Blogparade ‚Wie weit darf Bildbearbeitung gehen?‘: Alles ist manipuliert
Im Blog der deutschen Muslima lese ich einen Beitrag zur Blogparade „Wie weit darf Bildbearbeitung gehen“ – veranstaltet von Melanie und Thomas und ihrem Blog reisen-fotografie.de.
Ich zögere, ob ich mich da beteiligen soll, lese die Leitfragen und überlege, was ich wohl antworten würde. Schließlich ist mein Blog eher textlastig, weitaus bebilderter geht es im Schwimmblog zu. Müsste ich dort nicht eher antworten als hier?
Nein. Das Thema passt nun gar nicht in den anderen Blog. Also schreibe ich hier ein paar Zeilen und gebe meine Gedanken dazu wieder. Auch, wenn ich eigentlich weder Fotograf noch Grafiker bin.
Jedes Bild ist manipuliert
Der erste Schritt der Bildbearbeitung ist schon gemacht, wenn ich ein Foto anfertige. Zwinge ich zum Beispiel Gegenlicht ins Motiv?
War der See so golden, wie es den Anschein hat?
Werfe ich mich mitten in der Macchia auf die Erde, um ein kleines Tier in Augenhöhe zu fotografieren, damit es viel größer erscheint als bei der „normalen“ Perspektive des Menschen von oben?
Wie nah gehe ich ran, welchen Ausschnitt wähle ich, was lasse ich weg?
Der zweite Schritt folgt, in dem ich aus hunderten von Fotos auswähle, welches ich überhaupt herzeigen will. Dabei geht es ja selten darum, welches Bild die Wirklichkeit möglichst genau wiedergibt, sondern welches Bild sie so zeigt, wie ich das will. Oder welches Bild den Betrachter möglichst begeistert (und ihm vielleicht Lob und Bewunderung für den Fotografen abringt).
Bildmanipulation bzw. -composing fängt hier schon an, wenn ich das Tier nicht dort fotografiere, wo ich es finde, sondern hochhebe und so platziere, dass ich es entsprechend meiner Bedürfnisse stilvoll in die Landschaft drapiere…. oder dass ich es als Fotograf dorthin setze, wo ich genug Platz habe, um es ausgiebig und von allen Seiten zu fotografieren.
Ob ich meine Bilder nachträglich bearbeite?
Ja.
Eigentlich ist fast jedes Foto, das von mir eröffentlicht wird (wo auch immer, ob im Blog, auf Facebook oder sonstwo) bearbeitet.
Das fängt mit der Begradigung des Horizonts an. Meist hängt der bei mir um 1,5 bis 2,5° schief. Das ist etwas, was mich kolossal stört.
Farben, Tonwerte und Kontraste werden bei Bedarf korrigiert. Nicht selten ist der gezeigte Ausschnitt ein anderer als der fotografierte. Am Besten lässt sich meine Manipulation durch ein Unterwasserkamerafoto von einem Frosch zu demonstrieren.
Das Foto entstand vor einigen Jahren. Es verlangte von mir enorme Geduld, da diese Tiere eine relativ hohe Fluchtdistanz haben. Trotzdem konnte ich das Foto im trüben, seichten Wasser fotografieren. Ich kniete am Ufer, ließ die Hand ganz langsam ins Wasser gleiten, richtete das Objektiv auf den Frosch ohne irgendeine Kontrolle auf dem Display, was ich letztlich fotografiere. So entstanden rund 40 Bilder. Durch eine ruckartige Handbewegung aufgeschreckt verschwand der Frosch schließlich im Schilf.
Meine Beute: Ein Foto, auf dem der Frosch halbwegs so zu sehen ist, wie ich mir das gewünscht habe. Und rund 39 Bilder, die ich gelöscht habe.
