Spaziergänge (#46): Die Calla in der Nicklheimer Filze

Schlangenwurz? Schon mal gehört?
Vermutlich nicht. Ich kannte die Pflanze auch nicht. Und so stehe ich etwas ratlos von einem über und über mit Schlangenwurz bewachsenem Wasserloch. Aber seit ich in solchen Fällen die Flora Incognita App der TU Illmenau benütze, wird mir mit Rat und Tat geholfen. Hinknien – Handy zücken – App starten – Pflanze fotografieren: Zack sagt mir die App: Schlangenwurz.
Dass Schlangenwurz und Drachenwurz in diesem Fall das Gleiche ist, hilft mir nicht wirklich, aber der lateinische Name: Calla palustris. Das ist des Rätsels Lösung.

Calla in der Nicklheimer Filze

Und schon macht es Klick: Calla. Die könnte man aus dem Blumenhandel kennen: Als Topfpflanze oder im Strauß gebunden, gern mal mit Rosen, um diesen dann stilvoll zu überreichen.
Natürlich handelt es sich dann um eine andere, eine langstilige Art aus der Gattung – aber diese hier, der kleine Drachenwurz, verblüfft mich doch sehr. Ich wusste bis dato nicht, dass es eine heimische Art ist, hatte sie nie gesehen – geschweige denn, blühend. Das wiederum erlebe ich ein paar hundert Meter weiter an einem anderen Wasserloch, das deutlich exponierter von der Sonne beschienen wird.
Hier blühen die Calla.

Calla in der Nicklheimer Filze

Und jetzt erkenne ich sie natürlich auch auf Anhieb. Aber so ist das nun mal mit den Trivialnamen in der Botanik, und im Tierreich ist es auch nicht anders. Die können ganz schön in die Irre leiten.

Calla in der Nicklheimer Filze

Allein wegen der Calla hätte sich der Besuch in der Nicklheimer Filze schon gelohnt. Das Hochmoorgebiet zu Füßen der Alpen war schon länger mal mein Ziel. Seit ich das erste Mal davon gelesen habe, wollte ich dort vorbeischauen. Für einen ersten Eindruck habe ich es mittlerweile geschafft.
Vom Parkplatz aus laufe ich Richtung Moorstation. Es ist ein Wetter, das sich nicht wirklich entscheiden kann, ob es nun regnet oder die Sonne doch noch hervorkommt, ein Jacke-auf-Jacke-zu-Jacke-auf… Wetter.
In der Nicklheimer Filze

Anders als bei dem Hin und Her an der Jacke stellt sich die Frage nicht, den Objektivdeckel immer wieder aus der Tasche zu holen und das kostbare Teil zu schützen. Denn es gibt einfach viel zu viel zu sehen und auch zu fotografieren. Da lohnt sich es sich kaum, nach jedem Bild den Deckel vor die Linse zu machen.
Damit wird der knapp 4 Kilometer lange Rundweg (plus einiger Abstecher) eher zu einem Schleichpfad als zu einem Rennweg, aber das ist es wert.

Es blühen gerade nicht nur die Calla. Rote Lichtnelken entdecke ich am Wegesrand ebenso wie Helm-Knabenkraut. Flora ingocnita sei dank, dass ich die nun einwandfrei bestimmen kann.

Lichtnelke in der Nicklheimer Filze

Helm-Knabenkraut in der Nicklheimer Filze

Seit knapp 25 Jahren steht das Gelände unter Naturschutz und wird aufwendig renaturiert, wozu vor allem gehört, es wieder zu wässern.  Schautafeln, eine Moosstation, Lehr- Warn- und Hinweisschilder informieren die Besucher. Ein besonderes Highlight ist dabei sicher große Freigewässer, das mittlerweile (wieder) Heimstatt für zahlreiche Wasservögel bietet.

Ein Aussichtsturm erlaubt einen Überblick, direkt dahinter fährt eine Bockerlbahn, sicher ein besonderes Vergnügen für Familien mit Kindern – für mich eher weniger spannend, aber im Moment fährt sie sowieso nicht, weil Brutsaison für die Vögel ist.

Aussichtsturm Nicklheimer File - Keyword Calla

An mehreren Stellen im Moor stehen Schilder, die vor Kreuzottern warnen.

Wenn gerade das kein Grund ist, ein zweites Mal herzukommen und auf Schlangensuche zu gehen, weiß ich es auch nicht. Denn gesehen habe ich bei meinem ersten Besuch keine – kein Wunder bei den Wetterverhältnissen. Aber Calla, die blühen, die habe ich gesehen.

Ein wenig abseits liegt ein Bereich, in dem veranschaulicht wird, wie der Torf früher per Hand abgebaut wurde. Noch heute ist an der „Abbruchkante“ gut zu sehen, wie das einst funktioniert hat, als dem wertvollen Torf  mit Spitzhaken und Schaufeln zu Leibe gerückt wurde und er tonnenweise mit einer Kleinbahn aus dem Gelände abtransportiert wurde.  Zurück blieb eine vernarbte, verwüstete und vor allem ausgetrocknete, zerstörte Landschaft.

Torfabbau Nicklheimer File - Keyword Calla

Erst nach und nach holt sich das Wasser die Nicklheimer Filze zurück, es bilden sich Pfützen, Teiche, Moorseen. Und ganz langsam, etwa einen Millimeter im Jahr, wächst die Torfschicht wieder an und bindet das Kohlendioxid. Moore haben nicht nur als Lebensraum sondern auch für das Klima eine immense Bedeutung.
Umso unverständlicher, dass es immer noch Menschen gibt, die säckeweise im Gartencenter Torf holen und den in in ihrem Garten verteilen. Dass der nun nicht oder kaum mehr hierzulande abgebaut wird sondern aus osteuropäischen Ländern importiert wird, macht es da nicht besser. Eher im Gegenteil.
Klimaschutz ist ein globales Thema.

Nicklheimer File - Calla

Nicklheimer File - Calla

 


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2 Antworten

  1. Das kannte ich vorher auch nicht. Man lernt nie aus.

  2. Naya sagt:

    Flora ingocnita nutz ich auch gern, die App ist echt hilfreich!

    Und ja, das mit dem Torf in der Garten- und Blumenerde versteh ich auch nicht.
    Es gibt doch auch klimafreundlichere Alternative, die abgesehen davon, daß man leider sehr genau hinschauen muß, weil noch viel zu viel Erde mit Torf verkauft wird, keinen Nachteil haben. Im Gegenteil, der Säuregrad vom Torf ist ja sogar schädlich für vieles und muß oft erst mit Kalk ausgeglichen werden …

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