitze verseht sie aber nicht. Mit manövrieren hat sie es wohl nicht so, auch nicht mit geistigem.
„Schnell, nun mach schon!“
Der Gatte macht aber nicht schnell, ihm gefällt das Bildarrangement nicht. Die Frau wackelt und kippelt das Board mühsam wieder von mir weg. Er fotografiert, gibt Anweisungen, was sie für ein wohlgefälliges Bild zu tun habe: „Dreh Dich mit dem Board mal etwas nach rechts!“
Sie antwortet, das sei leichter gemacht als getan, er solle sich doch mal auf das Brett stellen, dann werde er schon sehen, wie schwer das sei.
Anstand und Diskretion verbieten mir, ein Filmchen von der Szenerie zu machen, die mutmaßlich in einem handfesten Krach enden wird. Ganz großes Kino. Gott des Gemetzels ist nichts dagegen.
Bevor die Frau sich oder der Mann sein Smartphone ins Wasser fallen lässt, verlasse ich den spannungsgeladenen Ort – das Schlusskapitel verpasse ich, vielleicht lese ich davon in der Zeitung, wenn es wirklich dramatisch endet.
Ich bin schließlich aus anderen Gründen hergekommen. Weiter geht es südwärts Richtung Dorf, etwa auf Höhe der Kirche St. Stephan quere ich wieder den See, dieses Mal schräg Richtung Westufer nach Neu-Egling, die hell schimmernden Dächer der Hallen einer kunststoffverarbeiteneden Firma liefern einen guten Orientierungspunkt.
So wichtig solche Firmen für die Region sind, irgendwie ist es blöd, dass sie ausgerechnet direkt am See in solch exponierter Lage ihre Werksgelände haben müssen.
Von der Seemitte aus mache ich die Zugspitze in rund 35 Kilometern Entfernung aus.
Das letzte Stück, etwa 1,4 Kilometer, geht es direkt nach Norden am Ufer entlang. Remmi Demmi herrscht mittlerweile am Badestrand des Campingplatzes. Kreischen, Quietschen, Lachen. Der Hochsommer gibt sich zum Abschnitt noch einmal verschwenderisch. Und alle wollen es genießen. Verständlich. Ich mache es ja auch nicht anders…
Es war eine schöne, ausgedehnte Runde im Riegsee samt großartigen Szenen einer Ehe, deren Zeuge ich werden durfte. Ob die Paddlerin mittlerweile ausreichend oft fotografiert wurde oder ob der Krach eskaliert ist? Ein Blick hinüber: Kein Rauchpilz überm Campingplatz. Explodiert ist also niemand.
Mit einer anständigen Mittagsbrotzeit im Restaurant des Campingplatzes beenden wir unseren Ausflug.
Kioske, Biergärten und kleine Restaurants an Seen haben immer irgendwie Flashback-Qualitäten. Außer den Preisen und den Hinweisen auf Allergene hat sich an den Speisekarten seit 40 Jahren nichts geändert: Currywurst, Schnitzel Wiener Art, Leberkäs, Pommes, Reiberdatschi (= Kartoffelpuffer), gebackener Camembert, Wiener Würstchen, Wurstsalat, Käse- und Wurstteller…
„Für mich bitte ein Speckbrettl!“ Das habe ich mir jetzt verdient.
Nichts Neues unter der Sonne. Seit Jahrzehnten nicht.
Wozu auch?
Vielen Dank fürs Lesen.
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See hin. See her. Mich lacht der Schinken derartig an, dass ich die Seite sofort verlassen muß. Hmmmhhh …
Mei, war der guat. 😁
Wunderschöne Gewässer mit Alpenpanorama und am Schluss eine sehr einladende Schinkenplatte hmmmm…..
Am Seeufer sitzen, ein kühles Blondes und die Schinkenplatte genießen, hm, dass wär’s 🙂