Morgens mit Hund
Eine frühe Runde morgens mit Hund eröffnet Zeit für Morgengedanken und -beobachtungen über das Leben auf dem Land:
Mit Vollgas jagen Berufspendler:innen und Handwerker:innen die Hauptstraße durch unser Dorf. An innerörtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen hält sich um diese Uhrzeit kaum einer. Denn alle haben es eilig, auch die panzerschweren SUVs, die schneidig vor der Bushaltestelle halten. Schulkinder springen heraus, eine flüchtige Verabschiedung, dann sind die Eltern weitergefahren. Zwängen die Schulweghelfer:innen den Durchgangsverkehr morgens nicht am Zebrastreifen zum Bremsen, würde auch der wohl regelmäßig überfahren.
Zu Fuß geht kaum einer. Die Fortbewegung auf dem Land findet meistens auf Rädern statt, nicht ausschließlich, aber überwiegend.
Die meisten Schulkinder allerdings laufen, radeln oder rollern (oder sagt man scootern? – jedenfalls auf Rädern) tatsächlich zu den beiden Haltestellen. Und es gibt tatsächlich auch einige Eltern, die ihre Kinder zu Fuß zum Kindergarten bringen. Und dann gibt es noch die wenigen, die mit dem Hund durchs Dorf laufen statt zwischen den Feldern oder im Wald. Das wäre dann ich.
Denn Frau Hund ist zu Gast und da der Gast König ist, fügt sich unsereiner. Der Hund hat heute entschieden, vom Tor aus rechts herum abzubiegen, nicht Richtung Wald oder Felder sondern Richtung Dorf. Also gehen wir die ganze Hauptstraße entlang bis zum westlichen Dorfende. Einmal quer durch sind ziemlich genau 1,2 km, das Tier bleibt an der Leine, damit hat es nicht gerechnet. Aber anders geht es nicht. Das wäre lebensgefährlich.
Hinter dem Ortsausgangsschild aber können wir endlich nach Süden in die Felder abbiegen und durch diese im weiten Bogen den Rückweg antreten.
Dann erst, und nachdem Frau Hund ihr Geschäft gemacht, ich selbiges eingetütelt und in einen Mülleimer geworfen habe, kann ich sie sausen lassen. Denn ich habe weder Lust, ihr hinterherzuhechten und auf einem abgeernteten Feld nach einem Hundehaufen zu suchen noch, weiter an der Straße entlang zu laufen, denn auf offener Strecke geben alle Vollgas, als käme es auf jede Sekunde an, die ein jeder eher schon gleich auf der Autobahn im Stau stehen wird.
Tag wird’s, die Sonnenblumen, die zusammen mit Phacelia auf einem längst abgeernteten Feld als Düngepflanzen und zur Freude der noch aktiven Bienen wachsen, „schauen“ orientierungslos in alle Richtungen, noch hat sich die Sonne, nach der sie morgens ihre Blüten ausrichten, nicht sehen lassen. Sie sind ein letzter Sommergruß bis zum ersten Frost.
Der Mais ist teilweise abgeerntet, wo noch nicht, steht er meterhoch, Feldwege werden zu Gassen. Hin und wieder liegen Kolben auf der Erde. Die wilden Tiere wird’s freuen und nicht nur die. Auch ich freue mich, denn plötzlich weiß ich, was in dieser Woche als Motivumsetzung beim Fotoprojekt JedeWocheEinFoto herhalten wird. Er hier, der Kolben – goldig glänzend:
Es geht diese Woche um das Thema Es ist nicht alles Gold, was glänzt – der Maiskolben ist bestens geeignet. Seit ich Woche für Woche dabei bin, hat sich mein motivsuchender Blick mehr und mehr verändert – ich bilde mir ein, mehr und genauer hinzusehen und Dinge (wie Fotomotive) wahrzunehmen, die ich sonst vermutlich achtlos links liegen gelassen hätte – und zwar buchstäblich wie im Fall des Maiskolbens.
Frau Hund läuft vor, schaut sich um, wartet ungeduldig, so als müsse ich nicht auch an jeder Ecke auf sie warten, wenn sie alles beschnüffelt – das klassische Thema. Noch ungeduldiger wird sie und nur mir ein paar Leckereien zu bestechen, als sie neben einer Bank Platz nehmen und sitzen bleiben soll. Als Bankerl zum Verweilen für selbige Fotoaktion kann dann auch gleich die Bank unterm Baum samt Hund herhalten. Das nenne ich mal eine ergiebige Runde.
Es verspricht, ein schöner Morgen und ein sonniger Herbsttag zu werden. Wären wir zwei nicht ohne Frühstück losmarschiert, wir könnten eine noch viel längere Runde drehen: Immer weiter die Feldwege entlang abseits der Straßen.
… wo wir ohne Sorge vor irgendwas einfach laufen können.
Laufen… und laufen… und laufen. Und dabei Morgengedanken entwickeln. Alles ein weites Feld – auch das im wahrsten Sinne des Wortes.
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