In München steht ein Riesenrad… oans, zwoa, mitfoarn.

 

Nein, das Riesenrad im Wiener Prater ist viel größer, das London Eye auch. Aber das Hi-Sky, das seit Anfang der Woche in München seine Runden dreht, reklamiert für sich, zumindest das weltweit größte, zerlegbare und transportable Riesenrad zu sein. In 76 Schiffscontainer könne man es unterbringen, informieren Werbeflyer und Pressetexte, die für die neue Attraktion an der Isar aufmerksam machen wollen.

Nun, das ist gelungen, zumindest, was uns betrifft.
Drei Tage nach Eröffnung stehen wir auf dem ehemaligen Pfannigelände am Münchner Ostbahnhof. Vor uns erhebt sich das 78 Meter hohe Riesenrad zwischen Baucontainern und -zäunen, Sand- und Schutthaufen, Kränen und Baggern.
Die Fläche zwischen Rosenheimer, Friedens-, Ampfinger und Grafinger Straße wird jetzt Werksviertel genannt, nachdem es jahrelang erst den Kunstpark Ost und dann die Kultfabrik beheimatet hatte. Gemeinsam mit dem benachbarten ehemaligen Gelände der Optimolwerke und vielen weiteren Industrie- und Bürogebäuden entsteht hier ein neues Quartier, dessen Herzstück einst die neue Konzerthalle bilden soll.Hi-Sky - Münchens neues Riesenrad
Das Hi-Sky ragt zwar über die Gebäude hinaus, nicht aber über die Baukräne ringsum. Inmitten der Großbaustelle wirkt es etwas deplaziert,  einigermaßen skurril – so gar nicht wie eine Touristenattraktion auf der Schokoladenseite Münchens. Für stolze € 14,50 darf man eine Runde im Riesenrad drehen, Ermäßigungen gibt es allerdings reichlich. Es reicht zum Beispiel schon ein Personalausweis mit Münchner Adresse, um die Fahrt für zwei Euro günstiger antreten zu können.
Im Werksviertel die neue Attraktion. Das Riesenrad

Der Andrang hält sich an einem Dienstag Abend, dem dritten Betriebstag in Grenzen, trotz der Osterferien. Der Kassen- und Zustiegsbereich ist für ganz andere Besuchermengen konzipiert, aber vielleicht kommen die ja noch. Zwei Jahre gibt man dem Projekt, wie es dann weitergeht, ist offen.
Das Entree des Hi-Sky. Mächtig dimensioniert
Fast kommt es uns vor, als ob mehr Personal am Start wäre als Fahrgäste. Immerhin wollen/sollen 27 Gondeln gefüllt werden, mit je maximal 16 Personen. Bei Vollauslastung also 432 Fahrgäste bzw. 864 pro Stunde.
Leere beim Einstieg. Kaum Gäste

Wir  haben eine Gondel alleine für uns, die direkten Nachbargondeln sind leer. Hier und da entdeckt man eine, die mit zwei oder drei Leuten besetzt ist. So richtig rumgesprochen hat es sich offenbar noch nicht, dass man in München ab sofort nicht nur zur Wiesnzeit Riesenrad fahren kann – was ja auch eine skurrile Angelegenheit sein kann.
Von den vielen attraktive Angeboten (Getränke, Hi-Sky Minga in bayerischer Gondel inkl. Brotzeit, VIP-Gondel) macht an diesem Abend niemand Gebrauch. Man kann auch einen Reiseführer buchen, oder ein Weißwurstfrühstück für 6 Personen für smarte 360 € – Verweildauer dann: Eine Stunde.
Gondel von innen. Hier sollen 16 Leute reinpassen
Wir belassen es bei einer profanen Fahrt, die etwa 30 Minuten dauert, das Riesenrad fährt schier unendlich langsam, hält aber auch nicht an, was beim Ein- und Aussteigen allerdings kein Problem darstellt. Da ist jeder Schritt auf eine Rolltreppe ein größeres Wagnis.

A propos Wagnis: Als Mensch mit einer nicht gerade geringen Höhenangst habe ich anfangs Skepsis, mit dem Hi-Sky mitzufahren, es geht aber wegen des langsamen Tempos, des geschlossenen Bodens (Glasboden? – Never ever) und der geschlossenen Kabine erstaunlich gut. Vielleicht auch, weil wir nur zu zweit darin sind.
Es eröffnen sich von oben phantastische Ausblicke über die Stadt, allerdings spielt das Wetter nicht ganz so mit, was das Fotografieren aus der Gondel heraus erheblich erschwert.Blick vom Riesenrad nach SüdenDer Blick nach Südwesten würde einem bei Föhnlage das Alpenpanorama zeigen, so aber türmt es sich schwarz über dem Forst im Süden und dem Voralpenland.  Richtung Osten ist in der Ferne das weiße Band er Betnonklöze in Neuperlach zu sehen – und auch die Baugruben zu unseren Füßen:In der Ferne Neuperlach - die Trabantenstadt
Ein weiteres Manko für Fotografen: Die Kunststoffscheiben, durch die man hindurchfotografieren muss, wirken wie Weichzeichungsfilter. Selbst, wenn man das Kameraobjektiv plan auf die Scheibe presst, geben die Fotos nur annähernd wieder, was man zu sehen bekommt. Das funktioniert allerdings nur bei den Seitenscheiben, die großen Flächen sind gewölbt, so dass man sich zusätzlich Lichtreflektionen und Verunreinigungen auf dem Kunststoff im Bild einfängt, was hinterher bei der Betrachtung der Bilder eine gewisse Unzufriedenheit auslöst. Aber man soll ja in erster Linie schauen und staunen und nicht dem Fotowahn erliegen.
Auch sind die Lichtverhältnisse dramatisch, was das Anschauen zwar zu einem Genuss macht, aber die Fotos eher dürftig werden lässt. Ich zeige sie trotzdem.Dramatisches Wetter über der Stadt. Blick aus dem RiesenradOstbahnhof und Skyline - München von oben
Von der Skyline Münchens, die ohnehin eher spärlich ist, ist wenig zu sehen. Im Dunst und Gegenlicht lasen sich nur wenige markante (Kirch-)türme identifizieren. Der Blick nach Nordosten zeigt, dass die Stadt immer mehr ausfranst, fast überall bretteben und so wenig spektakulär wie viele andere Großstädte ist – zumindet aus der Vogelperspektive des Hi-Sky.
Bretteben: der Norden Münchens. Sehr beliebigEine Stadt wie jede andere. München
Nach 30 Minuten erreichen wir die Erde wieder, haben viel gesehen, viel Neues entdeckt und können sagen: Die Fahrt hat sich wirklich gelohnt.
Man drückt uns eine verpackte, furztrockene Breze in die Hand, „Jungfernfahrt – ich war dabei“ steht auf dem Beileger, sie ist ein Überbleibsel vom Eröffnungstag, da hatte man wohl mit mehr Besuchern gerechnet. Beim Ausgang macht man uns verkaufstüchtig freundlich auf den Merchandising-Shop schmackhaft. Klar: Schließlich haben wir keine Münchner Adresse im Ausweis, sind daher Touristen oder zumindest die Bauerndeppen aus dem Outback. Und die lieben Tassen , T-Shirts und anderen bedruckten Schnickschnack.
Nicht doch Kinder. Dann lieber noch mal fahren, wenn das Wetter besser ist und ich vielleicht eine gescheite Kamera dabei habe…
Das Riesenrad im Werksviertel. Inmitten der Baustellen

 


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