Als Tourist daheim (#9): Trübe und weniger trübe Gedanken im Murnauer Moos
Meckern gilt nicht. Auch, oder gerade nicht im Murnauer Moos. Denn wer sonntags einen Ausflug macht, der muss damit rechnen, das viele andere auf die gleiche Idee kommen. Und wer sich als Ziel so eine exponierte Gegend aussucht wie das Blaue Land, der erst recht.
Wenn in München der Marathon einen Teil der Bevölkerung auf und an die Straßen lockt, die Wahllokale geöffnet haben und das Wetter eher grauschleierige Herbstlichkeit verspricht, könnte man ja theoretisch auf die Idee kommen, es sei etwas weniger im Umland los.
Pustekuchen. Im Moos geht’s zu wie auf dem Stachus, um einmal mehr die ohnehin überstrapazierte Redewendung zu nutzen.
Das rührt natürlich auch daher, dass man das Moorgebiet südlich des Staffelsees auch ohne großen Aufwand mit der Bahn erreichen kann, unter Umständen sogar etwas einfacher als mit dem Auto, zumindest ist die Lage vor Ort etwas angespannt, wenn man selbiges irgendwo abstellen will, bevor einen der Weg durch die Felder in den Wald und dann ins Moos führt.
Es sind nicht wenige Menschen hier unterwegs, deutlich mehr jedenfalls als erwartet, und man gibt sich bisweilen furchtbar städtisch, was sich vor allem darin zeigt, dass knapp die Hälfte auf ein freundlich zugenicktes wie -gerufenes „Servus!“ oder „Grüß Gott!“ betreten schweigend reagiert, während Outdoor-Aktive, Wandervögel, Landmenschen und überhaupt Menschen mit einer gewissen Grundhöflichkeit freundlich zurück grüßen.
Es ist doch noch Herbst geworden, Wolken hängen am Himmel, die Tage sind zwar noch warm, aber längst nicht mehr so überhitzt wie vor Kurzem, dafür sind aber auch die Nächte nicht mehr ganz so kalt. Vielleicht ist es nicht die beste Jahreszeit, um ins Moos zu gehen, aber auch nicht die Schlechteste. Das Heidekraut blüht, in seiner nicht so farbenprächtig überzüchteten Form, wie man es derzeit in Gärtnereien und in Bälde auf den proper zurecht gemachten Gräbern zu sehen bekommt. Dafür aber in seiner natürlichen Form.
Auch die Herbstzeitlosen blühen, sie bedecken die Wiesen längs der kleinen Bäche. Immer, wenn ich sie im Herbst sehe, wundere ich mich, dass es Leute gibt, die sich daran vergiften, weil sie sie mit Bärlauch verwechseln. Als gäbe es da eine Ähnlichkeit…
Dass Herbstzeitlose gerne mal mit Krokussen verwechselt werden, lasse ich mir ja noch eingehen. Aber Krokusse werden schließlich auch nicht gegessen. Alles sehr sonderbar.
Die Kamera sucht und findet Motive – nein, nicht die Kamera. Das mach ich schon selber. Ich „klaue“ die Idee der Tochter von Freunden, die uns begleiten. Sie konzentriert sich sehr auf Nahaufnahmen, die gekringelten angetrockneten Halme der Gräser haben es ihr besonders angetan. Als sie mir das Bild zeigt, bin ich sofort inspiriert.
Und ich finde es toll, wenn auch Kinder einen Blick für das Besondere, das Schöne und Ungewöhnliche, dasms sich eigentlich ganz Banalen befindet, entwickeln. Wenn zum Beispiel ein Baum am Wegesrand an einem Zweig ganz grüne, am anderen aber komplett braune hat, und zwar beides ausschließlich, ist das ungewöhnlich, aber unspektakulär. Und trotzdem schön.
Der Weg durchs Moor führt uns auf die Berge zu, wir laufen über einen Steg aus Bohlen, der zum einen das Moos vor wildem und vor allem abseits der Wege stattfinden Trampeleien schützen soll, zum anderen aber Wanderern und Spaziergängern trockene Füße sichern soll. Was aber hier gar kein Thema wäre: Wie überall ist es viel zu trocken, wir sehen ausgetrocknete Wasserlöcher und Rinnsale. Das Moor, das so mühsam renaturiert wird und als Lebensraum seltener Tier- und Pflanzenarten dienen soll, aber auch tonnenweise CO2 speichern soll, hat mit dem Klimawandel ebenfalls zu kämpfen.
Auch hier muss man gar nicht mehr besonders genau hinsehen, um zu bemerken, dass es viel zu trocken ist. Der letzte Regen ist mehr als 14 Tage her, zwischendurch herrschten Ende September und Anfang Oktober wieder sommerliche Temperaturen.
Wenn ich mir vorstelle, dass an diesem Wochenende über 30% der Wählerinnen und Wähler in Bayern ihr Kreuz bei den beiden Parteien gemacht haben, die noch rechter als die ohnehin schon knochenkonservative Union sind und das ganze Klimathema bagatellisieren, wo immer sie können, wenn nicht gar leugnen, finde ich das noch beunruhigender als das, was draußen in der Natur mit eigenen Augen sehen können.
Landwirte und die Wetterextreme: „So ein Erntejahr hab noch ich nie erlebt“ titelte am Wochenende unsere Lokalzeitung und zitierte Landwirte, die aufgrund von Hitze, Kälteeinbruch, Sommerherbst reichlich Ernteausfälle haben. Warum frage ich mich, ohne verallgemeinern zu wollen, wählen dann viele von denen, die in vorderster Reihe unter klima- oder witterungsbedingten Schäden zu leiden haben, ausgerechnet die Parteien, die am wenigsten gegen diese Entwicklung tun?
Aber Meckern gilt nicht – und hilft offenbar auch nicht. Auch, oder gerade nicht im Murnauer Moos.
Vielen Dank fürs Lesen.
Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, dann freue ich mich, wenn Sie ihn Ihren Freunden weiterempfehlen – z.B. über Facebook, Twitter, in Internetforen, Facebookgruppen o.ä.
Haben Sie Fragen oder Anmerkungen zu diesem Beitrag? Dann nutzen Sie bitte das Kommentarfeld.
Gern dürfen Sie meine Artikel auch verlinken.
Wenn Sie mir spontan einen Kaffee spendieren wollen, weil Ihnen dieser Beitrag gut gefallen hat, dann klicken Sie bitte auf den Kaffeebecher. Mehr dazu hier.Wenn Sie mehr Bilder von mir sehen wollen, dann empfehle ich das Fotobuch Im Süden – Bilder eines guten Jahres, das Sie in meinem Web-Shop aber auch in jeder stationären Buchhandlung bestellen können. Ebenfalls dort erhältlich sind die grantigen Geschichten Renate und das Dienstagsarschloch und das Buch von meinen Schwimmerlebnissen in Frei- und Hallenbädern, in Seen, Weihern, Flüssen und im Meer Bahn frei – Runter vom Sofa, rein ins Wasser , Alle Bücher sind auch über die ISBN in der stationären Buchhandlung bestellbar.
Entdecke mehr von Mal Zwetschgenmann - Mal Wassermann
Subscribe to get the latest posts sent to your email.