Ich seh wieder was…
Trüb ist alles um mich – milchig trüb. Fast ist es so, als hätten sich die Stadtwerke der Empfehlung des Postillon angenommen, die satirisch und bitterböse anmerkten: „Der Milchpreis fällt und fällt – nun werden neben dem Lebensmittelhandel auch andere Wirtschaftszweige auf das gesunde Getränk aufmerksam. Mehrere deutsche Schwimmbäder haben das teure Wasser in ihren Becken bereits in den letzten Tagen durch günstige Milch ersetzt.“
Und im Weiher ist es nicht viel besser:
Aber so ist es nicht. Die Trübnis um mich herum hat überhaupt nichts mit dem Wasser zu tun, in dem ich schwimme. Zumindest im Freibad nicht, denn das ist immer noch nur Wasser. Und klar wie immer. Die Milchidee hat hier keiner aufgegriffen. Es ist einfach der Schmodder auf den „Gläsern“ meiner Schwimmbrille, der mich kaum meher etwas sehen lässt.
Auf der einen Seite ist das ein sehr angenehmer Zustand. Viele Dinge, die unter Wasser geschehen, will man auch gar nicht sehen.
Ich schrieb bereits davon, erwähne aber trotzdem noch mal die hormonüberladenen Jungmänner, die unter Wasser am Beckenrand stehend ihren Hoseninhalt neu sortieren müssen. Vermutlich ist in den schlabbrigen Shorts mal wieder alles durcheinander geraten, oder es plagen die Jungschen Verlustängste und sie wollen sich nur vergewissern, dass noch alles da ist, was da sein sollte. Man weiß es nicht – will es auch nicht wissen. Ein Griff zwischen Bauch und Bund, die Hand ist in der Hose und dann wird erst mal aufgeräumt und – manchmal sieht es fast so aus – gleich noch die Kolonie sechsbeiniger Mitreisender verscheucht.
Schwimmen im Trüben hat seine guten Seiten, in Seen und Weihern geht es ja kaum anders. Da aber baut sich auch nicht unvermittelt vor einem die geflieste Beckenwand auf, gegen die zu prallen wenig erquicklich ist, nur weil man sie viel zu spät gesehen hat. Zudem hat man im freien Wasser, wenn man sich nur ein wenig vom Flachbereich entfernt und nicht gerade an der Tretbootanlegestelle den Touristenhorden-Kapitänen ausweichen muss, meistens freie Bahn. Niemand quert, niemand stört.
Im gefüllten Freibad freilich ist das anders – vor allem, wenn keine Sportbahn abgeserrt ist. Bisweilen herrscht reger Verkehr, und da ist freie Sicht zur Vermeidung von Zusammenstößen notwendig. Schließlich provoziert so eine Berührung des Mitschwimmers nicht selten Gezeter und Geschrei.
Besser ist da, man sieht etwas. Wie man sich gelegentlich neue Wischblätter an der Windschutzscheibe gönnen sollte, ist auch klare Sicht durch die Schwimmbrille hilfreich.
Also reinige ich sie mal wieder.
55 Cent hat die Zahncreme gekostet, mit der ich zwar nicht meine verbliebenen Beißerchen, aber meine Schwimmbrille einschmiere. Den Tipp habe ich der oft schon zitierten Facebookgruppe Bist Du heute schon geschwommen entnommen. Und ich habe es bereits mehrfach gemacht.
Immer mit durchschlagendem Erfolg – danach war wochenlanger Weitblick garantiert. Dass ich dafür nicht meine kostbare Rundumsorglos-Sicherheitszahncreme mit den 67 Wirkvorteilen verwende sondern eine billige vom Discounter, ist ja wohl klar. Die tut’s nämlich auch.
Beherzt drücke ich statt auf die Bürste ein paar Klekse in die Brille. So fängt es an.
Das Ganze wird ordentlich verschmiert, aber nicht wie bei den Zähnen mit der Bürste und es wird schon gar nicht gescheuert. Einfaches, sanftes Verteilen reicht völlig. Einige Stunden lasse ich die Creme einwirken, dann spüle ich sie mit Wasser ab und hole mit einem Wattestäbchen die angetrockneten Reste aus der letzte Ecke.
Fertig. Die Brille ist wie neu.
So neu, dass mir das erste Mal nach erfolgter Brillenreinigung die Tränen in den Augen standen. Allerdings war das nicht das Resultat der wieder gewonnenen Aussicht auf die anderen Badegäste unterhalb der Wasseroberfläche. Das wäre zwar auch manchmal naheliegend, aber der Tränenschub hatte andere Ursachen: Es war das Menthol, dass mich zum Weinen brachte.
Das Aroma, das für diesen berühmt-berüchtigten frischen Atem sorgt und in Form von ätherischen Ölen der Zahncreme beigemischt wurde, diffundierte erst in die Dichtung der Brille und anschließend wieder heraus. Gibt es etwas Tränenrührigeres als Mentholdämpfe im winzig kleinen Luftraum in der Brille direkt vor der Pupille?
Solche Reaktionen schaffen allerhöchtens Zwiebeln unterm Schneiden. Aber mal ehrlich: Wer ist so blöd und träufelt sich frischen Zwiebelsaft in die Schwimmbrille…
Vielen Dank fürs Lesen.
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Jaja, Zusätze und Aromastoffe… Als Brillenträger kenn ich das von den Papiertaschentüchern, die mit Riechkolbenschmeichler versehen sind. Wenn ich damit meine Brille putze, könnte ich sie auch gleich mit Vaseline einschmieren. Letzteres mache ich aber nur beim Badezimmerspiegel, als Garant für ewige Jugend ;-)
Ist ja ein super Tipp, das mit der Zahnpasta, wusste ich noch nicht!
Dann muss ich ja nur zusehen, dass ich eine ohne Menthol erwische ;-)