Augen auf bei der Spindwahl – mit Renate im Museum
Des öfteren war in diesem Blog schon zu lesen, dass meine Frau und ich gelegentlich in Museen und Ausstellungen gehen, uns bilden, inspirieren oder verzücken lassen von Kunst und Kultur, Natur und Technik, Geschichte und Gedöns, was eben alles so Museumsreife hat und uns beide einigermaßen interessiert.
Ich gebe zu, dass ich mit einem Auge auch immer auf das Publikum schiele. Nichts ist so erquickend, wie zwischen lauter Exponaten lebendige Menschen schlendern zu sehen und schwafeln zu hören. Und selten, dass ich nicht aus den Museen die eine oder andere Beobachtung mitbringe, die dann gebührend verbloggt wird und mich bisweilen wegen mangelnder political correctness den Ruf einbringt, ein Chauvinist zu sein. Als könne ich etwas dafür, wenn vornehmlich meine museumsbegeisterten Mitmenschen weiblichen Geschlechts sonderbare Verhaltensmuster entwickeln, überhaupt mehr Frauen als Männer die Musentempel betreten. Aber es gibt natürlich auch Männer in Museen. Und auch die können mir bisweilen gewaltig auf den Sack gehen… Hier zum Beispiel wurde davon berichtet.
Immer jedoch hoffe ich, in den flanierenden Museumsbesuchern auf Renate zu treffen. Denn neben der wunderbaren Schaustücke, für die ich eigentlich hergekommen bin, sind es natürlich Menschen à la Renate und Harald, sofern ein solches Paar vor Ort ist, die die Fahrt in die große Stadt und den Eintritt wert sind.
Leider sind Renate und Harald eher selten in den Museen der Hochkultur zu finden, denn dort verhält man sich eher zurückhaltend und diskret (zumindest, was man dafür hält). Man versucht nicht, durch lautes Geschnatter die anderen Museumsbesucher in ihrer kontemplativen Versenkung oder Bildungsaneignung zu stören und putzt schon gar nicht den begleitenden Ehemann vor Publikum nieder. Und das kommt Renates Naturell so gar nicht entgegen. Kenner der Materie wissen, was ich meine.
Dabei ist es nicht so, dass Renates kategorisch nicht in Museen gehen. Nur in den Sälen sind sie überraschend ruhig. Umso lauter bricht es dann im profanen Teil des Gebäudes aus ihr hervor, dann nämlich, wenn Renate weder mit der Wahl noch mit der Beladung des Garderobenschränkchens zufrieden ist. Dabei hatte Harald sich das alles in den Katakomben des Museums, bei Klo und Garderobe, Schließfach und Personalräumen so gut ausgedacht.
Und so treffe ich die beiden vor den Schränken eines Museums, als Harald sich gerade herunterbückt, einen Euro in die Schranktür wirft, um diesen für seine Jacke in Beschlag zu nehmen.
Renate, die selbstverständlich davon ausgeht, dass die beiden sich das kleine untere Schränkchen teilen, ist dementsprechend sauer. Derweil ich mich aus meiner Jacke schäle werde ich Zeuge eines Schauspiels, das geradezu mustergültig ist. Da sich meine Frau schnell noch auf die Toilette verdrückt (Renate war schon), habe ich alles Recht der Welt, hier zu stehen und zu warten. Und zu lauschen.
„Mensch Harald, den doch nicht!“, herrscht sie ihn an, denn sie ist mit der Spindwahl ihres Mannes ganz und gar nicht einverstanden. „Da muss man ja auf der Erde herumkriechen, wenn man das was reintun will!“
„Du kannst doch einen weiter oben nehmen!“, ächzt er aus vorgebeugter Stellung und legt seinen Schal in den Schrank.
