Als Grantler am und im Wössner See
Zehn Tage ist es her, da stand ich am Stoibermühlsee bei Freising und sinnierte, ob der Sommer sich dem Ende neigte und dieser See vielleicht die letzte Neuentdeckung des Jahres war und formulierte dies vorsichtig hier im Blog.
Welch Trugschluss.
Der Sommer geht noch etwas weiter, wagemutig wage ich mich in den Wössner See. Wagemutig, weil der nämlich schon ein gutes Stück in den Bergen drin liegt. Ich rechne mit kaltem Wasser.
Am Chiemsee geht es entlang Richtung Grassau und Marquartstein, dann weiter nach Unterwössen. Ein Dunstschleier liegt über der Landschaft, herbstlicher Frühnebel, den die Sonne erst noch vertreiben muss.
Während sich ein Teil der Familie Richtung Röthelmoosalm aufmacht, setze ich mich in Unterwössen ab. Die einen wandern, die anderen (bzw. nur ich) geh schwimmen. Außerdem war ich schon auf der Röthelmoosalm, im Wössner See aber noch nie, heute also darf der weibliche Teil der Familie generationenübergreifend ohne mich hinaufpilgern.
Gegen elf Uhr erreiche ich das Strandbad, just als die Gastronomie öffnet. Fast bin ich versucht, einen schnellen Milchkaffee zu ordern, bevor ich ins Wasser steige, doch noch bevor die Mitarbeiterin die Tische draußen von der Tau-Nässe der Nacht befreit hat, lässt sich ein erstes Wanderpaar dort nieder. Und es renatelt, dass es einen nur noch gruselt. Davon wird eventuell noch detaillierter berichtet.
Still ruht der See vor mir, nur wenig kräuselt sich das Wasser durch einen Windhauch. Mächtig einladend.
Aber erst umrunde ich ihn zu Fuß, so groß ist er nicht und noch immer ist meine Unterwasserkamera in Reparatur, so dass ich Bilder vom Ufer aus machen muss. Außerdem gewinne ich so wunderschöne Eindrücke und gebe der Sonne die Gelegenheit, die letzten Nebelfetzen zu zerstören.
Es ist eine Bilderbuchlandschaft, selbst wenn der Wössner See ein künstliches Gebilde ist. 1932 wurde er angelegt, aber nicht etwa als Kiesgrube, wie ich das sonst kenne, sondern als pure Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Mehrere Bäche fließen direkt aus den Bergen in den See, das macht das Wasser klar und frisch, bisweilen dort, wo sie in den See münden sogar zapfig kalt.
Die Enten, die es sich in der Morgensonne auf den Steinen gemütlich gemacht haben, finden es wenig witzig, dass da ein erster Irrer zu ihnen ins Wasser kommt, die Idylle und Ruhe empfindlich stört. Sorry.
Auch die rund drei Dutzend fetten Karpfen, die im flachen Wasser am Ufer patrouillieren, ob ihnen nicht doch schon ein wirrer Wanderer, Radler oder sonstig Sommerfrischler Brot ins Wasser wirft, finden es wenig angenehm, dass ich jetzt ins Wasser steige. Von mir aus könnten sie ja da bleiben, nicht ich bin es, der vor lauter Schiss reißaus nimmt. Tun sie aber nicht: Großes Maul, wenig dahinter. Karpfen halt.
Unter den Blicken der Gäste im sich schnell füllenden Seestüberl und diversen Spätsommer-Erholungssuchenden auf den Bänken rings um den See schwimme ich meine Runden in einer wunderbaren Kulisse. Schwimmerisch ist der See keine große Entdeckung – aber die Landschaft! Die Landschaft!
Dafür hat es sich echt gelohnt.
Es ist frisch an den Mündungen des Hacklauer und Rexauer Bachs. Auch sonst merkt man dem See an, dass der Sommer eigentlich vorbei ist, nicht in Gänze, aber doch fast. Gelegentlich brüsteln ein paar Frauen am Strandbad (für Männer wohl schon zu kalt) auf und ab. Sie achten peinlich darauf, dass ihre Haare nicht nass werden und die Sonnenbrille nicht ins Wasser fällt. Das sind die echt Hartgesottenen. Erst am späten Mittag sammeln sich ein paar Teenager an der Seilschaukel, kreischen über den See und lassen sich ins Wasser fallen.
Aber da bin ich schon aus dem Wasser wieder raus.
Wie frisch es denn im Wössner See wäre, fragt mich eine ältere Frau, als ich auf einer Bank in der Sonne sitze und meine Schwimmsachen neben mir zum Trocknen auf der Wiese ausgebreitet liegen.
„Knapp 17 °C,“ antworte ich wahrheitsgemäß und bin stolz, dass das kein Schätzwert sondern ein erst vor wenigen Minuten entnommener Messwert ist. Endlich mal wieder habe ich das Badewannenthermometer zu Wasser gelassen.
„Auf etwa 50cm Tiefe. Also oben und im Flachen sicher noch etwas wärmer!“
Die Frau bedankt sich, schickt ihre Begleiterin zurück zum Auto, die Badetaschen zu holen. „Na dann gehen wir auch mal rein!“ Kein Kommentar meinerseits beendet den Dialog, noch bevor er in Fahrt gekommen ist. Warum müssen Leute immer plaudern? Warum müssen Urlauber immer auf Teufel komm raus Kontakt mit den Einheimischen (ich bin noch nicht mal einer) suchen? Aber den Grant, den baierischen, den hab ich schon gut gelernt.
Ihrer Begleiterin ruft sie hinterher: „Ich such uns schon mal ein Plätzchen!“ denn ich mache keine Anstalten, ihr die Bank in der Sonne direkt am Wasser zu überlassen. Darauf hatte sie wohl spekuliert.
Falsch gedacht. Und zur Seite rücken und Platz machen kommt gar nicht in Frage.
Hallo?
1,5 Abstand?
Also wackelt sie auf den unbesetzten Steg zu.
Kurz nachdem sie ihr Plätzchen be-, ihr wallendes Gewand aus- und einen Badeanzug angezogen hat, erhebe ich mich und suche mir auch ein Plätzchen. Dieses Mal im Seestüberl. Jetzt darf sie sich die Bank gerne schnappen.
Im Seestüberl bin ich umringt von schnatternden Renates in TCM-Trekkinghemden, resignierenden Haralds, freundlichem Personal, das es den gesammelten Renates nur schwer recht machen kann, von E-Bikern, Hundehaltern und Wanderern in Jack-Wolfskin-Klamotten. Was machen die hier? Es ist Montag. Müssen die heute nicht unterrichten? Oder gibt es schon wieder irgendwo Ferien?
Wer außer Lehrern trägt sonst heutzutage sonst noch outdooraktiv diese Marke?
Sollen Sie.
Sollen sie alle die letzten warmen Tage des Sommers nutzen und vor sich hin blubbern. Warum auch nicht?
Machen die fetten Karpfen im Wasser ja auch. Nur leiser.
Vielen Dank fürs Lesen.
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