Als Tourist daheim (17): Vorstoß ins Blaue Land / Teil 3
Das Blaue Land verlasse ich, nachdem ich den ersten Teil der Tour absolviert habe, über die B2 Richtung Norden. Ich quäle mich Stoßstange an Stoßstange durch Weilheim und habe Mitleid mit den Menschen, die dort leben und täglich diesem Verkehr ausgesetzt sind. Transparente hängen überall, auf denen eine Ortsumfahrung gefordert wird. Ich kann das verstehen, vor allem, wenn sich LKW an LKW reiht. Das ist eben die Kehrseite der Medaille, wenn immer mehr Gewerbegebiete rings um alle Städte entstehen.
Mein Ziel liegt schon wieder außerhalb des Pfaffenwinkels. Ich möchte zum
4. Deixlfurter See
der westlich von Tutzing am Starnberger See liegt. Das Navi kapituliert vollflächig, denn ich Depp habe natürlich nur den Straßennamen eingegeben, aber keine Hausnummer, also möchte mich das Navi nach Tutzing hineinführen zum Beginn der Straße, die aber ein kurzes Stück Einbahnstraße ist. Und ich stehe am falschen Ende. Vielleicht hätte ich mich hier etwas besser mit der Anfahrt beschäftigen sollen, denn es führt eine Straße direkt von der B2 zu dem Wanderparkplatz, den ich ausgeguckt hatte.
Dort angekommen stapfe ich einen Trampelpfad in den Wald, der See liegt ein paar hundert Meter nördlich von mir.
Überall an der Straße stehen Holzschnitzereien heimischer Tierarten. Auch im Wald entdecke ich welche. Wie schön, dass auf diese Art ein wenig Bewusstsein für die heimische Fauna geweckt wird.
Der Weg endet allerdings an einem kleinen Weiher.
Von dort muss ich wohl oder übel pfadlos ein paar hundert Meter durch den lichten Laubwald zum Walderlebnisweg laufen, der mich schließlich zum Deixlfurter See führen wird. Die Frage, die ich mir hier stelle, ist, warum das Fünf-Seen-Land (benannt nach Starnberger, Wesslinger, Ammer-, Pilsen- und Wörtsee) eigentlich so heißt, wo es doch noch reichlich mehr Seen gibt. Allein der Deixlfurter ist von Weihern umgeben, die alle so klangvoll heißen wie Vogel-, Clenze-, Czermak-, Rüdiger-, Barbara- oder Johannaweiher.
Mag sein: Weiher zählen nicht aber der Deixlfurter See ist nun mal ein See, da beißt die Maus keinen Faden ab. Ich habe schon kleinere Teiche gesehen, die sich See schimpfen.
Was soll’s?
Das Areal ist fest in der Hand des Anglervereins Pfaffenwinkel, der über Intensivbeschilderung deutlich klar macht, wo gerade gefischt werden darf und wo nicht, aber vor allem, wo gebadet werden darf und wo nicht. Angler:innen und Schwimmer:innen sind nicht die besten Freunde, also stehen überall Schilder, dass Baden nur an ausgewiesenen Badestellen im Deixlfurter See erlaubt ist, die aber nicht ausgewiesen sind, zumindest habe ich keine gesehen. Die Nutzung von jeglichen Booten, was auch Badeboote mit einschließt, ist kategorisch verboten.
Soll ich den Deixlfurter See als mögliches zu besuchendes Schwimmgewässer gleich streichen? Dann hätten die Maßnahmen zur Sicherung der Pfründe der Angler:innen ihr Ziel erreicht. Oder soll ich sagen: Jetzt erst recht und noch mal vorbeischauen und dann genau dort, wo Google Maps wie auch Outdoor Active den Badeplatz kartiert haben, ins Wasser hüpfen?
Immerhin gibt es dort einen vollkommen ramponierten, eingebrochenen Steg, dessen Betreten mit Kette und Schild daran natürlich (!) untersagt ist.
Ist es diesen Trotz wert?
Am Überlauf, dort, wo das Wasser aus dem Rüdigerweiher in den Deixlfurter See fließt, beobachte ich die wenig charmante Balz eines Haubentauchers. Heisere Geräusche macht er und hackt voller Zärtlichkeit mit der Schnabelspitze immer auf das Weibchen ein.
Leider ist es zu weit weg, um es gut zu fotografieren und als die Tiere dann doch etwas näher kommen, sind es Halme von vertrocknetem Schilf im Bild, die die Sicht so sehr einschränken, dass Fotografie sinnlos wird. Wenigstens gibt man sich also vor der Kamera etwas diskret und genant.
