Als Hecht im Karpfenteich?

„Nachmacher, Nachmacher“ mögen Sie vielleicht höhnen, denn ich habe schon wieder einen neuen See erkundet, der erst vor kurzem in einer FB-Schwimmergruppe erwähnt und ein Bild von den Karpfen im See gezeigt wurde.
Dieses Mal aber kann ich wenigstens einwenden, dass ich den See schon vorher kannte – zumindest den Namen nach. Denn eine ehemalige Kollegin wohnt dort und hatte mir bereits davon erzählt: „Nichts Aufregendes, aber sehr nett. Klein eben und daher für ambitioniertes Schwimmen kaum geeignet.“
Bisher also hatte ich den Kastenseeoner See oder schlicht Kastensee am südlichen Ende des Landkreises Ebersberg nicht auf dem Radar, jetzt aber bin ich neugierig. Immerhin bringt es eine Runde direkt am Ufer auf rund 900 Meter, ein paar Runden also bringen auch Kilometer zusammen. Also mache ich nach der Arbeit einen kleinen Umweg Richtung Glonn und probiere das Gewässer aus.

Der Kastensee am Abend

Es ist einer der wenigen Seen, bei denen man außer am Strandbad keinen Zugang findet, das Strandbad kostet Eintritt (€ 4,00 für den ganzen Tag bzw. € 2,50 nach 17 Uhr). Es gibt immer Leute, die sich darüber aufregen und vom ungehinderten Zugang zu den bayerischen Naturschönheiten schwadronieren und es gar nicht einsehen, an einem Strandbad am See Eintritt zu bezahlen.
Mir macht das nichts. Für ein gepflegtes Strandbad bin ich gern bereit, einen Obolus zu bezahlen. Und wenn nicht, dann fahre ich eben woanders hin.

Kastensee - Naturschutzgebiet im Westen

Der See ist relativ flach, moorig und warm. Ein typischer Toteissee, wie es viele in der Region gibt. Auf der Westseite befindet sich ein verlandendes Moorgebiet, im Osten das Strandbad mit Liegeflächen und Café.

Pappeln am Ostufer am Kastensee

Sofort fallen mir auf: Es gibt weder Schlauchboote noch SUPs (wie angenehm), am Ufer unter den Pappeln liegen auf einem schmalen Holzplateau Sonnenanbeter dicht an dicht wie an der Rivera, erst weiter hinten auf der weitläufigen Wiese ist es zum Abend hin sehr leer.
Im Wasser ist es nicht wesentlich anders. Einige Badegäste, ein paar Schwimmer, man kommt sich nicht ins Gehege.

Abensonne, Schild, See, Einstiegstelle

Die Runden schwimmen sich schnell, besonders akkurat und stilbetont am Café entlang, denn dort ist man unter Beobachtung. Auf der Terrasse ist es recht voll. Rote Langnese-Sonnenschirme, knallrote Plastiktischdecken, ordentlich angeklammert, laminierte Speisekarten und Monoblockstühle. Die 90er lassen grüßen.
Viel zu sehen gibt es aber nicht für die Leute am Ufer, außer Gegend und eben den, der da seine Runden krault. Da bleibt es zwangsläufig nicht aus, dass man die Blicke auf sich zieht.

Im Kastensee - noch kein Karpfen

Am Süd- und Westufer halte ich Abstand von der Ufervegetation, hier ist Naturschutzgebiet. Zwei Kormorane finden es wenig lustig, dass ich direkt an ihnen vorbeischwimme, ich sehe sie zu spät, als dass ich sie fotografieren könnte. Angenervt fliegen sie davon, drehen eine Runde und kehren dann zurück.

Westufer - Vegetation

Weitaus weniger genervt, eher tiefenentspannt, patrouillieren mehrere fette Karpfen am befestigten Ufer, gierig darauf wartend, dass sie jemand füttert. In ihrem Gefolge ein ganzer Schwarm Rotfedern.

Karpfen am Ostufer - Patrouille um Futter

Das aber ist verboten und zumindest heute halten sich alle daran.
Kinder machen sich einen Spaß, sie mit Handbewegungen anzulocken und sich von den Fischen die Finger abschlecken zu lassen. Ein Mann lobt mir gegenüber die Wasserqualität des Kastensees, sonst gäbe es diese Fische hier nicht.
Eine ältere Frau ruft vom Wasser aus den Kindern zu, sie solle die Karpfen verscheuchen, damit sie aus dem Wasser gehen kann. Sie hat, das gibt sie unumwunden zu, Angst vor den mächtigen Fischen und traut sich nicht an die Leiter, so lange die Karpfen dort auf- und abschwimmen. Die Kinder wirbeln viel Wasser auf, eher lustlos trollen sich die Fische und machen den Ausstieg frei.

Karpfen auf Futtersuche

Meine Neugier ist jetzt endgültig geweckt Zwar bin ich beim Schwimmen schon auf Fische gestoßen, auf so große und so wenig scheue jedoch noch nie. Die Karpfen interessieren sich nicht die Bohne für mich, ich mich aber für sie. Doch jeder Versuch, sie im Wasser zu fotografieren misslingt. Der See ist zu trübe, ich versuche dennoch ein paar Bilder zu machen, ruhig stehend im flachen Wasser, die Kamera vor dem Bauch, als der erste Karpfen auf mich zuschwimmt. Erst zwanzig Zentimeter vor der Kamera ist er überhaupt zu sehen. Das Fotoresultat ist eher bescheiden…

Angst empfinde ich dabei nicht. Warum auch?
Der Fisch tut mir ja nichts, der will nicht mal spielen. Gelangweilt dreht er ab. Wieder nichts Fressbares.

Einmal mehr stoße ich allerdings auf das Angst-Thema, als ich im Strandcafé nach dem Schwimmen eine Currywurst esse und ein Radler trinke und ein Bild von den Karpfen, die ich von Land aus gemacht habe in die sozialen Medien hochlade: „Man ist eben beim Schwimmen nie allein. Schon gar nicht im Freiwasser“.
Die Kommentare meiner Bubble dazu aber zeugen nicht gerade von großer Begeisterung: Eher von Angst und ein wenig Ekel. Fische, vor allem größere, scheinen tatsächlich so manchen (eher die Frauen?) abzuhalten, im Freiwasser schwimmen zu gehen.
„Man, gut, dass Du beim Schwimmen immer was an hast,“ kommentiert dann allerdings einer süffisant – ein Mann natürlich. Klar, was der Geschlechtsgenosse da andeuten will. Jemand nimmt den Faden auf: „Das kann man ihm nur wünschen!“
Ich erwidere nüchtern: „Karpfen ernähren sich von Kleinlebewesen. DAS gehört also nicht dazu!“

Karpfen - Fischmaul

Und damit wäre das dann auch hinreichend erörtert.
So ist das eben als Hecht, als toller.
Im Karpfenteich.
Eine kritische Selbstwahrnehmung ist so wichtig.

 


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