Mediatipps (Teil 35): „Der Fußgänger“ von Wigald Boning

Was kann man 176 Seiten über seine Erfahrungen als Fußgänger schreiben? Einen mühevollen Essay, eine Abhandlung voller medizinischer, kulturhistorischer oder physikalischer Kenntnisse.
Oder man reiht Anekdote an Anekdote, erzählt von Erlebtem und Erfahrenen, sinniert darüber und füllt so Seite um Seite eines höchst amüsanten und lesenswerten Buches. Das war – wen wundert’s? – die Herangehensweise von Wigald Boning und so folgt der Leser Boning Schritt auf Tritt auf seinen vielen Wanderungen und Spaziergängen.
Das wird nie langweilig, denn abgesehen vom pointierten Schreibstil hat es der Mix der Schilderungen in sich: Kindheits- und Jugenderinnerungen, Wanderungen unter ganz bestimmten Konzepten, Spaziergänge, Bummel. Und Boning wäre nicht Boning, wenn er nicht auch erzählen würde, wie er nur mit Badeschlappen durchs alpine Gelände stapft (nicht nachmachen!), mit Holzschuhen vom Kölner zum Düsseldorfer Hauptbahnhof läuft, im Gehrock durchs winterliche Voralpenland stapft und einen Rekord im Untergehakt-Spazierengehen aufstellen will oder ganz und gar hüllenlos im Zillertal das Nacktwandern probiert.

Der Fußgänger Buchcover

Auf solche Ideen muss man erst mal kommen – und wenn man sie dann hat, dann auch den Schneid, das einfach durchzuziehen.
Das ist zum einen bewundernswert, der Mann scheißt sich nichts, zum anderen bisweilen so grotesk, dass man sich unweigerlich die Frage stellt, wie man es mit so einem, der solche Dinge treibt, aushalten kann.
Gut, nehme ich an.
Man muss nur ähnlich gestrickt sein.
Mein Respekt gilt also auch seiner Familie.
Von der nämlich erfährt man auch so Einiges, das schafft Nähe, die natürlich nicht wirklich vorhanden ist, das weckt im Leser dein Eindruck, Wigald Boning wirklich gut zu kennen, nicht wie jemanden, über den man viel gelesen oder gehört hat, sondern wie jemanden, mit dem man oft zu tun hat und der einem sein Erlebtes über den Gartenzaun oder sommerabends beim Bier auf der Terrasse erzählt.

Es ist nach den Bekenntnissen des Nachtsportlers und Im Zelt ein weiteres Buch von Boning, das ich gelesen habe, seine Unternehmungen lassen ahnen, das da noch mehr folgen wird. In einer kurzen Antwort zu einem FB-Kommentar zu einem Bild verriet er, wohin es gehen wird: Momentan hängt er Schwimmtag an Schwimmtag, was später zwischen Buchdeckeln Niederschlag finden wird, was mich schon jetzt neugierig macht.

Bis dahin amüsiert mich, von seinem Spaziergang durch den Souk in Marrakesch im traditionellen, ortsüblichen Gewand Djellabah zu lesen oder von den 16 Summits, dem Abklappern aller jeweils höchsten Erhebungen der 16 deutschen Bundesländer. Und als Finale Furioso seines experimentellen Wanderns besteigt er, was hier kein Spoilern ist, denn es ist allgemein bekannt, die Zugspitze. Was seine besondere Bedeutung vor allem darin hat, dass er das in Stöckelschuhen macht. Wie gesagt: Der Fußgänger Boning sch… sich einfach nichts.
Und das ist gut so.
Das macht seine „bodenständige Philosophie des Wanderns“ zu einem ausgesprochenen Lesevergnügen.

Noch zu erwähnen wäre, dass dieses Buch als gebundene Ausgabe nicht nur bebildert ist sondern auch über ein äußerst gelungenes Druckbild verfügt. Es ist sehr schön gestaltet, für bibliophile Menschen also besonders lohnenswert. Zum Lesen, zum Verschenken – zum „Auf jeden Fall selber haben wollen!“


Jetzt hier kaufen (Das Buch gibt es aber auch über die ISBN bei Ihrem Buchhändler):

Boning, Wigald: Der Fußgänger

Gebunden / 176 Seiten / Verlag: Gräfe und Unzer / Erschienen 04.10.2022 / Sprache: Deutsch
ISBN ‎ 978-3833882012

Preis: 20,00 €

Auch als Kindle-eBook erhältlich


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1 Antwort

  1. Sonja sagt:

    Hört sich klasse an!

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