Sonntag, das ist… (#02) Wenn das Dampfbad kocht

Sonntag, das ist... Vignette

Sonntag, das ist ein Kampf um die besten Plätze. Denn wenn das Wetter eher bescheiden ist, drängt es die Menschen ins hiesige Hallenbad. Handtücher werden ausgebreitet, Liegen reserviert, mitgebrachte Picknicktaschen ausgepackt und dann in wohliger Wärme der Tag genossen. Wer kann es den Menschen verdenken, Trübsal blasen in den heimischen, vielleicht beengenden vier Wänden, ist es ja nun auch nicht. Den ganzen Tag vor dem Fernseher verbringen oder dem Rechner? Nicht doch.
Sonntag ist auch der Tag, an dem das Verhältnis zwischen Schwimmbadbesucher:innen und tatsächlich sich im Wasser befindenden Menschen besonders im Ungleichgewicht ist: Was heißt: m Familien- und Kinderbecken stopft es sich, aber im Schwimmerbecken ist es relativ leer. Gut für mich. Und eine Liege brauche ich nicht unbedingt.
Voll ist auch das Dampfbad, das wohl eigentliche Ziel so mancher Gäste.
Aber willig rückt man zusammen, bis eben buchstäblich kein Handbreit Platz mehr ist.

Es ist sonntags eine Mischung unterschiedlichster Menschen, die hier zusammenkommt. Der türkische Dönermann und seine Kumpel, die russischen Flughafenarbeiter mit ihren Frauen, Giovanni aus Italien, grantelnde Oberbayern, Zugroaste, alt und jung, Männer, Frauen, Kinder.
Einer schlägt leicht im Takt mit seiner Hand aufs Knie? Weiß er, was er tut, oder ist das eine eher unterbewusste Handlung?
Egal. Nach kurzer Zeit, tut es ihm ein Zweiter gleich, nimmt den Takt auf, dann folgt ein Dritter. Es ist irgendwie in einem Musikfilm, bei dem man denkt, dass es dermaßen inszeniert ist und nicht einen Moment glaubt, so etwas mal in Wirklichkeit zu erleben. Aber genauso passiert es.
Der Vierte bleibt im Takt, durchbricht aber den Rhythmus. Das Klatschen wird lauter, die Plaudereien ebben ab.
Und dann springt einer auf. Einer, der Der Perser genannt wird, manche Stammgäste haben bei den anderen Spitznamen. Der Perser, den ich eher Derwisch nennen würde, spannt zwischen den ausgestreckten Armen ein Handtuch. Wie ein Segel saust es über den Köpfen der schwitzenden Sitzenden umher, denn der Derwisch fängt an, sich wie wild zu drehen.
Weitere Leute klatschen oder schnippen im Takt mit den Fingern und plötzlich fängt einer an zu singen. Irgendetwas Türkisches, der Mann stammt aus der Bubble des Dönermanns. Ich weiß nicht, wie er heißt, verstehe nicht, was er singt, aber es ist einfach großartig.
Der Derwisch ändert die Drehrichtung, verwirbelt den Dampf, die Menge ist begeistert, das Dampfbad kocht.

Irgendwann hat der Derwisch mal erzählt, dass er ausgebildeter Tänzer ist und jahrelang Ballett getanzt hat. Daher kann er minutenlang im Kreis wirbeln, ohne dass ihm schwindlig wird. Und das geht offenbar auch bei Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit.
Erst als ihm selbst der Schweiß von der Stirn rinnt, beendet er seine Vorstellung unter donnerndem Applaus.

Was eine Session.

Keine Minute später verlässt der ganze Pulk das Dampfbad, macht Platz für die nächsten.

Was ein Sonntag…


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