Der Kirchsee, der samtweiche… (Challenge 2018/3d)
Empfehlungen und gute Ratschläge zu befolgen, ist nicht gerade mein Ding. Geheimtipps neigen dazu, von mir nicht zur Kenntnis genommen zu werden. Denn der größte Nachteil dieser Empfehlungen ist es ja, dass viele Empfehlende abfragen, ob der Empfehlungsempfänger das Empfohlene dann auch tatsächlich gemacht hat. Wie lästig. Beim Kirchsee aber war das anders.
Schon vor Wochen hatte mir Kollege Hans erzählt, wie wunderbar dieser See inmitten des Naturschutzgebiets Ellbach- und Kirchseemoor ist. Auch seine Frau Susanne wurde nicht mühe, mir diesen See nachdrücklich zu empfehlen. Flach sei er, ein Moorsee, der immer sehr schnell sehr warm werde, malerisch gelegen und klein sei der See nun nicht gerade. Ein Geheimtipp, zu dem nur die Einheimischen hinfahren, also keine Touri-Massen.
Und überhaupt das Beste: Nach ausiebigem Schwimmen habe man eine samtweiche Haut. Das mache das Moorwasser.
Bei so vielen Lobesworten ist natürlich meine Neugier geweckt.
Wer wollte das nicht: Samtweiche Haut erschwimmen? Vor allem dann, wenn man dank zahlreicher Stunden im Freibad und Freiwasser seine Haut intensiver Sonnenbestrahlung ausgesetzt hat und sich langsam das Gefühl einstellt, dass die Körperoberfläche einem alten, abgenutzen Fensterleder in Farbe und Beschaffenheit immer ähnlicher wird…
Wer braucht Feuchtigkeitslotion, Aprè Sun Creme, Peeling Paste und das ganze drogistische Zeugs, wenn man einfach mal eine ausgiebige Runde in diesem Wellness-Wasser absolvieren kann?
Also ab zum Kirchsee.
Während ich mich meiner Garderobe entledige, lausche ich angespannt einer Gruppe Jugendlicher – allesamt Jungs, allesamt kurz vor oder im Stimmbruch. Die Dorfjugend aus dem nahegelegenen Sachsenkam ergeht sich in großmauligen Sprüchen und macht auf dicke Hose. Die beste Voraussetzung, später erfolgreicher bayersicher Politiker zu werden. Ich lerne neue Fäkalausdrucke, höre, nachdem der eine den anderen ins Wasser geschubst hat, Morddrohungen a la „Ich bring Dich um…!“, die kurzerhand umgemünzt werden in „Noch besser, ich fick Deine Mutter hart!“
Womit einmal mehr klar gestellt sein dürfte, dass die nachwachsende oberbayerische Landbevölkerung sich ganz und gar der christsozialen Leitkultur verpflichtet fühlt und keinerlei Schamgefühl mehr besitzt… anderes Thema.
Ob dieser rustikale Brauch zu Füßen des Klosters Reutberg umgesetzt wird oder nicht, werde ich nicht erfahren. Und es interessiert mich auch nicht. Dafür bin ich schließlich nicht hergekommen.
Ich will samtweiche Haut. Also rein ins braune, erstaunlich klare Moorwasser.
Warm ist es wirklich, aber doch weniger warm als ich erwartet habe. Vor allem hat es im westlichen Teil ein paar kalte Stellen. In Ufernee ist der See in der Tat sehr flach, zum Teil so flach, dass ich beim Durchziehen der Arme den Bodengrund aufpflüge.
Kleine „Wolken“ des Bodensediments werden hochgewirbelt, immer wieder muss ich meinen Kurs korrigieren, mich vom Ufer ein wenig entfernen. Denn an einigen Stellen ist der Boden recht steinig – mit der immer samtiger werdenden Pranke in den harten Kies zu stechen ist nun nicht gerade das, was ich mir unter entspanntem Schwimmen vorstelle. Dann lieber etwas mehr Abstand zum Ufer.
Ich passiere das Südufer – einen kleinen Badeplatz gibt es dort, ansonsten zieht sich die Moorlandschaft bis an den See heran. Schilder informieren Schwimmer, dass hier Anlandeverbot herrscht, kann natürlich auch sein, dass damit die Ruderbootkapitäne angesprochen werden sollen, deren Flotte bewegungslos auf der anderen Seite an ein paar Stegen vertäut ist.
Überhaupt – die Gemeinde Sachsenkam hat schon klare Vortellungen davon, wie man sich am Kirchsee zu verhalten hat, und vor allem, dass man das Ganze gefälligst adäquat gekleidet zu tun hat. Also doch noch ein Rest von Schamgefühl.
Gut, dass ich immer eine Badehose in der Schwimmtasche habe, meistens sogar mehrere. Sonst wäre ich ganz schön aufgeschmissen gewesen. Wenn das schon so explizit angeschlagen wurde, dann wird das wohl auch seinen Grund haben.
Ein Verbot, Spezl-Mütter hart zu ficken, finde ich hingegen nicht.
Nach ausgiebiger Runde verlasse ich den See. Nach eineinviertel Stunden ist mir das Wasser dann doch zu kalt geworden.
Statt samtweicher habe ich zunächst mal eine zapfige Gänsehaut, die sich erst langsam verzieht als ich auf dem Steg in der Sonne sitze.
Herbert, der mir den Ausflug abgesagt hat, schickte ich ein Foto – reine Provokation natürlich. Ein gehässiges Ällabätsch!
Auch Kollege Hans bekommt ein Bild von „seinem Kirchsee“. Natürlich ins Büro, in dem er zur gleichen Zeit schwitzt. Selbst Schuld, wenn er jetzt lange Zähne bekommt, was gibt er mir auch solche Tipps?
Während ich mich langsam aufwärme, merke ich, wie unvorbereitet ich mal wieder zum Schwimmen gefahren bin. Heute hätte ich ein Wattebäuschchen mitnehmen müssen. Sie wissen schon, um zu testen, wie samtweich jetzt meine Haut ist.
Einmal mit Watte drüber streichen, da bleibt bestimmt nichts hängen… Nicht das kleinste Flüßchen. War es nicht so?
Noch zu erledigen:
Fünf neue Seen: noch 1
Fünf Wiederentdeckungen: noch 4 / noch 3 / noch 2 / noch 1
Und außerdem: Jahressoll 480 km / ein fremdes Freibad / Ranking aktualisieren / Chiemsee – ein neuer Uferabschnitt / Badehosen ausmisten / Chiemsee-Querung / Vollmond-Schwimmen / Goldene Stunde / 100km im Freiwasser
Erledigt:
Fünf neue Seen: Tüttensee, Pullinger Weiher, Haager Badesee, Kirchsee
Fünf Wiederentdeckungen: Pelhamer See,
Und außerdem: Ein 5.000er, ein fremdes Hallenbad, Langbürgner See,
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