Mediatipps (Teil 40): „Herr Boning geht baden“ von Wigald Boning

Und da haben wir es wieder: Das Omabrüsteln. Und jetzt erfahre ich endlich auch, um wen es ursprünglich geht. Denn Wigald Boning, der dieses Wort in die sozialen Netzwerke gepumpt hat (woher ich es übernommen habe uns selbst gern nutze) verrät in seinem neuesten Buch: Es geht um Oma Marta, der Großmutter seines Sandkastenfreundes Hajo. Die nämlich, die nahezu jeden Tag schwimmen ging. hat er vor seinem geistigen Auge, wenn er vom omabrüsteln schreibt. Und das tut er gewaltig oft in diesem Buch, vielleicht sogar genbraucht er dieses wunderbare Verb ein wenig zu inflationär.
Kalkablagerungen in der Schulter treiben den Mann ins Wasser, Sport ist gesund, kaltes Wasser entzündungshemmend. Aber Boning wäre nicht Boning, wenn er nicht aus allem eine Challenge und im Anschluss daran ein Buch macht: Ein Jahr im Zelt übernachten, ein Jahr täglich einen Marathon laufen und jetzt eben ein Jahr lang täglich im Freiwasser schwimmen.

Da er sich diese Aufgabe selbst auferlegt hat und somit Herr seiner eigenen Regeln ist, wird in seinem Streak allerdings bald aus Schwimmen „nur“ noch Baden, auch das, was als Freiwasser gilt, wird großzügig interpretiert, wenn er sich in den Schnee wirft (Wasser ist Wasser) und darin schwimmt, weil kein Schwimmgewässer erreichbar oder er sich in die japanische Sitzbadewanne auf dem Balkon hockt. Das ist sein gutes Recht und das tut dem Buch auch keinen Abbruch – im Gegenteil. Es ist enorm kurzweilig, bisweilen höchst amüsant. Auch für Leute, die nicht permanent auf der Suche nach Seen sind, in denen sie schwimmen oder zumindest baden können, ist Herr Boning geht Baden – Ein Jahr, 365 Badetage und was ich dabei über schwimmen, leben und tolle Hechte lernte gut und unterhaltsam zu lesen. Für alle aber, die selbst gern ins See- oder Flusswasser hüpfen, ist es ein unbedingtes Muss.
Kein Wunder, dass ich, seit Boning in den sozialen Medien angekündigt hatte, dieses Buch zu schreiben, sehnsüchtig auf die Veröffentlichung gewartet habe, oute ich mich doch als Fan seiner Schilderungen übers Zelten wie übers zu Fuß gehen, als Freiwasserfan muss ich nicht outen, das dürfte Blogleserinnen und -lesern bekannt sein. Nur beim Marathon Buch Lauf, Wigald, lauf habe ich ausgesetzt.

Nun ist es eine, nämlich meine Sache, nur von Mai bis Oktober in den Seen der Region schwimmen zu gehen, eine andere, nämlich seine, das jeden Tag zu machen, egal, wie das Wetter ist, egal wie warm oder vielmehr wie kalt das Wasser ist. Aber ein Streak ist ein Streak – das muss man dann durchziehen.
Die zentrale Frage im Buch ist allerdings weniger die des Wetters als die, ob es überhaupt ein beschwimmbares Gewässer in der Nähe gibt. Daheim in Herrsching am Ammersee ist das weniger ein Problem. Aber Boning ist beruflich ja viel auf Reisen. Und wo ein Wille ist, da ist auch ein Freiwasser. Also schwimmt oder badet in London in der Themse und in Oldenburg der Hunte, im Teich am Kölner Mediapark, in Bangkok fast in einer Jauchegrube, in der Weichsel in Warschau oder der Spree am Kanzleramt. Gelegentliche Verbote oder nachträgliche wohlmeinende Ratschläge im Netz, das dort besser nicht zu tun, ignoriert er weitestgehend. Er spart dann auch nicht mit Spitzen gegen besserwisserische und belehrende Kommentare, die seine Posts in den sozialen Medien hervorgerufen haben. Das finde ich persönlich nicht so gelungen, denn er bespielt diese Plattformen höchst intensiv und sehr bewusst, was nicht nur auf seine Popularität einzahlt sondern sicher auch Aufmerksamkeit und Neugier für/auf seine Bücher, wie eben dieses, schaffen soll – und damit Käuferinnen und Leserinnen. Als Medienprofi weiß und nutzt er das, als jemand, der sich intensiv selbst vermarktet, natürlich auch. Andererseits: Wer selbst in den sozialen Medien oft aktiv ist, kennt diese Art der Kommentare, bei denen man nur noch den Kopf schütteln kann und am liebsten „Halt einfach den Schnabel!“ drunter setzen würde.

So lesenswert wie das Buch ist Boning mal wieder für seine gnadenlose Konsequenz bewundernswert. Der Mann scheißt sich einfach nichts.Das gilt übrigens nicht nur in puncto Schwimmen. Das gilt auch für den Blick in sein Privatleben, den Herr Boning geht baden ebenfalls erlaubt. In seinen Streak, den er bis heute und damit weit über das anvisierte Jahr, das Schreiben und die Veröffentlichung seines Buchs durchzieht, fiel nämlich auch die Geburt seines fünften Kindes ebenso wie der Tod seines Vaters. Auch davon ist viel zu lesen, wie auch von seiner Arbeit oder seinem Ohnmachtsanfall auf dem Plumpsklo einer Berghütte. Davon freimütig aller Welt zu erzählen – das hat was.
Es geht eben nicht immer nur ums schwimmen bzw. baden.
Und das ist gut so.

Nachtrag: Es ist war ein grober Fehler das Buch im Dezember bei Schnee, Eis und frostigen Temperaturen zu lesen und dann nicht sofort den heftig befeuerten Wunsch, sofort im Weiher schwimmen zu gehen, folgen zu können. Ja ich weiß: Ich könnte. Aber mir ist das einfach zu kalt.


Jetzt hier kaufen (Das Buch gibt es aber auch über die ISBN bei Ihrem Buchhändler):

Boning, Wigald: Herr Boning geht baden

Gebundene Ausgabe / 272 Seiten / Verlag: Gräfe und Unzer / 02. November 2023/ Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3833891649

Preis: 22,00 €

Auch als Kindle-eBook erhältlich


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1 Antwort

  1. Markus sagt:

    Cool, danke für den Tipp. Da freue nicht nur ich mich drüber, sondern mein Nachwuchs . Bisher hab ich 2 Bücher von ihm (Bekenntnisse eines Nachtsportlers und Lauf Wigald, Lauf) und beide laufen hier als Hörbuch rauf und runter. Ich werde mich direkt mal auf die Suche machen…

    Übrigens… Es war zwar anfangs jeden Tag laufen, aber „nur“ ein Marathon pro Woche.

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