250 Stationen an einem Tag?

250 Stationen an einem Tag?
Doch von Anfang an:

Der Kommentar der Berliner Bloggerin Clara Himmelhoch zu meiner Liste meiner Lieblingswörter hat es es in sich. Vier Wörter nur, die aber einiges an Wucht haben: „Ganz großes Kino in Worten!“.
Das ehrt und freut mich ungemein, jedes Feedback ist willkommen, denn es zeigt, dass irgendwer irgendetwas hier gelesen hat. Und wenn das Feedback dann auch noch so ausfällt, bilde ich mir ein, mit einem Beitrag, Text, Foto… nicht nur einige Emotionen ausgelöst zu haben sondern vielleicht auch Bilder im Kopfkino der Lesenden erzeugt zu haben. Kino halt. Manchmal ganz Großes.
Als ich den Kommentar lese und freischalte (jeder Kommentar hier wird händisch geprüft und freigeschaltet, um Spam, soweit nicht automatisch gefiltert, wie auch justiziable Inhalte von der Seite fernzuhalten), klicke ich auf Claras Blog, abonniere ihn und lese von ihrer wunderbaren Idee, in Berlin alle U-Bahnhöfe zu fotografieren. Ein Projekt, das ich hoch spannend finde, erinnert es mich doch an dem hochambitionierten Projekt der Internetseite RailwayStations, möglichst Fotos von allen Bahnhöfen Deutschlands zu sammeln, ein Projekt, dem ich einige Bilder beisteuern konnte.
Mittlerweile hat sich das weit über die Grenzen Deutschlands ausgedehnt. Bahnhofsfotos werden dort jetzt aus vielen Ländern gesammelt.

Ein wenig erinnert es mich auch an meine Seen-Sammelsucht, möglichst viele Seen hier in meiner Region abzuklappern, dort zu schwimmen und zu fotografieren. Die hundert werde ich dieses Jahr vollmachen. Vielleicht ist es allzu menschlich, in solchen Dingen eine Herausforderung anzusehen, eine Challenge, wie man heute sagt.

Einer der besten Challenges dieser Art, die ich eigentlich auch in den Mediatipps hier vorstellen könnte, schildert der britische Autor Keith Lowe in seinem Roman Auf ganzer Linie (Originaltitel: Tunnel Vision). Erzählt wird die Geschichte einer absurden Wette. Am Tag vor seiner Hochzeit will bzw. soll Andy innerhalb der 19 Stunden Betriebszeit alle (damals) 256 Stationen der Londoner U-Bahn abklappern. Nur per U-Bahn natürlich und mit Beweisfotos. Also macht er sich morgens um 5 Uhr auf, gerüstet mit Kamera, Verpflegung und Tageskarte.
Als Wetteinsatz hat er die Eheringe eingebracht. Und damit steht er vor dem Riesenproblem. Wenn er es nicht schafft, wird Kumpel und Wettpartner die Ringe nicht wieder herausgeben. Was ein Spiel.

Es ist eine Idee, die (auch ohne Wette) einen gewissen Reiz hat. Seit ich Auf ganzer Linie gelesen habe, erwische ich mich hin und wieder in der Münchner U-Bahn, wie ich auf den Netzplan starre und überlege, wie man dies auch in München machen könnte. Claras Ansatz, alle Berliner U-Bahnhöfe abzuklappern und zu fotografieren ist ähnlich. Aber da geht es um die Fotos, nicht um das Abklappern, und schon gar nicht alle an einem einzigen Tag. Denn das ist illusorisch. Raushüpfen und Fotos machen würde bedeuten, die Bahn fahren lassen, auf die nächste warten. Da wird man nie fertig…

Foto in schwarz/weiß: Anfahrende S-Bahn am Münchner Hauptbahnhof vor leerem Bahnsteig.

Also fahren, fahren, fahren, und aus dem Fenster nach draußen fotografieren.

Wo anfangen? Wie parallele Streckenführungen möglichst vermeiden? Wo umsteigen?
Da München um einiges kleiner ist als London, müsste man die S-Bahn mit einbeziehen. 100 Stationen und etwa 100 Streckenkilometer wären sonst etwas wenig. Mit der S-Bahn kämen weitere 444 Kilometer und 150 Stationen hinzu.
Das würde bedeuten: 250 Stationen: 544 Streckenkilometer, abzuklappern von etwa morgens 4 Uhr bis 2 Uhr nachts, natürlich an einem Wochenende, da hat man eine Stunde mehr Betriebszeit, sollte es eng werden.Das wäre dann fast wie bei Keith Lowe, nur eben, dass er mit 19 Stunden planen musste, und ich 22 Stunden hätte.
Geht das? Die sternförmige Struktur des S-Bahnnetzes führt überwiegend zu „Dead Ends“, so dass man fast immer die gleiche Strecke zurück zu den Knotenpunkten fahren muss. Wie blöd. Von einem Endpunkt wie Kreuzstraße zu einem anderen wie Holzkirchen mit der Bayerischen Regiobahn zu fahren dauert etwas mehr als 5 Minuten. Mit der S-Bahn zurück über Giesing ist das unter einer Stunde nicht zu schaffen – vorausgesetzt, man hat sofort einen Anschlusszug und muss nicht ewig lang auf dem Bahnhof warten. Aber das wäre ein Regelverstoß. Das wäre es doch, oder?

