Bei den Riesenlauschern in Raisting
Raisting, ein kleiner Ort südlich vom Ammersee. Eine Landschaft in Oberbayern: Sanfte Hügel, eine große Ebene wie eine „Wanne“ darin, in der Ferne die Alpen, die man bei Föhn zum Greifen nah sieht, sonst aber mehr erahnt. Unermüdlich und mit stoischer Ruhe beackern die Landwirte in diesem Vorfrühling die Felder. Es ist ein ständiges Hin und Her ihrer Traktoren. Am Wegesrand steht eine kleine barocke Kapelle, wie es sie zu Hunderten gibt. Sie ist ein begehrtes Spaziergangziel, auch Radfahrer sammeln sich dort zur Pause.
Viel Gegend, wenig Landschaft.
Es würde kaum lohnen herzufahren, auch nicht der Störche wegen, die in Raisting ganz in der Nähe leben. Eine uralte Frau, die vergnügt durch die Sonne ihr Gehwägelchen vor sich herschiebt, weist mich, als sie meine Kamera sieht, extra darauf hin. Ich bedanke mich artig mit einem „Ja, das machen wir“, denke aber gar nicht daran. Störche sind zwar schön anzusehen, aber schwer zu fotografieren, zumindest in ihren Nestern. Und außerdem hat’s Störche auch zwischen Forstinning und Markt Schwaben im Moos, das ist quasi vor der Tür, dafür muss ich nicht ins Fünf-Seen-Land fahren, das ich bisher vom Schwimmen her kenne. Heute aber gibt es einen anderen Grund.
Denn dieses flache Tal zieht nicht nur die Radfahrer, Inliner und Spaziergänger aus den Dörfern ringsum an. Von weither kommen die Leute. Zum Schauen und zum Fotografieren. Aus einem einzigen Grund: Die riesigen Parabolantennen der Erdfunkstelle Raisting.
In den frühen 60er Jahren des vorangegangenen Jahrhunderts wurde die erste errichtet, 1964 wurde sie in Betrieb genommen. Sie steht heute noch, ihre Hülle allerdings wurde bei den Frühjahrsstürmen 2020 zerstört.
Zugseile halten jetzt die Antenne, die unter Denkmalschutz steht. Das Radom-Gebäude wird zur Zeit saniert, ob eine neue kugelförmige Folie über der Schüssel gespannt werden kann, ist ungewiss.
Seit der ersten Antenne wurden viele weitere in verschiedensten Größen gebaut. Sie richten ihre riesigen „Lauscher“ ins Weltall und unterstützen die Satellitenkommunikation, in dem sie Signale auffangen und weiterleiten. Kaum hörbar oder sichtbar bewegen sie sich, um die Satellitensignale bestmöglich auffangen zu können.
Viel mehr will und muss ich über die Funktion und Technik nicht wissen. Ich habe kein Faible für solchen technischen Kram.
Schon eher für Bilder.
Daher fahre ich mit Olaf, einem guten Freund und ausgezeichneten Fotografen, nach Raisting auf Motivsuche.
Und derer gibt es reichlich.
Olaf hatte schließlich die Idee, nach Raisting zu fahren. Eine ganz ausgezeichnete Idee.
Ein wenig surreal finde ich Szenario, futuristisch zum Einen und doch sonderbar antiquiert zum anderen. Die ganze Anmutung der riesigen Antennen ist geprägt von der Betonästhetik der 60er und 70er.
Fast kommt mir das Ganze vor wie ein Set eines Agentenfilms der späten 60er Jahre, irgerndwie unwirklich. Es wäre gut vorstellbar, dass Sean Connery in einem seiner späten echten Bond-Filme hier mit seinem Aston Martin herumkurvt. War aber nicht so. Erst viele Jahre später kletterte sein Nachfolger Pierce Brosnan in Puerto Rico auf dem riesigen Teleskop des Arebico Observatoriums in Puerto Rico herum. Daneben nimmt sich die 25m Durchmesser spannende große Schüssel von Raisting richtig bescheiden aus.
Warum Raisting?
Abends erzählt mir meine Frau, was sie im vergangenen Sommer bei einer fachkundigen Führung mit Kollegen dort in Erfahrung gebracht hat. Raisting wurde tatsächlich als Standort auch aus Gründen der Spionageabwehr gewählt. Die „Raistinger Wanne“ liegt tief im Innenland, ist nicht besonders tief und daher bestens geeignet, die umliegenden Hügel schirmen den normalen Funkverkehr gut ab, die Anlage ist von überall her weithin einsehbar, wer sich dort bewegt. Da hätte sich kein James Bond oder Widersacher unbemerkt nähern können. Kommt dazu, dass im bayerischen Hinterland ein jeder jeden kennt, Fremde wären damals dort sofort aufgefallen. Und ein Aston Martin sowieso.
Es ist eben doch alles nicht so ganz verkehrt mit meinen James-Bond-Phantasien.
Bleibt noch, ein Motiv zu zeigen, dass vermutlich viele Menschen schon einmal gesehen haben. Denn es entstand an einem absoluten Fotohotspot – es bietet sich einfach an, die Kombination aus Kapelle und Antenne(n) vom Fußweg am Filzgraben her aufzunehmen. Denn so machen’s alle.
Leider ist es schier unmöglich an einem solchen Tag die Täuferkapelle ohne Menschen zu fotografieren. Außer nachts vielleicht. Aber da sind nicht nur alle Katzen grau. Die Antennen sind es auch.
Vielen Dank fürs Lesen.
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Also der Ort ist schon lange auf meinem Plan ! jetzt wo ich die Fotos gesehen habe muss ich definitiv hin ! Man kann das glaub auch gut verbinden mit einem Besuch am Ammersee oder Starnberger See. Danke für die tollen Bilder
Ja, es lohnt sich, die Anlage ist wirklich (fotografisch) interessant. In besseren Zeiten kann man auch eine Führung durch einen Verein buchen, obwohl man natürlich nirgendwo reinkommt.
Von Raisting aus ist es ein Klacks zum Ammersee, der Starnberger See ist auch nicht weit. Dazwischen Kloster Andechs.
Oder einfach weiter nach Süden ins Blaue Land, nach Murnau oder weiter zur Zugspitze. Es gibt so viele, viele Möglichkeiten.
danke dir und habe das jetzt definitiv auf dem Schirm !!!
Da war ich schon und habe sogar eine Führung miterlebt. Sehr interessant.
Viele Grüße Traudl
Schöne Fotos!
Für Störche nach Raisiting fahren, muss ja nicht sein, die haben wir auch hier, ich habe sie schon wieder gesehen. Obwohl es auch sein kann, dass sie gleich hiergeblieben sind. In diesen Zeiten reist man ja nicht gerne.
Die James-Bond Geschichte der Raistinger Wanne kannte ich noch nicht, spannend!
Ich war vor ein paar Jahren dort, als es dort einen Kornkreis gab. Der natürlich überirdischen Ursprungs gewesen sein muss. Kann ja gar nicht anders sein:
https://www.auf-den-berg.de/wandern/bayern/der-kornkreis-von-raisting/
Viele Grüße
Uli
Tolle Bilder, die Erinnerungen wachrufen. Dort war ich vor ca. 30 Jahren auch mal.