Je suis Charlie

Eigentlich hätte an dieser Stelle heute ein lustiger Text erscheinen sollen. Zur Auswahl standen ein Beitrag über ein einigermaßen absurdes Auto auf einem Parkplatz in Erding. Dabei wäre es weniger um das Fahrzeug als um seine Beschriftung gegangen.
Alternativ dazu hätteich etwas über Albaching erzählen wollen.
Oder vielleicht über besondere Erinnerungen an besondere Gerüche.
Einen Hasenteller
bunte Socken, bunte Kondome
Was weiß ich?

Aber ich habe keine Lust, etwas Amüsantes zu veröffentlichen. Nein! Es ist weniger die Frage der Lust. Es ist eine Frage der Schocklähmung angesichts dessen, was in Paris heute passiert ist. Nichts Lustiges heute. Bitte nicht. Und vieles, über das wir uns aufregen, so dass wir in unseren Blogtexten ironische teils zynische Pfeile abschießen, wird auf einmal so fürchterlich banal, nichtig und irrelevant.
Was zählt, was uns lähmt ist ein Terroranschlag, dessen Tragweite noch gar nicht erfassbar ist. Noch ist vieles unklar. Noch weiß man nur, wer die Täter sind, aber nicht warum, wieso, mit welchem Motiv… Ein islamistischer Hintergrund des Anschlags auf die Redaktion der Satire-Zeitung „Charlie Hebdo“ liegt auf der Hand auch wenn noch völlig unklar ist, ob es Drahtzieher hinter den drei Tätern gibt, und wenn, wer das ist.

Das ist verheerend. Es sterben Menschen… viele Menschen. Der Terror richtet sich gegen Meinungs- und Gedankenfreiheit, gegen Publikationen, gegen die Presse, gegen uns alle. Und er befeuert von Pegida bis AfD alle, von denen ich am liebsten nie wieder was hören würde. Sie haben es ja immer gewusst, sie haben es ja gleich gesagt. Sie schlagen schamlos politisches Kapital aus diesem Anschlag mit genau diesen Parolen. Diese Anschläge seien Angriffe auf die Demokratie und Meinungsfreiheit. Das ist das Bitterste, denn da muss man ihnen recht geben. Mir fällt ein, dass sich jetzt mancher dieser Rechten klammheimlich ins Fäustchen lacht, sich die Hände reibt und denkt: „Wer zuletzt lacht…“

Mir wird übel.

Gleichzeitig gibt es eine unfassbar beeindruckende Solidaritätswelle unter dem Hashtag #jesuischarlie im Netz, Es gibt Beiträge, getwittert von J.K. Rowling bis zu Zitaten von Rowan Atkinson.

Je suis Charlie

Kein Mensch, der denkt, der schreibt, der bloggt, der satirische Witze macht, der seine Meinung frei äußern will, der twittert, der kritische Medien konsumiert, darf sich dem entziehen. Wir alle sind Charlie. Jeder auf seine Weise und jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten. Wir werden nicht schweigen. Wir werden nur einen Moment inne halten und trauern. Und dann wieder schreiben, bloggen, satirische Witze machen, unsere Meinung frei äußern, twittern und kritische Medien konsumieren. Und wir werden uns nicht auf die Seite der AfD oder der Pegida ziehen lassen. Ganz sicher nicht.

 

Aktualisiert 08.01.2015 12:30 Uhr

Weitere Gedanken zum Thema nach einer durchlesenen Nacht finden Sie hier im Czyslansky-Blog.

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4 Antworten

  1. Roland Lackner sagt:

    Ist es erlaubt, zu mutmaßen, dass die abscheulichsten Verbrechen in der Welt von den spektakulären Verbrechen überdeckt werden?
    Ist es wahr, das Medien informieren? Ist Information Wissen?
    Kann es sein, dass die Information über spektakuläre Ereignisse, die Verwechslung von Ursache und Wirkung festigt?
    Ist es so tragisch, den Rassisten, Fremdenfeind oder religiösen Eiferer in sich selbst zu erkennen?
    Ist es so schwer, mit dieser möglichen Tatsache umzugehen und leben zu lernen? Oder ist es so, dass man den abscheulichen Gnom in sich abspaltet und auf andere Menschen oder Kulturen projiziert?
    Und wenn es so ist: Sind meine Urteile die richtigen?
    Und wenn es nicht so ist: Sind dann meine Urteile die richtigen?
    Es ist Zeit, darüber nachzudenken!

  2. Jürgen sagt:

    Es war mir eine Ehre, diesen Text Eins-zu-Eins übernehmen zu dürfen :)

    GLG Jürgen

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