Pipifax am Bibisee – Teil 2

Wie?
Den Bibisee kennen Sie nicht?
Bis gestern hatte ich auch keine Ahnung, dass es den gibt, heute weiß ich sogar wo er liegt – und drin geschwommen bin ich auch. Nachzulesen in Teil 1 – hier in meinem Schwimmblog. Denn auch dieses Mal erscheinen in beiden Blogs die Beiträge zum Thema simultan.

An dieser Stelle soll es allerdings weniger darum gehen, als zum Beispiel um Liliane, die von ihrer Großmutter Lilli genannt wird. Lilli ist etwa 12 oder 13 Jahre alt, ein Kind auf dem Weg in die Pubertät – entsprechend zickig und schnippisch, was ich schon auf dem Parkplatz am Bibisee bemerke. Denn Lillis Oma hat direkt neben mir geparkt, lädt gerade Kühlbox und zahlreiches Schwimmtaschengepäck in einen kleinen Bollerwagen, derweil Lilli nicht im Traum daran denkt, zu helfen. Die Oma erträgt es mit stoischer Ruhe, ebenso das Genörgel, dass es Lilli zu heiß ist, dass sie ein Eis will, und eine Cola, überhaupt, dass alles scheiße ist.
Oma trabt los, das Wägelchen hinter sich herziehend. Innerlich flucht sie vermutlich, dass sie sich hat breit schlagen lassen, auf das Enkelchen aufzupassen, weil Ferien sind und beide Eltern berufstätig. Was weiß denn ich…
Lilli folgt mit der Begeisterung, als habe sie gleich die Haushaltsdebatte im Bayerischen Landtag anzuhören. Also mit demonstrativ genervter Langeweile.
Ich habe in der Zeit meine Schwimmtasche aus dem Auto geholt, marschiere den beiden nach, muss aber nach hundert Metern umkehren. Die Freizeitanlage Bibisee kostet Eintritt, und ich habe mein Portemonnaie im Auto gelassen.

Als ich die beiden am Ufer wiedertreffe, nachdem ich bereits von einer anderen Stelle aus ein paar Fotos gemacht habe, steht Lilli im blauen Bikini neben der Oma, hat die Hände in die Seiten gestützt und schaut der Großmutter zu, wie die mit einer Fußpumpe ein Schlauchboot aufbläst.
Lilli ist nicht die Einzige, die schaut. Ich schaue auch: Weit über den kleinen See und die Berge im Hintergrund. Eine wunderbare Stelle, um ein paar postkartenkitschige Fotos zu schießen.Panorama am Bibisee
Und noch einer schaut – beziehungsweise zwei. Ein Ehepaar, beide geschätzt in den 60ern. Fast bin ich geneigt, sie Harald und Renate zu nennen, aber irgendwie passt das nicht. Denn der Mann, der vermeintliche Harald, erhebt sich jetzt und geht langsam auf die pausenlos pumpende Oma zu.
„Hier ist FKK!“ donnert er los. Ohne Grußwort, ohne Anrede, ohne den Hauch einer Freundlichkeit.
Und jetzt sehe ich es auch: Der Mann ist splitterfasernackt. Und nicht nur er.
Alle hier. Etwa zwei Dutzend Leute liegen auf der Wiese hüllenlos bratend in der Sonne.
Nicht, dass mich das stört: Soll sich jeder nach seinem Gusto nackt oder bekleidet in die Sonne legen. Egal, ob jung oder alt, männlich oder weiblich, dick oder dünn, gepierct, tätowiert, rasiert oder nicht. Mein Gott, der See wird es aushalten. Und ich auch.
Der Mann aber hält es offensichtlich nicht aus, dass gerade zwei Badegäste dazu gekommen sind, die sich noch nicht ihrer Garderobe entledigt haben. Und Liliane denkt auch gar nicht daran. Was mich nicht weiter überrascht.

