Bretagne (#3) – Das Vallée des Grands Traouïero – ein verwunschenes Tal

Eigentlich heißt er ja Jörg Bong und stammt aus Bad Godesberg, der, der uns auf das Vallée des Grands Traouïero aufmerksam gemacht hat.
Aber er nennt sich Jean-Luc Bannalec, das klingt natürlich viel französischer, malerischer, authentischer und letztlich verkaufsfördernder. Also veröffentlichte Bong seine bisher siebenteilige Krimiserie um den bretonischen Kommissar Dupin unter diesem Pseudonym.
Um es gleich vorweg zu sagen: Ich habe bisher kein einziges Buch von Bong/Bannalec gelesen und habe es auch nicht vor. Das verschafft mir in der Bretagne ein gewisses Alleinstellungsmerkmal, denn überall sieht man dort die deutschen Touristen Dupin-Schmöker verschlingen, vorzugsweise Frauen vom Modell Renate unter Sonnenschirmen am Strand. Oder auf den Spuren des Kommissars wandeln und die Schauplätze seiner Ermittlungen abklappern.Das Vallée des Grands Traouïero - ÜbersichtskarteDas Traouïero Tal gehört zweifelsohne dazu. Im sechsten Buch Bretonisches Leuchten (Amazon Affiliate Link) lässt Bannalec (also Bong) seinen Romanhelden dieses Tal durchqueren, so informiert mich meine Frau, die selbstverständlich mit Kommissar Dupin gut vertraut ist. Drei Seiten widmet er der Landschaftsbeschreibung des Tals, wie ich feststelle, als ich diesen kleinen Auszug lese. Das ist weit mehr als unser Reiseführer. Der beschreibt es immerhin auf einer knappen halben Seite, was für einen Reiseführer, der die ganze Bretagne abdeckt enorm viel ist. Der Wanderführer von Rother , der uns mit allerlei großartigen Tipps versorgt (dazu später weitere Beiträge), erwähnt es hingegen nicht.
Ist es da ein Wunder, dass sich Bretagne-Urlauber lieber an einer Romanfigur orientieren?

Keine 500 Meter von einer Bucht des Ärmelkanals entfernt zieht sich bei Trégastel dieses merkwürdige Tal den Hang hinauf. Luftlinie ist es knapp 3 Kilometer lang, kaum 250 Meter breit, an den schmalsten Stellen nur 130 Meter. Links und rechts des Tals liegen Felder, das Tal selbst ist dicht bewachsen, fast urtümlich, eine Ahnung von Urwald käme auf, wären da nicht die hervorragend in Schuss gehaltenen Wander-, Spazier- und Reitwege. Das Vallée des Grands Traouïero - ein verwunschenes Tal

Es ist eine komplett andere Welt, in die man eintaucht, wenn man vom großen Teich am unteren Talende den Wanderweg nach oben steigt. Plötzlich wirkt alles Andere wie unendlich entfernt – die Landstraße, die parallel zum Tal verläuft, die kleinen Dörfer, das Meer, die Felder. All das verliert sich, je länger wir dem Weg folgen.

Das Vallée des Grands Traouïero - Teich
Die Sonne hat Mühe, durch die hohen Bäume zu dringen, es ist relativ schattig, feucht, aber warm an diesem Julitag. Obwohl es bedeckt ist, schafft es das Thermometer auf über 20° C – im Wald ist es nicht wesentlich kühler. Das ist merkwürdig und ungewohnt. Ein kleiner Bach plätschert ins Tal. Mächtige Grantiblöcke liegen in der unteren Hälfte und verleihen dem Wald ein Aussehen, das die Phantasie beflügelt.
Das Vallée des Grands Traouïero - ein verwunschenes Tal
Das sind Orte, in denen Märchen und Fabeln entstehen, Sagen und Legenden. Geschichten von Zwergen und Riesen, von Drachen und Schätzen. Es gibt Höhlen und Spalten zwischen den Steinen, kleine Teiche des Bachs, winzige Wasserfälle, knorriges Holz, fast lianenartigen Efeu, fast ein Zauberwald.
Und plötzlich sieht der Granitblock am Wegesrand nicht mehr nur noch wie ein Stein aus. Ein grinsendes Tier? Ein Chamäleon?

