Fotos von Leuten, die Fotos von Fotos machen
Fotos von Leuten, die Fotos von Fotos machen – das wäre der nächste geile Scheiß. Geht aber nicht. Jedenfalls nicht unbemerkt und damit unverfälscht.
Wer öfter in Ausstellungen, Galerien oder Museen unterwegs ist, wird immer wieder Menschen finden, die mit ihren Handys die ausgestellten Werke abfotografieren. Und ich muss zugeben, gelegentlich mache ich das auch. Davon war und ist immer wieder mal hier im Blog etwas zu lesen und zu sehen. Allerdings mache ich das nur dort, wo es dezidiert erlaubt nicht verboten ist. Wenn es verboten ist und Schilder und/oder strenge Blicke und mahnende Worte des Aufsichtspersonals dies klar machen, bleibt die Kamera oder ggf. mal „nur“ das Handy in meiner Tasche. Denn die Regeln sind klar.
Etwas skurril war das allerdings in der Picasso Ausstellung in der Baseler Fondation Beyerler 2019 geregelt. Dort war Fotografieren zwar erlaubt, das eine oder andere Kunstwerk jedoch war davon ausgenommen. Neben jedem einzelnen der betreffenden Bilder hing ein entsprechendes Schildchen an der Wand. Es ist letztlich alles eine Frage der Urheber- und der Verwertungsrechte an der Kunst, was den wenigsten klar sein dürfte, wenn sie im Museum Kunst abfotografieren und diese Bilder bedenkenlos verbreiten, zum Beispiel diese ins Netz stellen.
Mein Fotoblick richtet sich allerdings eher selten auf Einzelbilder/-werke. Mir geht es viel mehr um Eindrücke aus dem Museum. Spannend ist die Begegnung der Besucher:innen mit der Kunst, was manchmal in Ruhe zu beobachten mindestens genauso spannend ist wie die Exponate selbst. Denn Kunst wirkt.
Manchmal ist es eine Konfrontation, die Ärger und Unverständnis auslöst, manchmal sind es Fragen. Manchmal bricht sich pure Begeisterung die Bahn:
Es gibt Menschen, die sich nicht sattsehen können, Menschen, die sich die Kunstwerke gegenseitig entschlüsseln, es gibt die Erklärmichel, die einen Redeschwall nach dem nächsten loslassen und mit ihrer Bildungsbeflissenheit strunzen. Aber es gibt auch Menschen, die verloren durch die Räume irren, weil sie einfach keinen Zugang zu dem Gezeigten haben, finden oder gsr nicht erst finden wollen.
Und dann gibt es die, die ihre Lieblingsstücke oder besonders bekannte Werke abfotografieren. In dichter Traube drängen sie sich vor der Kunst und fotografieren (gottseidank ohne Blitz). Vielen Bildern sieht man schon im Entstehungsprozess an, dass die sehr bescheiden werden: Lichtreflexionen vom Glas der Vitrinen oder Fotorahmen, Schattenwurf der Menschen in diesem Glas, schiefe Winkel, weil man sich nicht besser hinstellen konnte oder eben die Masse an Leuten mit auf dem Bild.
Es wird fotografiert, so, als könne man sich das Werk nicht um ein Zigfaches besser fotografiert in einem Buch anschauen (aber das koset ja Geld und wer kauft schon Bücher oder Kataloge…) oder sich das Bild hundertfach über Google im Netz ansehen.
Aber das ist nicht das Gleiche. Nur indem ich es selbst fotografiert habe, vergewissere ich mich, dass ich es auch wirklich gesehen habe. Die Erinnerung allein reicht wohl nicht (mehr). Ich weiß ja, dass ich das Bild auf meinem Handy gemacht habe, also muss ich ja dort gewesen sein. Und dann kann ich es auch gleich allen erzählen. Ich mache das oft auch nicht anders.
In Fotoausstellungen läuft der gleiche Prozess, nur, dass man beim Abfotografieren brillante Bilder kopiert und dabei ihre Qualitatät enorm senkt. Ich will das nicht kritisieren, zumal es auch vorkommt, dass ich einzelne Bilder abfotografiere, wenn ich meine, einen gewichtigen Grund dafür zu haben. Aber sicher nicht, um das Abbild vom Bild zu veröffentlichen, denn wie gesagt: In aller Regel stapfe ich mit der 1:1 Kopie des Originals schnell in eine rechtlich problematische Zone. Aber das weiß kaum einer, interessiert auch kaum wen… Ist auch ein anderes Thema.
Manchmal ist es höchst amüsant, sich auf einer Bank in einer Ausstellung niederzulassen und die Menschen dabei zu beobachten, wie sie mit den gezeigten Bildern interagieren – und wie sie sie fotografieren. Fotografieren würde ich dann auch gerne: Fotos von Leuten, die Fotos von Fotos machen. Oder noch besser: Fotos von Leuten, die Fotos von Fotos machen, auf denen Leute zu sehen sind, die Fotos machen. Aber ich trau mich nicht…
Vielen Dank fürs Lesen.
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Es ist schon spannend zu sehen, wo das Smartphone überall als „Notizblock“ und Beweissicherung herhalten muss. Ich nehme es bei Ausstellungen meist nur her, wenn mir eine Fotoidee sehr gut gefällt um sie vielleicht anders interpretiert mal umzusetzen. Aber in den meisten Fällen bleibt das Ding in der Tasche. Es gibt tolle Bildbände und Kataloge, da sind die Kunstwerke gut reproduziert und ich kann mich nochmals in Ruhe in die Kunst versetzen.
Übrigens entscheide ich mich immer mehr für einen Bildband und gegen den Ausstellungsbesuch, weil mich eben gerade oft die “ Kunstbeflissenen“ an einer ungestörten Betrachtung hindern. Lasse mich zu schnell von irgendwelchem Geschwätz ablenken.
Was ich in Ausstellungen immer wieder interessant finde ist die Anordnung und Aufteilung der Kunstwerke und wie sie in dieser Zusammenstellung entweder die Wirkung auf mich verstärken oder abschwächen.
Menschen im Museum zu beobachten ist schon kurios. Siehe zB https://shashindo.de/quadratisch-living-in-a-box/
Und die Smartphoneknipsenden Besucher vor dem Kunstwerk (alternativ mit Selfie Stick) habe ich mit größtem Ärger im Louvre vor der Mona Lisa erlebt. Da waren so viele Knipser und Selfie Macher, dass ich nicht mal in die Nähe gekommen bin. Tja…