Die Oma erklärt ruhig, dass sie das wisse, dass hier FKK sei. Sobald sie das Schlauchboot aufgeblasen und ihre Enkelin in See gestochen ist, wird sie sich in die Sonne legen. Da müsse der entrüstet zumindest emotional erregte Mann nun mal warten. Spricht’s und tritt weiter auf die Pumpe ein.
Das sitzt.
Er dreht sich um und geht wortlos.
Und sieht mich.
Die Kamera in der Hand.
„Hier ist FKK!“ donnert er erneut. „Und fotografiert wird hier schon mal gar nicht!“
Das lasse ich mir nicht zweimal sagen und verzupfe mich. Dass Nackerte ein Problem damit haben, bei anderen Leuten digital auf Bildern zu erscheinen, ist vollkommen verständlich. Nur habe ich in diesem Moment zuerst gar nicht gemerkt, dass ich am Nacktbadeplatz bin, und dann gar nicht mehr daran gedacht, dass ich noch die Kamera in der Hand habe.
Hundert Meter weiter kann man auch fotografieren. Da meckert niemand. Und die Hose kann ich auch anbehalten.

Nachdem ich die Bilder gemacht habe, stürze mich in den See, eine Runde schwimmen ist angesagt. Immer nah am Ufer, um eine möglichst große Distanz im See zu erreichen. Da komme ich natürlich zwangsläufig am Nudisten-Ufer vorbei, von dem gerade ein Schlauchboot abgelegt hat. Liliane paddelt missmutig hinüber zum anderen Ufer.
Aber wie es der Zufall will, hat sich der Meckerkopf auch ins Wasser begeben, und zwar so, dass sich unsere Bahnen mit Sicherheit gleich kreuzen werden.
Ich kraule dicht vor ihm vorbei. Da ruft er mir hinter her:
„Hier ist FKK!“
Ungeachtet von seinem sehr reduzierten Wortschatz ziehe ich meine Bahn. Keine Antwort, keine Reaktion. Denkt der, dass ich für die hundertfünfzig Meter FKK-Bereich meine Hose ausziehe, zwischen Zähne oder Knie klemme und dann wieder anziehe? Ja spinnt denn der? So ein Pipifax!

„Hallo! Haben Sie gehört? Hier ist FKK!“ wiederholt er sich unnützerweise.
„Spanner!“ plärrt die Frau
Wieder verweigere ich die Reaktion. In meinem Kopf aber lege ich meine mir schon mal für die nächste Runde die passende Antwort zurecht. Denn ich werde noch einmal das Terrain durchschwimmen. Und dann werde ich sie fragen, ob sie denn meinten, ich hätte es nötig, mich vom See her dem FKK-Bereich zu nähern, um nackte Frauen anzusehen? Das Internet bietet im Bedarfsfall eine schier endlose Auswahl weitaus attraktiverer Nackter. Und falls ich Bedarf an alternden nackten, schlecht gelaunten Männern habe, kann ich genauso gut zu Hause bleiben und mich ausziehen und vor den Spiegel stellen. Da braucht es ihn ganz sicher nicht. Und den Bibisee auch nicht.
Also ehrlich! Leute gibt’s…

 


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3 Antworten

  1. Schade, schon zu Ende gelesen. Ich habe mich herrlich amüsiert.

  2. Angelika Jell sagt:

    Lutz, den Bibisee kenn ich :-) Wenn Du mal wieder hinfährst, kannst gerne auf einen Kaffee bei mir vorbeikommen. Kennst Du eigentlich den Buchsee bei Münsing schon ? Der ist bei mir im Nachbardorf. Kleiner und sicher ohne FKK :-) LG Geli

  3. Anhora sagt:

    Dieser Badesee ist in mehrfacher Weise interessant! Mir gefällt auch das Preisschild: 3 EUR inkl. Verzehrbon von 0 EUR. Das muss ja erwähnt werden, sonst denkt man noch, man könne damit am Kiosk bezahlen. ;-)
    Dass FKKler mitunter militant ihr Dasein verteidigen, habe ich auch schon gehört. Ich stell mir da immer Menschen vor, die eigentlich verklemmt sind, es an einem FKK-Strand aber ablegen können, was eine tolle Erfahrung sein mag. Bis jemand kommt und sich nicht nackert auszieht, also so verklemmt ist wie man selbst tief drin.
    Reine Vermutung natürlich, und ich will es auf keinen Fall verallgemeinern.
    Weiterhin viel Spaß beim Schwimmen!

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