Wesentlich weiter ist da Familie Graugans, die haben Balz und Brüten schon längst hinter sich gelassen und schwimmen im Familienverbund auf dem Weiher umher.
Sie stellen sich zwar nicht so an, wenn ich sie fotografieren will, nur leider sondert sich Herr (oder Frau?) Gans immer etwas unglücklich ab. dass ich nicht alle ins Bild bekomme. Oder wenn, dann drehen mir alle Küken demonstrativ ihre Hintern zu.
Ein altes Spaziergängerpaar kommt mir entgegen. Eine Frau zückt völlig begeistert ihr Handy, als sie mich Bilder machen sieht und fotografiert nun ebenfalls die Gänse. Der Mann grummelt nur, dass das doch eigentlich vollkommen sinnlos sei. „Die Tiere sind zu weit weg, die Bilder werden sowieso alle unscharf und könnten dann auch gleich wieder gelöscht werden.“ Sie antwortet gar nicht erst, sondern fotografiert ungerührt weiter, während er den Pfad entlang stolpert.
Weiter geht es zum Endpunkt der Tour, dem
5. Maisinger See
Wie gut, dass es dort einen Biergarten gibt. Ich habe nämlich jetzt mächtig Hunger und Durst. Die Sonne scheint, es ist Nachmittag. Ich finde einen Platz direkt am Wasser, kaufe mir einen Obatzn, den ersten im Biergarten in diesem Jahr, und eine Radlerhalbe.
Dann schicke ich der Kollegin P. eine Nachricht, sie habe mich zum Maisinger See gescheucht, nun sei ich da und wehe, es werde noch einmal gequengelt.
Der Maisinger See ist schnell „abgearbeitet“, es sind vielleicht 200 Meter Ufer, an denen man einen Blick aufs Wasser hat, der Rundweg führt auch hier weit weg vom See und ich habe plötzlich gar keine Lust mehr, den komplett abzulaufen in der Hoffnung, irgendwann auf eine Anhöhe zu kommen, die einen vielleicht über das dicht bewachsene Ufer den See sehen lässt.
Lieber setze ich mich noch einen Moment in die Sonne, schaue den Wolken am Himmel und den Gänsen auf der grünen Wiese zu, die sich allesamt unter Protest erheben und flüchten, als ein kleiner Hund sie wüst anbellt.
Was bleibt, ist ein Fotomotiv, das, seit Charles O’Rear ein ähnliches Motiv aus dem Napa Valley an Windows als Standardbildschirmhintergrund verkauft hat, zu den Stilikonen gehört. Eigentlich eine Kombination aus nichts Besonderem, das wohl jeder mal, der viel draußen fotografiert, nachgeahmt hat.
Zurück am See suche ich nach dem Sprungturm, der wohl auch so etwas wie eine Stilikone ist, zumindest für die ortskundigen Besucher:innen des Maisinger Sees. Frau Kollegin hatte mich extra darauf hingewiesen, trotzdem laufe ich das erste Mal daran vorbei.
Vielleicht, weil mir die Spiegelungen der noch blattlosen Äste im Wasser weitaus spannender erscheinen, vor allem mit dem Himmel, der sich nun zunehmend bewölkt und dem direkten Sonnenlicht nur noch wenig Durchlass gewährt.
Irgendwie fühle ich mich dabei sehr genau beobachtet. Und ich weiß auch von wem.
Besonders scheu sind die Eichhörnchen hier nicht. Sie haben sich an den Trubel vom Biergarten längst gewöhnt und als erbarmungslose Futteropportunisten wissen sie, dass es unter den Tischen immer wieder mal was zu Fressen gibt oder irgendwer von seiner Mahlzeit gern mal was abgibt.
Ob das immer so sinnvoll ist, steht dabei auf einem anderen Blatt.
Vielen Dank fürs Lesen.
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Lese immer wieder gern deine Reiseberichte insbesondere, da ich eine Freundin habe, die gern in kleinen und großen Seen ihre umfangreichen Runden schwimmt.
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ME ist für uns User kostenlos, keine versteckten Kosten. „General Magic“ setzt konsequent auf OSM Karten für weitere Navi Apps. OSM ist kostenlos für Navi Apps, wenn OSM als Quelle genannt wird. „General Magic“ profitiert also von der Arbeit der OSM Kartenmapper. ME ist ein Dankeschön an die OSM Kartenmapper, damit OSM Karten laufend aktualisiert werden.
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Rüdiger