Kleines Loch, große Wirkung
Nichts bleibt im Netz widersprochen bzw. unkommentiert. Nicht das kleinste Loch.
Ok, fast nichts, um diesen Widerspruch nicht schon im ersten Satz zu provozieren.
Diese Erkenntnis ist nicht neu, und damit stellt sich weniger die Frage, ob in den sozialen Medien ein Post kommentiert wird, als viel mehr von wem und wie. Will sagen: Viele Netzreaktionen sind so vorhersehbar, als seien sie provoziert worden, entscheidend ist nur die Frage, wann sie endlich kommen und wer dafür in die Tasten greift, selbst wenn der Beitrag nur ein wenig erheiternd und satirisch gedacht ist.
Hätte ich zum Beispiel mit dem nachfolgenden Bild ganz lakonisch darauf hingewiesen, dass Saisonstart ist und auch für mich dieses „Endlich wieder draußen schwimmen“ begonnen hat, wäre absehbar gewesen, dass der Eine oder Andere mich darüber informiert hätte, er (sowas machen überwiegend Männer, also ist gendern unnötig) schwimme ja das ganze Jahr draußen. Freibaderöffnungen benötige er nicht, er gehe in den See oder Weiher, egal wie kalt es ist.
Nun. Ich nicht.
Ich geh noch nicht mal ins geheizte Freibad, wenn mir witterungsmäßig nicht danach ist. Auch heute habe ich, das muss ich zugeben, eine Weile mit mir gerungen, ob ich den letzten Badetag im Erdinger Hallenbad verbringe, bevor es den Sommer über schließt, oder ob ich dem Saisonstart im Taufkirchner Freibad den Vorzug gebe. Getreu dem Motto: Wähle weise, für beides gibt es gute Argumente. Ich setze aufs Freibad, verfluche diese Entscheidung während der ersten Bahnen im kühlen Wasser, um mich nachher in der Sonne sitzend umso mehr dafür zu loben, dass ich doch richtig gewählt habe. Und dann das:
Wenn Du nach dem Schwimmen beim Aufhängen der Badehose ein Loch an pikanter, rückseitiger Stelle entdeckst.. Na ja, nennen wir es Dunstabzug und dann landet die Hose im Müll. Fängt schon mal gut an, die Freibadsaison.
So melde ich es der weltweiten Netzgemeinde. Dazu zeige ich das Bild einer gerissenen Naht, und um das Loch sichtbarer zu machen, strecke ich eine Hand in die Hose. Danach schmeiße ich sie weg.
3…2…1
Schon fühlt sich ein Dutzend Menschen genötigt, das zu kommentieren. Der Witz hat funktioniert. das merke ich an mancher Reaktion.
Aber es wird auch wie von mir erwartet kritisierend belehrt. Vor allem Frauen (willkommen mal wieder in der Geschlechterfalle!) fühlen sich genötigt, mich darauf hinzuweisen, das sei doch in zwei Minuten genäht, sowas gehöre geflickt, repariert… – was ich lakonisch mit einem „Nö!“ beantworte.
Oder ich verweise darauf, dass wegschmeißen schneller geht als reparieren; vor allem, weil ich etwa ein Dutzend weiterer Badehosen im Schrank habe. Das wiederum provoziert – ebenfalls erwartbar – den Kommentar, das sei ja nun nicht nachhaltig.
Was in meinem Post unerwähnt blieb: Diese Jammer war mal eine meiner absoluten Favoriten, sie wurde entsprechend oft getragen und ist nicht nur an der Naht schadhaft. Die Bündchen an den Beinen sind schlabbrig, sie wird auch ganz langsam in der rückwärtigen Fläche fadenscheinig, genau dort wo sie den meisten und längsten Kontakt mit den Liegen am Beckenrand hat. Also weg damit.
Anders als manche meiner Geschlechtsgenossen muss ich meine Badebuxen nicht so lange auftragen, bis sie nur noch von etwas gutem Willen zusammengehalten werden und man damit zum Blickfang in einer öffentlichen Badeanstalt werden – was in diesem Fall keineswegs positiv gemeint ist.
Das alles poste ich aber nicht. Vielleicht hätte ich es besser vermutlich tun sollen, um mich vorab dafür rechtzufertigen, warum ich meine Jammer einfach in die Tonne kloppe. Aber ist das meine Aufgabe?
Natürlich könnte ich den Spieß auch umdrehen und die Frage aufwerfen, warum jemand unbedingt reflexartig belehrend etwas kommentieren muss, wenn sie/er nur einen Teil der Fakten kennt: Nämlich nur, dass die Hose ein Loch hat, aber sonst einfach nichts über den Abnutzungsgrad des Textils weiß. Im Kleinen ist das ein wunderbares Lehrstück, über das, was Philipp Hübl in seinem gleichnamigen Buch Moralspektakel nennt: Es geht vielleicht gar nicht um die Hose oder die Reparatur, geschweige denn um Nachhaltigkeit. Es geht in erster Linie darum, die Bühne/Diskussion zu nutzen, um sich in den sozialen Medien als ein moralischer (besserer) Mensch zu präsentieren.
Aber ganz abgesehen davon: Die Buxe ist längst im Müll und es gibt Unangenehmeres als den Kauf von neuen Badehosen, ich wäre mal wieder bereit dafür.
Nur werden zuvor jetzt erst mal ein paar andere aufgetragen, bis auch diese den Hintern durchblitzen lassen. Vielleicht werde ich dann mal ein ähnliches Bild mit der Bemerkung posten: „Ich hab da mal was vorbereitet, falls Sie mich mal am A… lecken können.“
Spannend, wer dann darauf wie reagieren wird.
Vielen Dank fürs Lesen.
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