Beton – ganz und gar uncharmant

Müssen wir darüber diskutieren, wie sinnvoll Autobahnen sind?
Vielleicht nicht.
40 Jahre wurde über die Trassenführung der A94, die München mit dem Chemiedreieck Burghausen wie auch Passau verbinden soll, erbittert gestritten. Genützt hat es nichts, das Machwerk aus Beton ist größtenteils fertig gestellt und hat die Landschaft nachhaltig verändert.

Beton - die Autobahnbrücke im Isental

Die meisten Teilstücke werden längst befahren. Errichtet in Private Public Partnership ist das Teilstück, das durch unseren Landkreis führt, mittlerweile einer der unfallträchtigsten Autobahnabschnitte , denn hier wird gerast auf Teufel Komm raus.
Zugleich ist das Stück zwischen Pastetten und Ampfing nur wenige Jahre nach Eröffnung dermaßen ramponiert, dass in Tagesbaustellen immer wieder der Belag geflickt werden muss.
Well done, Leute!

Beton - die Autobahnbrücke im Isental

Still ist es im Landkreis Mühldorf geworden, wo man gegen die Geschwindigkeitsbegrenzung, die wegen der Lärmbelästigung der Anwohner:innen auf 120 km/h, eingeführt wurde, vor Gericht zog und auch gewann. Das Tempolimit wurde wieder aufgehoben. Lieber nimmt man weitete Unfälle, Verletzte und Tote in Kauf, lieber mutet man den Anwohner:innen den Lärm zu. Lieber auch akzeptiert man auf der jetzt schon wesentlich stärker als erwartet frequentierten Autobahn Baustellen zur Belagausbesserung.Beton - die Pfeiler der Autobahnbrücke im Isental

Wer sich mal unter die Brücke der Autobahn im Isental stellt, merkt schnell, welch monströses Ungetüm hier entstanden ist, allen Widerständen und einer sinnvolleren, andere Trassenführung zum Trotz.
Aber es ist müßig, immer wieder das gleiche Lied anzustimmen, dass die Autobahn vielleicht nicht so hätte gebaut werden sollen.
Die Bahn steht und gelegentlich nutze ich sie auch; Richtung Passau allerdings deutlich seltener als Richtung München.
Also trifft auch auf mich das Totschlagargument zu, wie man etwas kritisieren könne, von dem man selbst profitiert.
Für mich heißt das aber nicht, dass man trotzdem Gedanken daran verschwenden könnte und sich selbst kritisch fragen, ob das alles klug war und man aus gemachten Fehlern etwas lernen könnte – so man das in den Verkehrsministerien überhaupt Einsicht in vorangegangene Fehlplanungen hat.
Da wäre zum Beispiel noch immer die Frage nach dem Tempolimit, eine Grundsatzfrage in Deutschland, die entgegen aller guten Argumente angefangen von nachweislicher Reduzierung schwerer Unfälle bis hin zur positiven Auswirkung auf die CO2 Bilanz mit einem ebenso kategorischem wie trotzigem Nein von CDU/CSU, Freien Wählern und FDP abgelehnt wird.

Beton - die Pfeiler der Autobahnbrücke im Isental

Dieses charmelose Etwas aus Beton, an dem ich relativ oft vorbeikomme, will ich fotografieren also halte ich an dem Ungetüm an Autobahnbrücke, das bei Lengdorf über die Isen führt, an.

Beton - die Autobahnbrücke im Isental von unten

Mir fällt ein Werbeslogan ein: Beton. Es kommt darauf an, was man daraus macht. So textete 1985 die Agentur Springer & Jacoby gegen das bröselnde Image der Betonarchitektur an.
Das war in der Zeit, als es plötzlich gar nicht mehr so chic war, überall Betonklötze hochzuziehen, Menschen, Büros und Universitäten dort einzuquartieren und sie dann dem tristen Grau zu überlassen.
Es gibt meiner Meinung nach wenig Architektur, die abstoßender wirkt, als ein in die Jahre gekommener Betonbau, der verwittert und veralgt ist, mit Kalkausblühungen und irgendwelchen unansehnlichen Sprühereien übersehen.
Beton klotzt noch heute, weil es offensichtlich noch immer egal ist, was man draus macht; Graffiti Flächen zum Beispiel.
Beliebt im Landkreis sind mehr oder weniger gut gemachte Fanbekundungen für den FC Bayern oder den TSV 1860, wobei man gern die Sprayereien der jeweils anderen Mannschaft übersprüht und verunstaltet.
Noch ist davon unter der Brücke über die Isen nichts zu sehen. Aber es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Tags auf dem Beton erscheinen und dieser an den Stellen mit Dauernässe zudem den charakteristisch sympathischen Grünschimmer bekommen wird. Man kann schon erkennen, wo das sein wird.
Beides ist nahezu unvermeidlich wie auch die Ansammlung leerer Flaschen, Plastiktüten und sonstigem Müll, dessen Ablagerung zwar unter der Brücke (wie auch sonst überall) verboten ist, aber so etwas hat noch nie funktioniert.

Beton. Es kommt darauf an, was man daraus macht.
Das ist ganz schön zynisch, wenn man bedenkt, was Beton aus diesem Flusstal gemacht hat: Einen ganz und gar trostlosen Ort.
Eine Charmeoffensive zumindest funktioniert ganz anders!

Beton - die Autobahnbrücke im Isental


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1 Antwort

  1. Servus Lutz, ich kenne die Strecke vom Befahren, A94, eine Geschichte für sich. Von unten habe ich sie noch nie betrachtet. Gelungener Perspektivenwechsel!
    Beste Grüße
    Buddy Müller