Die hohe Datenmenge des Fotos erlaubte es mir, einen Ausschnitt zu wählen und diesen dann durch diverse Korrekturschritte zu verändern, so dass das Wasser längst nicht mehr so trübe iat, wie es in Wirklichkeit war. Schließlich wollte ich den Frosch und nicht die Schwebstoffe zeigen…
Es ist das gleiche Bild – und doch ein anderes.
Für mich gibt es zunächst mal keine Grenzen der Bearbeitung, außer meine eigenen fehlenden Fähigkeiten bei der Verwendung von Photoshop.
Die meisten meiner Fotos dienen nur der Illustration meiner Blogtexte, haben also keinen Anspruch auf eine halbwegs ehrliche journalistische Abbildung der Wirklichkeit. Manchmal aber möchte ich das, was ich sehe, möglichst genauso zeigen, wie es war, da bleibt sogar der Horizont schief, in diesem Fall ist er etwas nach rechts geneigt.
Ein Bild halte ich dann vorzeigbar, wenn ich meine, dass es das ist. Und nur dann. Mit oder ohne Bearbeitung. Von Professionalität bin ich meilenweit entfernt und möchte das von mir auch nicht behaupten.
Gelegentlich aber experimentiere ich nur aus Spaß mit meinen Fotos oder gebe mir ein Ziel der Manipulation.
Das folgende Bild wollte ich zu einem „Gemälde“ machen und habe es schrittweise verändert. Auf die vorprogrammierten Filter konnte ich dabei gut verzichten. Für den Hausgebrauch reicht’s allemal..
Manchmal gefällt Betrachtern das Originalbild besser als das bearbeitete und manchmal eben nicht. Das hindert mich aber nicht daran, mal mehr mal weniger starke Farbkorrekturen vorzunehmen, um die Bilder mehr der Wirklichkeit anzupassen oder das herauszuheben, was ich zeigen will. Denn die Kameras sind einfach zu oft damit überfordert, wenn Gegenlicht ins Spiel kommt oder Bilder zum Beispiel unter Wasser entstehen. Das Originalselfie (selten genug, dass ich das zeige) schaut so aus:
Und so sieht eine mögliche nachbereitete Variante aus (es gibt untershiedliche):
Letztlich entscheide ich nach meinem persönlichen Geschmack, welche Variante ich ins Netz stelle. Natürlich hoffe ich, dass es den Bloglesern (oder wo immer ein Bild erscheint) gefällt und es zum Betrachten einlädt. Für mich zählt nicht die Frage, ob das Gezeigte der Realität entspricht oder im Bildbearbeitungsprogramm verändert wurde. Das gilt auch vor allem für Fotos von Profis, die ich sehr gern anschaue.
Deren Genialität liegt vor allem darin, mit wachen Augen unterwegs zu sein und das Motiv als solches zu erkennen. Dazu gehört, ungewöhnliche Perspektiven zu finden, den Blickwinkel auf Bekanntes und Alltägliches so zu ändern, dass das Neue, Interessante, vielleicht auch Absurde, sichtbar wird.
Übrigens: Es ist ein Irrtum zu glauben, dass man zwangsläufig mit einer guten Kamera und guter Nachbereitungssoftware tolle Bilder machen kann. Ohne Frage: Gutes Equipment hilft. Aber es ist nicht alles.
Manchmal muss man einfach Glück haben und manchmal den Ruf der inneren Stimme hören, nachdem das Hirn das soeben Gesehene ausgewertet hat: „Hallo. Hier ist ein stimmungsvolles Motiv – fotografiere es. Jetzt.“
Dafür gibt es nämlich noch keine App. Soweit ich weiß…
Vielen Dank fürs Lesen.
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Danke für´s erwähnen! Ich stimme dir absolut zu. Interessant ist der unterschiedliche Ansatz. Bei der Frage nach Bildbearbeitung gehe ich von der Bearbeitung eines vorhandenen Bildes aus, während du schon das erstellen des Bildes dazu rechnest. Aber da hast du natürlich Recht: alles ist manipuliert
Guten Morgen Lutz,
vielen Dank für Deinen Beitrag zu unserer Blogparade.
