Spaziergänge (#35): In der Fröttmaninger Heide
Kiesig ist das Land und karg. Die Heide der Münchner Schotterebene hat für die Landwirtschaft immer größere Herausforderungen bereit gehalten. Wenig humöse Böden, große Wasserdurchlässigkeit, alles andere als ideal für den Ackerbau. Aber andere haben sich für das Land interessiert: Männer in feldgrau und olivgrün. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Region nördlich von München ein viel genutzter Platz für Männer, die Krieg spielen wollten oder zumindest dafür üben: Erst die bayerische Armee, dann die deutsche, die Wehmacht, die US Armee schließlich die Bundeswehr. Davon betroffen war auch die Fröttmaninger Heide, deren südlicher Teil westlich der Allianzarena mittlerweile ein Naturschutz und Erholungsgebiet darstellt.
Da trifft es sich vortrefflich, dass der Boden voller Kampfmittel ist – zwar sind die Wege vollständig geräumt, die Flächen dazwischen aber könnten noch immer… Also stehen entsprechende Hinweisschilder, die die Besucher auf den Wegen halten sollen.
Nutznießer sind dann die vielen Tiere, allen voran die Wiesenbrüter, die nicht durch Horden trampelnder Massen, Picknickgruppen oder freilaufender Hunde aufgeschreckt und verstört werden.
Heute erinnert nurmehr wenig an die militärische Vergangenheit. Ein paar Betonklötze, die längst Sprayern als Fläche dienten, allenfalls. Hier mussten offenbar Soldaten das Überwinden von Hindernissen üben.
Da wäre dann noch ein künstlich aufgeworfener Hügel, der langsam zuwächst und einst vielleicht ordendekorierten Obristen die Möglichkeit gab, das ganze wüste Säbelrasseln zu ihren Füßen mit dem Fernglas zu betrachten.
Im nördlichen Teil der südlichen Fröttmaninger Heide gibt es in dem schwer von Fahrspuren durchfurchten Gelände weitere Hügel, Flakstellungen, die heute allenfalls von Joggern und Radlern erstürmt werden.
Unsereiner schlendert in der Abendsonne gemütlich die kleinen Hügel hinauf und betrachtet von dort den Blick auf München, bzw. das, was hinter den Bäumen des kleinen Wäldchens noch auszumachen ist: Vor allem das berühmte BMW Hochhaus am Petuelring und den Olympiaturm.
Auf den ersten Blick bretteben, aber doch tief vernarbt und mit kleinen Erdhügeln und Senken versehen präsentiert sich das Heidegelände heute. Umherziehende Schafherden sorgen gegen eine Verbuschung, so dass es nur ein paar kleinere lichte Waldstücke gibt. Kiefern, Birken und Weiden bilden den Großteil des Baumbestands. Ansonsten dominiert die typische Heidelandschaft der Kalkmagerwiesen.
Die frühsommerliche Wärme steht auf der Fläche, wäre nicht das Dröhnen der nahen Autobahnen A9 und der A92, es wäre wieder einmal ein Kinderspiel, sich gedanklich ganz woanders hin zu verabschieden. Und wäre nicht das überdimensionierte Gummiboot östlich der Heide, dass sich einfach immer und überall ins Bild drängt. Die großen strategischen Planungen und das Spiel mit Angriff und Abwehr, mit Sturm, scharfen Schüssen und Flügelkämpfen finden heute dort unter den Argusaugen rolexdekorierter Oberhäuptlinge statt. Besser ist das. Und Autobahnlärm ist mir persönlich wesentlich sympathischer als der Lärm von Panzern, Flak, Gewehren und Granaten. Selbst der Torjubbel der FC Bayern Fans ist mir lieber.
In unmittelbarer Nähe der Arena gibt es zahlreiche Wasserstellen, flache Tümpel und Pfützen, viele davon sind Reste des letzten Dauerregens, einige aber scheinen eine gewisse Langlebigkeit entwickelt zu haben. Hier tobt das Leben.
Diese kleinen Biotope sind zumeist überfüllt mit Kaulquappen von Erd- und Wechselkröten. Neben der Mallertshofer Heide finden sich vor allem hier stabile Populationen der streng geschützen Wechselkröten. Das dem so ist, ist auch emsigen Naturschützern zu verdanken. So erkundigt sich zum Beispiel eine Frau, als ich gerade dieses Foto mache…
ob ich noch weitere Bilder anfertigen will. Dann nämlich will sie mit dem Wasserschöpfen warten um mir das Motiv nicht zu zerstören. Ich verneine und erkundige mich, warum sie Wasser aus dem Tümpel herausholt und das gleich eimerweise. „Was machen Sie denn damit?“
„Hundert Meter weiter droht ein Tümpel auszutrocknen“, erklärt sie mir, derweil ein Mann dazukommt, der ebenfalls Wasser schöpft und in einen Eimer in dem Korb seines Rade schüttet.
„Wir bringen das Wasser dorthin. Sonst sind die Tiere darin bald alle tot.“ Genau das ist nämlich das Problem der Wechselkröten – die zu schnelle Austrocknung der flachen Laichgewässer.
Ein höchst lobenswertes Unterfangen, derweil ein paar hundert Meter, Jogger und Biker überhaupt kein Problem damit zu haben scheinen, durch Pfützen voller Quappen, die auf dem Weg sind, einfach fröhlich hindurchzutrampeln oder zu radeln. Die einen eben so, die anderen so.
Die Frau erzählt mir von den Kröten und Molchen, von den Feldlerchen und den vielen Krähen, die seit Jahren immer mehr werden, und den vielen Schmetterlingsarten.
Selten ist der Idas-Bläuling in den letzten Jahren geworden, „aber hier in der Heide sieht man ihn noch recht häufig.“
Wie auch das kleine Wiesenvögelchen.
Nach der Plauderrunde schöpft sie weiter, ich erkunde den kleinen Hart, ein Aufforstungsgebiet ganz nah an Arena und Autobahn.
Und schließlich führt mich der Weg an einer wunderschönen Wiese voller Margeriten, Wiesensalbei, Hornklee, Glocken- und Flockenblumen zurück. Mittendrin in blühender Baum. Welch ein Segen, dass hier abseits der Wege vielleicht noch ein paar Granaten in der Erde liegen – wie sähe es ansonsten hier wohl aus? Zivilisationsmüll und Picknickhinterlassenschaften vermutlich überall…
Eine Liste aller Beiträge der Serie Spazieren statt schwimmen gehen samt Verlinkung finden Sie auf der Unterseite Die Serien dieser Seite im Überblick
Vielen Dank fürs Lesen.
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