Kleine Fluchten im Kiesland

Kleine Fluchen - Kronwicke

Klein sind die Fluchten. Und mitnichten neu.
Eigentlich wiederholen sie sich sogar für Jahr: Die gleichen Orte, die gleichen Erfahrungen, die gleichen Eindrücke, die gleichen Erlebnisse. Wen wundert’s, dass sich auch die Bilder Jahr für Jahr ähneln.
Ich zeige sie trotzdem und erzähle davon. Denn kleine Fluchten sind (zumindest für mich) lebensnotwendig.
Einfach mal für zwei Stunden weg sein – nicht erreichbar. Für niemanden, nicht aufs Handy schauen es sei denn für die Navigation bzw. Wegsuche, für die Bestimmung von Pflanzen mit den Apps FloraIncognita oder ObsIdentify. Von so manchem Kraut kann ich die Namen einfach behalten, andere habe ich nie gesehen. Es ist Wissbegier, Neugier, die mich dann eine Pflanze durch die App identifizieren lässt. Oder ich zücke das Handy für ein Foto, wenn die Kamera nicht im Gepäck ist.

Jedes Jahr erzähle ich in meinem Blog davon, mehrfach sogar, ich werbe fürs Rausgehen, für das Erleben der Natur oder zumindest naturähnlicher Lebensräume von Tieren und Pflanzen in meiner Region. Ich erzähle vom kleinen Glück, etwas Ungewöhnliches gesehen zu haben oder im eigentlich Banalem das Besondere zu entdecken.
Alles Wiederholungen – ich weiß.

Zugegeben – im Kiesland fällt es etwas schwerer, diese Orte zu finden. Zu klein sind die „Inseln“ an den aufgelassenen Kiesgruben, die sich die Natur zurückholt, zu klein für ausgiebige Spaziergänge jedenfalls. Aber die Umrundung eines Kiesweihers kann auch sehr kontemplativ sein – oder sehr spannend, vor allem, wenn der Blick ständig auf der Suche nach Fotomotiven ist, zu schauen, was Flora und Fauna zu bieten haben.
Violen wiegen sich im Wind, die Kronwicke blüht.

Kleine Fluchen - Violen

Es ist das unglaubliche Blau des Wassers und des Himmels. Es ist das Farbmuster des Raps, der sich selbst ausgesät hat, zusammen mit den Kornblumen und den letzten Mohnblüten – das ist das natürlichste RGB-Schema, das ich je gesehen habe.

Kleine Fluchen - Blüten

Vielen Schwimmrunden folgt ein Spaziergang, manchmal ist es auch andersherum. Fluchten zu Land, Fluchten durchs Wasser.
Ich weiß um das Privileg, eine fast endlose Zahl an Gewässern in unserer Region zur Verfügung zu haben. Und ich weiß um die Reize dieser Kiesgruben, die ganz ohne Naherholungsgebiete, Badeplätze und Infrastruktur, oft genug auch ganz ohne Besucher aufwarten. Mal einer, mal ein anderer, mal ein Mensch und ein Hund. Aber meistens ist einfach niemand da.

Kleine Fluchen - im Weiher

Na ja: Fast niemand:

Kleine Fluchen - Haubentaucher

Ok, ein paar andere sind auch da:

Kleine Fluchen - Fische

Eigentlich sind es sogar ganz viele. Man muss nur Geduld haben, richtig hinschauen oder hinhören. Wobei, das muss ich einräumen, das Gequake der Frösche unüberhörbar ist. Für die einen ein schier ohrenbetörender Lärm (wenn nur ein Frosch im Teich des Nachbarn quakt werden ja gleich Gerichte bemüht), für die Anderen ein Konzert des Lebens.

Kleine Fluchen - Frosch

Manch Bild am Weiher gelingt, manches nicht: Der Biber, der unfotografierbar schnell ins Wasser hechtet, als er mich sieht, der Süßwasserkrebs, der unter den Algen verschwindet, als ich die Kamera gar nicht dabei habe. Aber dann bleiben die Bilder im Kopf und das Wissen: Hier gibt es Biber, hier gibt es Süßwasserkrebse. Und ich habe sie gesehen. Live.
Gnädig aber sind Frösche, Libellen, Fische, Haubentaucher…

Kleine Fluchen - Frosch
und Mama Blässhuhn, die ich beim Schwimmen wom Wasser aus auf ihrem Nest am Ufer ausmache.
Ich halte Abstand, schleiche mich dann noch mal von der Landseite heran und ziehe die vordersten schützenden Zweige einer Weide auseinander. Es ist schwierig, ein Bild zu machen. Völlig unbeeindruckt vom Lärm des Kiesbaggers, der eine Grube weiter unermüdlich den Uferrand abfräst uns Kies und Sand aus dem Wasser holt, füttert sie die bettelnden Küken.

Kleine Fluchen - Blässhuhn

Derweil rumpelt es kaum 100 Meter weiter in einem fort. Ein neuer Weiher wächst unaufhörlich heran. Ist das ökologisch gut? Schlecht?
Ich weiß es nicht. Während Sand und Kies vor allem dafür gebraucht werden, andernorts Flächen zu versiegeln, entstehen zugleich Wasserspeicher, die wohl in Zukunft immer dringender gebraucht werden und Insel-Biotope für heimische Tierarten. Auch für Blässhühner.

Den Blässhuhnnachwuchs hoffe ich, in einiger Zeit auf dem Wasser wiederzusehen, idealerweise so lange sie noch so aussehen, wie kleine Rotschopf-Punker und nicht wie die Großen, die eine Optik haben wie evangelische Geistliche und gleichzeitig ein Benehmen wie die wüstesten Wirtshaus-Raufbolde.

Und warum?
Ich lese regelmäßig Blogs, die das gleiche Ansinnen verfolgen, sei es mit Schwerpunkt Fotografie, sei es Sport, Wandern oder andere Outdooraktivitäten. Ich freue mich über schöne Aufnahmen, über Denkanstöße, über Tipps für Kleine Fluchten in erreichbarer Nähe.Offenbar haben einige Blogger ein ähnliches Bedürfnis: Entschleunigung, das Draußen erleben abseits vom realen und vom digitalen Rummel und Trubel mit all seinen Eitelkeiten, das Große im Kleinen zu sehen, das Spannende und das Schöne im Unspektakulären zu erleben.

Daher: Echte Liebe und ganz viel Herz fürs Kiesland. Ziel meiner kleinen Fluchten.

Kleine Fluchen - Libellen

(Alle Bilder entstanden an den Kiesgruben westlich von Neuching im Landkreis Erding)


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1 Antwort

  1. Inga sagt:

    Sehr schöner Bericht mit tollen Fotos! Du sprichst mir aus der Seele. Ich liebe kleine Fluchten in der Natur. Blässhuhnküken finde ich eigentlich hässlich, aber dein Punkervergleich ist köstlich.