Writer’s Life: Wenn die Hosen unten sind…

Dieser Beitrag ist zugleich Teil einer kleinen Serie über Nachhaltigkeit und Verantwortlichkeit beim Bloggen und im Social Media Bereich.

Wer von sich selbst viel und oft erzählt, läuft Gefahr, irgendwann einmal die Hosen runterzulassen. Alle, die in den sozialen Medien unterwegs sind und dabei sich selbst zum Thema machen, werden es irgendwann tun; egal, ob man auf Instagram, Facebook oder Twitter unterwegs ist, einen YouTube- oder einen TikTok Kanal bespielt oder ein Blog mit Inhalten füllt (so wie dieses). Das ist natürlich im übertragenen Sinn gemeint und nicht unbedingt wörtlich, wie auf diesem Foto, das im April zum Motto Ein gutes Gefühl für #JedeWocheEinFoto entstand:

Wenn die Hosen unten sind...

…und bei dem ich sehr lange gezögert habe, ob ich dieses Bild überhaupt machen und dann veröffentlichen sollte.
Die Fragen dabei sind nämlich:

Wie weit lasse ich die Hosen runter?
Und noch wichtiger:
Welchen Ausschnitt des dadurch Sichtbaren zeige ich davon im Netz?

Das galt für das Bild ebenso wie im übertragenen Sinne für all das, was ich via Blog oder sozialer Medien von mir erzähle. Will sagen: Wie weit bin ich bereit, mich selbst zu einer öffentlichen Person zu machen? Zunächst ist das unabhängig davon, ob ich 3, 300, 30.000, oder 3.000.000 Millionen anderer Menschen erreiche – oder noch mehr. Denn alles, was ich ins Netz stelle, kann kopiert und ohne meine Eigenkontrolle weiter verbreitet, verfälscht, verändert und wieder verbreitet werden kann.  Beispiele dazu gibt es in großer Zahl. Und die seltensten erzählen positive Geschichten.

Mein Freund Alex, von dem ich mehrfach schon schrieb, hat mit seinem YouTube Kanal und den dort präsentierten Clips beachtlichen Erfolg, ob es nun um seine Kunst geht, Brotbacken oder Wandern durchs Frankenland; so viel Erfolg, dass es eines Tages an seiner Haustür klingelte, wildfremde Menschen davor standen, einen Obstbrand schwenkten und mit ihm auf seine Wanderungen anstoßen wollten – was dazu führte, dass Alex jetzt laut Impressum seiner Webseite mal in der Kanzlei eines Anwalts, mal in einem Postfach lebt. Seine Hausanschrift ist nur noch mit Mühe im Netz auffindbar.
Nicht anders erging es einem Bekannten, der bei TikTok kleine Comedy Videos veröffentlicht und  mittlerweile dabei so erfolgreich ist, dass er auf offener Sprache in München von wildfremden Menschen angesprochen wird, ob sie ein Selfie mit ihm machen dürften. Dürfen sie… noch.

Schildkröte - cool auch ohne Hosen

Wie entspannt kann ich da sein – selten, dass mich jemand auf meine Netzaktivitäten anspricht. Das ist allerdings auch schon im Schwimmbad passiert. Da erkannte mich jemand, der gelegentlich durch mein Blog stöbert, wenn ich etwas übers Schwimmen schreibe.

Sehr befremdlich aber war ein ganz anderes Erlebnis nach der  Veröffentlichung meiner Bücher, vor allem der beiden Manchmal sind es Mistviecher und Manchmal sind es Goldstücke. Plötzlich meinen Menschen mich wirklich gut zu kennen, bisweilen sogar besser als ich selbst, weil ich in diesen Büchern viele Geschichten erzähle, in denen es irgendwie doch immer wieder im mich geht.