Das Vallée des Grands Traouïero - ein verwunschenes Tier?

Kleine Markierungen weisen den Weg, Stege führen unter Steinen durch und über den Bach, Treppenstufen helfen beim Aufstieg. Es wird immer unverständlicher, warum der Wanderführer dieses verwunschene Traouïero Tal nicht erwähnt. Sind 6 Kilometer (einmnal hin und zurück) zu popelig, um als Wanderung gewertet zu werden?

Das Vallée des Grands Traouïero - gut ausgebaute Wege
Links und rechts wachsen Rosskastanien, Farne, Erlen, Ilex, Efeu, Schwertlilien, Storchenschnabel, Brombeeren Brennnesseln – ein bisweilen undurchdringliches, grünes Dickicht. Insekten surren, Schmetterlinge fliegen auf, Vögel zwitschern.  Es geht kein Lufthauch. Gelegentlich knacken Äste unter unseren Schritten, hin und wieder huscht es im Laub vom Vorjahr. Eine Drossel, eine Maus, irgendetwas flüchtet aufgeschreckt durch uns Wanderer.Das Vallée des Grands Traouïero - ein Urwald
Viel blüht nicht im Wald in dieser Jahreszeit, gelegentlich schimmert es violett. Es sind die Blüten des giftigen Fingerhuts, der hier überall wächst.

Nach etwa zwei Kilometern überraschen einige eigenartige Säulen auf einer Lichtung uns Wanderer. Ihr Sinn erschließt sich nicht ganz. Vielleicht sollte mal eine Brücke über das Tal führen und es sind die Brückenpfeiler, die schon mal errichtet wurden. Eine andere Erklärung gibt es eigentlich nicht, aber die Säulen sehen zu neu aus, zu gut erhalten, als dass sie Relikte eines längst aufgegebenen Brückenbauplans sein können. Fragen über Fragen, die nicht mal Kommissar Dupin das bisher aufklären konnte.

Unspektakulär endet das hintere Stück des Traouïero Tals zwischen den Feldern bei den Dörfern Trémache und Kerrougant. Es ist Zeit für eine Kehrtwendung. Viele kleine Wege führen durch das Tal, davon einige speziell für Reiter. Wir können also zumindest einen Teil der Strecke eine alternative Route wählen, treffen auf Deutsche (vermutlich ebenfalls angelockt von den Bretagne-Krimis), auf eine französische Senioren-Wandergruppe, die Männer alle in Beige, und ein paar Spaziergänger.
Man ist nicht ganz allein hier. Vielleicht ist es doch besser, dass das Tal nicht im Wanderführer steht…

Es war ein guter Tipp von Bong, der übrigens laut Information unserer Ferienhausvermieterin in der Bretagne kaum gelesen wird – trotz seines französischen Pseudonyms. Die Fernsehserie kennt man, die Bücher eher nicht. Vielleicht fehlt es da doch an Quäntchen Authentizität. Er kann sich trösten: In Venedig liest außer den Touristen auch niemand Donna Leon.


Wenn Sie mehr über die Bretagne lesen möchten, finden Sie eine Liste aller Beiträge samt Verlinkung auf der Unterseite
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1 Antwort

  1. Sehr idyllisch und mystisch! Die Bretagne bietet ja generell eine Vielzahl von wunderbaren Plätzchen, aber dieser Weg führt wirklich durch verwunschenes Gebiet. Das hast du sehr treffend beschrieben. Herrliche Fotos!
    Soweit es mir bekannt ist, sind die hohen Pfeiler die alten Stützen der ehemaligen Rollbrücke, mit der im 20. Jahrhundert der Granit aus dem Steinbruch transportiert wurde.
    LG Michèle

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