Spaziergänge (#11) – Sonntags an der Sempt
Ich weiß gar nicht, wie oft ich schon von der Sempt geschrieben habe, aber es zieht mich immer wieder an das Tal dieses kleinen Flusses, der bei Markt Schwaben durch den Zusammenfluss der Forstinninger und Anzinger Sempt entsteht (auch gab es einen Spaziergang), Erding durchquert und irgendwann in der Nähe von Moosburg im Isarkanal mündet.
Im Sempttal zwischen Wörth und Altenerding waren wir oft spazieren oder mit dem Fahrrad unterwegs. Das ist quasi ein Homerun. Und nicht zuletzt fließt die Sempt ganz nah am Wörther Weiher vorbei, den ich Sommer für Sommer zum Schwimmen aufsuche. Da kommt man zwangsläufig an den Fluss.
Bei einem novembrigen Sonntagsspaziergang, für den ich den Besuch im Erdinger Hallenbad habe sausen lassen, starten wir am Weiher, folgen dem Weg nach Norden, bis wir an der Picknickbank des Altenerdinger Verschönerungsvereins kehrt machen. Das letzte Stück führt nur noch zwischen freien Feldern hinter dem Aufhauser Gewerbegebiet hindurch und ist relativ eintönig, das wollen wir uns sparen. Etwa dreieinhalb Kilometer ist ein Weg lang – so kommen wir auf insgesamt auf 7 Kilometer, das ist genug für einen Sonntagsspaziergang.
Den Hinweg grabe ich meine Hände tief in die Taschen, es weht ein kalter Wind, ich bin etwas überrascht, dass das Schaf (wie ich meine Schafwolljacke nenne), winddurchlässig ist. Immer wieder fröstelt es mich, die Sonne wärmt nicht wirklich.
Mittlerweile hat der Herbst das Land sehr verändert, der Winter steht vor der Tür.Zur Überraschung meiner Frau lasse ich das Handy und damit die Kamera in der Tasche, Sie denkt, dass ich Angst habe, mir die Finger abzufrieren und deshalb keine Fotos mache. Was einigermaßen untypisch ist, denn kaum ein ausgiebiger Spaziergang, der nicht mit einer Fülle an Bildern endet, von denen einige hier im Blog landen. So ist es immer: Spazieren statt Schwimmen gehen führt dazu, Impressionen zu sammeln, Bilder zu machen und das Ganze im Blog zu veröffentlichen.
Mit macht es Spaß und vielleicht weckt es bei den Leserinnen und Lesern auch ein wenig die Lust am Draußen-Sein.
Regennasse, trübe, dunkle Tage kommen schließlich noch genug.
Die Wahrheit, warum ich auf dem Weg zur Bank keine Fotos mache, ist freilich eine andere. Wir werden den gleichen Weg zurückgehen – mehr oder weniger Richtung Süden, damit in die Sonne hinein und ich will dann Bilder machen. Auf dem Hinweg habe ich bereits überlegt, welche Motive es sein sollen, wo ich Halt machen und die Hände samt Handy aus den Taschen holen werde. Flüchtige Blicke nach links und rechts. Blickachsen, Details, was soll es sein?
Dass wir der tief stehenden Sonne entgegenlaufen, kommt mir besonders zupass, denn ich liebe es, mein kleines chinesisches Gerät, mit dem man angeblich sogar telefonieren kann, mit hartem Gegenlicht herauszufordern.
Noch größer aber als in die Sonne hineinzufotografieren, ist das Verlangen, dass sie sich gleichzeitig im Wasser reflektiert. Offen gestanden: Ich sehe auf dem Display dann nichts, mache einen Riesenschwung Bilder und werte das Ergebnis erst daheim aus. Und ich kann sagen: Bei diesem Sonntagsspaziergang ist die Beute nicht schlecht. Einiges kann sich sehen lassen:
Den Kühen, die auf der anderen Seite der Sempt im Gras liegen, ist die Knipserei egal – sie geben sich vollkommen unbeeindruckt, dass da einer mit dem Handy in der Hand durchs frisch gepflügte Feld stakst, fast die Böschung herunterrutscht und auf dem Hintern landet, nur um sie mit im Bild zu haben. Aber was tut man nicht alles für ein Foto?
Man weicht vom Wege ab, klettert auf Baumstümpfe und Steine, stapft durch Böschungen und Unterholz, wirft sich fast auf die Erde, rutscht Hänge herunter, stolpert durchs Gestrüpp, streckt die Arme samt Kamera ganz weit hinauf.
Man erträgt gelassen das Kopfschütteln anderer Spaziergänger, die nicht nachvollziehen können, was es dort zu sehen gibt, wenn man mitten auf dem Feld steht – und noch mehr, was es da Besonderes zu fotografieren gibt. Als ginge es mir darum, das Besondere in ein paar Megybytes abzuspeichern. Das zu fotografieren, was alle knipsen (ok, das mache ich natürlich auch).
Aber es ist das Banale, das erst zu etwas besonderem wird, wenn man es ablichtet, und nicht etwa allein, weil man das tut, sondern wie man das macht (womit weniger die Frage der körperlichen Verrenkung als die der Perspektive und des Bildaufbaus gemeint ist). Das Detail, schon hundertmal gesehen, schon hundertmal ignoriert. Bis heute.
Ein paar vertrocknete Schildhalme zum Beispiel.
Und man erträgt geduldig, dass man immer wieder seiner spaziergängerischen Begleitung hinterher hetzten muss. Niemand wartet, niemand bleibt stehen – und das ist auch vollkommen nachvollziehbar. Es geht eben – wie bereits erwähnt – ein eiskalter Ostwind.
Zurück am Weiher ist die Bank unter der alten Weide leer. Die Sonne scheint, das Gehölz hält den Wind fern, es ist angenehm und sogar ein wenig warm. Wir setzen uns nieder und genießen die Sonnenstrahlen. Halt: eben noch ein Foto. Ich habe schon wieder ein Motiv direkt vor der Linse…
Manchmal möchte ich selbst nicht mit mir spazieren gehen.
Eine Liste aller Beiträge der Serie Spazieren statt schwimmen gehen samt Verlinkung finden Sie auf der Unterseite Die Serien dieser Seite im Überblick
Vielen Dank fürs Lesen.
Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, dann freue ich mich, wenn Sie ihn Ihren Freunden weiterempfehlen – z.B. über Facebook, Twitter, in Internetforen, Facebookgruppen o.ä.
Gern dürfen Sie den Artikel auch verlinken.
Entdecke mehr von Mal Zwetschgenmann - Mal Wassermann
Subscribe to get the latest posts sent to your email.
Genauso gehen wir auch Spazieren. Es ist schon ein Kreuz mit den Bloggern….