„Was für ein Unfug!“, erwidert Renate scharf. „Ein Schrank reicht doch für uns beide. Wir müssen ja nicht weitere blockieren!“
Was an sich sozial gedacht ist, erweist sich angesichts von knapp hundert weiteren ungenutzten Schränken als vollkommen unnötig. Renate, die Harald von vorneherein dieses naheliegende Argument, dass das Teilen des Schranks nicht erforderlich ist, entkräften will, legt sofort nach: „Wir nehmen doch immer einen Schrank gemeinsam!“
„Können wir ja so machen,“ erwidert Harald mutig, denn er gibt ein Widerwort. „Tu halt Deine Jacke zu meiner.“
„Und warum nimmst Du dann einen von den unteren?“ kontert Renate schnippig. Harald zuckt nur mit den Schultern, schließt die Tür und dreht den Schlüssel.
„Sag mal, rede ich eigentlich gegen eine Wand?“ Renate hat Haralds Absicht wohl nicht begriffen, denn er dreht im gleichen Moment den Schlüssel zurück und nimmt die herausgefallene Euro-Münze wieder in Empfang. Anders wäre er nicht mehr an das Geld gekommen.
Dann legt er seine Jacke in den deutlich größeren Garderobenschrank direkt darüber.
„Wenn Du Deine Jacke so da reinstopfst, wo soll ich dann bitte meine hintun?“
Verzweiflung macht sich in Haralds Gesicht breit.
Kaum hat Renate ihre Softshelljacke ausgezogen und zusammengefaltet, tritt sie vor den Schrank.
„Was sag ich?“ faucht sie. „Voll!“
Sie zerrt Haralds Jacke heraus, legt sie demonstrativ zusammen und schiebt sie zurück in den Schrank. „Siehst Du? So macht man das.“
Mit der flachen Hand schlägt sie leicht auf die zusammengelegte Jacke, dann deponiert sie ihre eigene obenauf. Harald sieht dem Geschehen regungslos zu.
„Meinst Du, ich kann die Handtasche mit reinnehmen?“
„Woher soll ich das wissen? Ich war noch nie mit einer Handtasche im Museum!“, flackert der letzte Funken rebellischen Geistes in Harald auf. Das war ein Fehler.
„Lass sie besser hier!“ schiebt er schnell nach, doch es ist zu spät.
„Was für eine saublöde Antwort!“, faucht Renate ihn an. „Die hättest Du Dir auch sparen können. Natürlich warst Du noch nie mit einer Handtasche im Museum. Das weiß ich selbst.“
Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, zieht sie los. „Also so was Bescheuertes… Hat man Worte?“ hört man sie noch, als sie die Treppe hinaufsteigt.
Er sperrt den Spind ab und folgt. Die Schultern und Mundwinkel hängen dem stets bedauernswerten Mann hinab bis auf die Kniekehlen, der Gang ist schwer. Wünscht er sich, in diesem Augenblick ganz woanders zu sein?
Wenn ja – ich könnte es ihm nicht verdenken.
Zwei Minuten später sind sie wieder da. Renate ist außer sich, Harald nur noch schweigsam. Aber ich ahne ein leichtes Grinsen der Genugtuung in seinem Gesicht,
Die Handtasche musste wohl doch eingeschlossen werden. Der Mann, der die Karten abreißt, hat sie zurückgeschickt.
Die Tasche ist zu groß. Vorstellbar, dass sie da etwas aus dem Museum heraustransportieren will, was sie nicht darf.
Oder etwas hinein?
Vielleicht darf sie die Tasche wegen der darin enthaltenen Vollkornriegel nicht mitnehmen. Recht so, dass die Tasche draußen bleiben muss.
Wo kämen wir denn dahin?
Picknick im Museum?
Das geht ja gar nicht.
Hach, was wären wir ohne Renate und Harald?
PS: zur Wahrung der Anonymität verwende ich in diesem Beitrag Bilder, die ich an einem anderen Tag, in einer anderen Stadt und damit auch in einem anderen Museum aufgenommen habe. Bitte sehen Sie mir das nach.
Und: Augen auf bei der Spindwahl!
Vielen Dank fürs Lesen.
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