Es kommen weitere Fragen auf: Sollte man Verpflegung mitnehmen oder auf den Umsteigebahnhöfen kaufen? Mitzunehmen wären Handy, Kamera, Powerbank, Bahnhofsliste zum Abhaken, Streckenplan auf Papier… was braucht es noch?
Einen ausgeklügelten Plan, ein Konzept, ein Notizbuch und enorm viel Koffein. Und zack: Schon bin ich im Kopf mitten in der Planung. Beruhigend: Das ist schon seit Jahren so. Realisiert habe ich es nie. Will ich das überhaupt machen? Einen ganzen Tag, 22 Stunden in U- und S-Bahnen durch München, unter der Stadt hindurch und in die Umlandgemeinden zu fahren? Wozu?
Weil ich es kann, weil ich es wissen will, weil es eine Challenge ist, die mich reizt? Hab ich nichts besseres zu tun, kann ich nichts Sinnvolleres mit meiner Zeit anfangen?

An sich ist das eine vollkommene Schwachsinnsidee, das gebe ich gerne zu. Also perfekt für mich. Es bedarf dabei nicht mal eines Wetteinsatzes, die Neugier, ob es geht oder nicht, ist Triebfeder genug.

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Ich fürchte: Irgendwann, noch bevor die zweite Stammstrecke fertig ist und eröffnet wird, könnte ich diese vollkommen abstruse Idee wirklich in die Tat umsetzen: „Der MVV – unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 202x. Dies sind die Abenteuer eines Irren, der 22 Stunden lang unterwegs ist, um neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Lichtjahre von zu Hause entfernt, dringt er in Landkreise vor, die nie ein Mensch Zugroasta zuvor gesehen hat.“

Budil: U-Bahnhof Poccistraße

Also Fürstenfeldbruck, Dachau, Ebersberg, Wolfrats- und Petershausen, Gelten- und Mammendorf und so weiter und so weiter.

Soll ich?
Soll ich nicht?
Mal Clara fragen.
Und Sie, werte Leserinnen und Leser


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6 Antworten

  1. Kurt Schaller sagt:

    Na klar sollst Du.

  2. Axel sagt:

    Nimm den Tag im Herbst mit der Zeitumstellung. Dann hast Du evtl. noch eine Stunde mehr. :-)

  3. Huch – fallen heute Weihnachten und Ostern auf einen Tag? Ich blogge seit 2009 und habe in dieser Zeit viel Gutes, aber auch weniger Gutes erlebt – und manche „Arschlöcher“ sind nicht nur am Dienstag aktiv geworden. – Und deine Erwähnung meines Blogprojekts gehört zu den angenehmen Überraschungen!
    Du schreibst: „Claras Ansatz, alle Berliner U-Bahnhöfe abzuklappern und zu fotografieren ist ähnlich.“ Du schwindelst oder hast den Anfang des Projektes nicht RICHTIG gelesen. Google sagt mir, dass Berlin 173 U-Bahnhöfe hat, die anderen alle will ich mal nicht beachten.
    Ich habe aber nur 30 = in Worten dreißig besucht und mich in der Umgebung umgesehen. Und diese Auswahl ist ja noch nicht mal auf meinem Mist gewachsen, sondern war eine RBB-Sendung, die ich mir einige Male angesehen habe, um mir ihr konform oder eben nicht zu gehen.
    Offenbar hat es auch anderen gefallen, auch mir.
    Eine Hamburger und eine Münchner Bloggerin haben tatsächlich schon überlegt, ob sie was Ähnliches machen – du hättest also Konkurrenz – aber vielleicht beschränkst du dich doch ein wenig.
    Warum muss ich mich denn jedes Mal komplett neu anmelden – und das hat nichts mit einem sofortigen Freischalten eines Kommentars zu tun. – Na gut, die Vorgaben erscheinen ja gleich beim ersten Buchstaben. – Im Alter ist Frau doch immer bemüht, ein wenig Zeit zu sparen für Dinge, die eventuell wichtig sind.
    Lieben Gruß aus Berlin-Tempelhof

  4. Seit vielen Jahen habe ich ein ähnliches Projekt im Gedankengepäck: Ich will eine Zugreise zu vergessenen Orten einer alten Radioskala machen. Geheimnissevolle verrauschte Orte meiner Kindheit, die irgendwo auf der Mittelwelle liegen: Pressburg, Beromünster, Hilversum, Hörby, Morside, Kuldiga, Norddeich, … Und auf Langwelle lagen Orte wie Kalundborg, Chabarowsk, Leningrad und Stalinabad. Viele heißen heute natürlich anders. Stalin und Lenin funken nicht mehr. Von den linken Helden funkt nur noch Luxemburg 😉 Ml sehen. Irgendwann wird das was. Wird wohl eine längere Fahrt. Und ein Buchprojekt. Und eine lange Reise durch den stillen Äther.

    • Lutz Prauser sagt:

      Auch eine wunderbare Idee – einmal kreuz und quer durch die Welt. Ich würde mich freuen, davon zu lesen.