Ich finde es sehr gut, dass Du bereits den Prozess des Fotografieren als Bildmanipulation beschreibst. Denn genau so ist das. Jeder von uns hat vermutlich zahlreiche Fotos auf dem Rechner liegen, wo man die veränderte Bildaussage erkennen kann, nur weil man mal einen Schritt nach Links gemacht oder in die Hocke gegangen ist.
LG Thomas
Die EBV, also die „Elektronische Bildverarbeitung“‚, beginnt schon direkt hinter dem Kamerachip. Neben den zahlreichen Einstellmöglichkeiten durch den User innerhalb der Kamera (Schärfe, Sättigung etc.) erzeugt die kamerainterne Firmware bereits eine eigene Charakteristik, selbst ein Bild im RAW-Format ist keineswegs „objektiv“. Und Bildmanipulation gab es schon immer, beispielsweise durch „Abwedeln“ etc. in der Dunkelkammer oder mit dem Retuschepinsel geschickter Fotolaboranten/Innen. So gesehen gab es nie ein „objektives“ Foto.
Genauso ist es.
Aber die Frage nach der Bild(nach)bearbeitung einer Datei ist m.E. zu kurz gedacht…
Hallo Lutz,
tolles Beispiel mit deinem Frosch im Wasser. Auch ich habe nun meinen Beitrag zur Blogparade geleistet. Zu Lesen auf szWebBlog.com.
Lg Stefan von Quer durch den Alltag mit szWebBlog.com
Ja, ja, der Fotograf ist auch der Manipulant – sobald er die Kamera zückt hat er nichts anderes im Sinn :-)
Der Maler hingegen ist Künstler und bei ihm ist die Manipulation ein Teil der Kunst.
Oder ist die Fotografie ist die Kunst des Weglassens und die Manipulation nur bestimmte Dinge zu Zeigen ist am Ende doch Kunst???
Ach wir sind schon ein komisches Volk, was??? ;-)
Ich sehe es auch so wie du es zwischen den letzten beiden Bildern beschreibst!
Vorsicht – jetzt wird es fast schon philosophisch:
Der Vergleich mit dem Maler ist äußert klug. Ein Künstler bildet m.E. die Wirklichkeit nicht ab, und wenn er sich noch so sehr dem naturalistischen Stil verschrieben hat. Ein Künstler interpretiert sie. Und dessen ist er sich bewusst. So entsteht ein Kunstwerk, dass die Sicht seines Schöpfers auf das, was es darstellen soll, zeigt.
Beim Fotograf ist es nicht anders. Auch er interpretiert mit seinem Foto das, was er gesehen hat. In dem Moment, wenn er sich entscheidet, was er fotografieren will und wie, fließt schon seine Persönlichkeit (Auswahl ds Motivs, Perspektive…) in das Bild mit ein und enthebt es der „objektiven Darstellung“. Das schaffen nur seelenlose Blitzmaschinen am Straßenrand oder auf der Ziellinie bei Sportwettkämpfen.
Mit geht es darum, aufzuzeigen, dass nach meinem Verständnis die Nachbearbeitung eines Bildes nur die bewusste und zielgerichtete Verlängerung eines gestalterischen Prozesses ist, der eigentlich schon damit anfängt, dass ich entscheide, ob ich z.B. eine Kamera mit auf einen Ausflug nehme, weil ich hoffe, etwas Fotografierenswertes zu entdecken und ergo auch gezielt meinen Blick danach schweifen lasse… Mit der Kamera im Rucksack schaue ich schon ganz anders auf meine Umgebung als ohne. Alles weitere ist nur die legitime Folge daraus.
Dessen sollte ich mir bewusst sein, wenn ich Bilder mache, aber auch genauso, wenn ich mir Bilder von anderen anschaue.