Auf Tagungen, Workshops und Informationsabenden zur Schildkrötenhaltung wurde ich oft auf die Mistviecher und Goldstücke angesprochen. Nachvollziehbar, dass die Leute, die die Bücher gerade erst gelesen hatten, sie viel besser kannten als ich selbst, denn das Schreiben liegt ja nun schon einige Jahre zurück.
Leserinnen  stellten Fragen, die ich beantwortete und dabei korrigiert wurde, weil es nicht hundertprozentig deckungsgleich mit dem war, was ich in dem Buch geschrieben hatte. Sie wussten detailliert und viel besser als ich selbst, wann ich was wie und warum gemacht habe. Verwirrend, dass ich ihnen vorkomme wie ein guter, langjähriger Bekannter. Das ist natürlich ein enormes Kompliment für einen Autor. Wenn man es schafft, eine solche Vertrautheit zum Leser herzustellen und noch dazu eine große Authentizität, hat man alles richtig gemacht. Ein wenig beunruhigend ist es trotzdem.
Vor allem für jemanden, der zwar bereitwillig monologisch, also in Blog- und Buchtexten von sich erzählt, aber im Gespräch mit Fremden genau daran allzu oft scheitert und sich mit der Rolle immer wieder schwer tut, die man eben nun mal im Anschluss an Lesungen und Vorträgen spielen muss. Rampenlicht liegt mir nur im „Rollenspiel“, denn was anderes ist es nicht, hinter einem Pult, vor einem Mikro auf der Bühne zu stehen.

Stinkefinger unter WasserNach wie vor gewöhnungsbedürftig ist es auch, wenn Verwandte, Freunde, Bekannte, Kolleginnen und Kollegen mich auf Inhalte dieses Blogs ansprechen. Es ist mit unheimlich oder zumindest unangenehm, wenn ich plötzlich merke, wer alles weiß, was ich so treibe, denke, fühle, über was ich mich ärgere oder freue. Aber ich habe es ja selbst so gewollt.
Es ist toll, wenn Leute etwas von mir gelesen haben und ich Feedback bekomme, aber bei sehr nahestehenden Personen fühlt es sich trotzdem immer merkwürdig und unangenehm an – als ob man eben doch irgendwie mit halb heruntergelassenen Hosen im Raum seht. Und alle sehen es.
Natürlich ist es schön, wenn mich wer nach einem Blogeintrag aufmerksam macht, dass es Schmetterlinge und nicht Schmetterkinge heißt, ein Wort fehlt oder zu viel ist.. Das hilft, Fehlerchen in den Texten auszumerzen.
Die Grenzen der Privatheit aber lege ich selbst fest, ich muss nichts erzählen, was ich nicht erzählen will, ich kann selbst bestimmen, ob die Hosen auf der Hüfte, den Knien oder den Knöcheln hängen und ob ich unter Wasser Bilder für die Aktion Twitter zeigt Nazis den Stinkefinger mache und diese dann auch veröffentliche.

Für mich gilt noch immer die Faustregel, nichts ins Blog, nichts auf Facebook oder Twitter zu schreiben,  was ich nicht auch genauso und unter meinem Namen in Papierform an die Pinwand im Edeka im Nachbardorf oder in der Firma hängen würde. Nur, dass da eben einfach niemand den ganzen Rums von vorne bis hinten durchlesen würde. Auch dann muss ich damit rechnen, dass ein Nachbar aus dem Dorf mein Zeug liest, ein alter Schulfreund, eine Kollegin, mein Bruder, meine Frau.
Das mäßigt enorm. Na ja… meistens. Und das ist gut so.

Hosen unten

Solange sich also kein Wildfremder mit mir fotografieren lassen will, ist alles sehr entspannt. Und sollte wirklich mal jemand mit einem Fläschchen Schnaps vor meiner Haustür stehen…
Nun gut, dann zieh ich eben auch vorübergehend zu Alex ins Postfach. Mit dem erbeuteten Schnaps in der Hand freundlich wedelnd natürlich und die Hosen dort, wo sie hingehören.

 


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2 Antworten

  1. BrigitteE sagt:

    Nun weiß ich also, dass du Unterhosen von C.lvin Kl.in trägst *lach*
    Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.
    Ist ein altes Sprichwort, aber heute gültiger als je zuvor glaube ich.

    • zwetschgenmann sagt:

      So hat man(n) sich halt dem Modediktat unterworfen. Alles für ein Foto. Und ganz ohne Geld oder Deputat.

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