Hallo Rewe und Co: Weniger ist mehr

Weniger ist mehr – was zweifelsohne manchmal zutreffend ist. Seit Längerem wird intensiv über die Plastikvermüllung geredet. Während die einen allerdings mehr reden als handeln, hat Frankreich – mal wieder – Nägel mit Köpfen gemacht. Seit Juli ist dort die Abgabe von Einweg-Einkaufstüten aus Plastik verboten.
Nun ist die deutsche Regierung gerade eher damit beschäftigt, sich selbst auseinanderzunehmen und ihr Augenmerk auf ein einziges, zugegeben wichtiges Thema zu legen. Da kann man solche Nebenschauplätze einfach mal aus dem Focus verlieren. Schließlich kann man damit wenig Wählerstimmen gewinnen und vermutlich auch keine Sitzplätze in den einschlägigen TV-Talk-Shows. Das Thema Pastikmüll polarisiert eben nicht genug und eignet sich wenig für Krawall.
Außerdem reicht es ja, wenn der Handel aktiv wird…. Oder Aktivitäten vortäuscht. Seit geraumer Zeit nämlich kostet die Plastikeinkaufstasche je nach Kette, bei der man seinen Einkauf tätigt, 20 oder 50 ct. Das ist grundsätzlich auch in Ordnung so. Vielleicht überlegt der Kunde dann zweimal, warum er sein Geraffel unbedingt in Tüten nach Hause schleppen muss. Stoffbeutel tun es genauso. Oder Klappkisten im Kofferraum, wenn man mit dem PKW zum Verbrauchermarkt gefahren ist.
Wer allerdings seinen Wochenendeinkauf sichtet, wird feststellen, dass man am Plastik nicht mehr vorbeikommt: Zahncremetuben, Joghurt-Becher, Verpackungen von Klopapier und Käse, Wasch- und Spülmittelflaschen, Gummibärchenbeutel, Zahnbürsten… es geht nicht ohne.

Von dem Plastikwahn in der Obst- und Gemüseabteilung wie an der Fleischtheke brauchen wir gar nicht zu reden. Sicher: Hygieneverordnungen, Produkthaftungsgesetz und die längere Haltbarkeit sind Gründe, warum der Plastikmüll beim Einkaufen mehr und mehr zunimmt. Aber auch der irrationale Hygienewahn der Konsumenten, da muss man nur mal den Blick darauf werfen, wie viele Verbraucher Plastikhandschuhe beim Kontakt mit Obst, Gemüse, Fleisch, Käse, Fisch wünschen – und was das für ein Unfug ist.
Dagegen sind die Einsparungen an den Plastiktüten geradezu ein Witz.
Mit dieser Maßnahme kann sich der Handel allerdings als umweltbewusst platzieren und gleichzeitig die Verantwortung und Kosten elegant an den Kunden abwälzen – ist ja schließlich seine Schuld, wenn er kein Beutelchen dabei hat und eine Plastiktüte kauft.
Vollends absurd wird es jedoch, wenn man am Wochenende den Briefkasten öffnet, und so etwas findet – frisch vom Briefträger in den Kasten geworfen, die Werbung von Rewe:

Rewe Werbung

Das Ganze finde ich skurril. Bemerkenswert genug, um in meinem Facebookprofil eine Bemerkung zu machen und auch einen Tweet abzusetzen. Während ich bei FB nur ein paar Likes und Kommentare erwarte, hoffe ich auf Twitter mit der deutlich höhreren Reichweite nicht nur auf Reaktionen meiner Follower sondern vor allem auch auf eine von Rewe selbst. Dazu schließlich kopiere ich die Unternehmensgruppe mit an.
Und die Reaktion lässt dann auch nicht lange auf sich warten. Rewe bietet mir an, sie per DM zu kontaktieren, damit sie mir die Gründe offenlegen können.
Wegen der Länge des Texte, den ich erhalte, kann ich verstehen, dass Rewe diese Texte nicht auf Dutzende Tweets aufteilt. Ein wohlformulierter, worthülsenüberfrachteter PR-Text findet sich kurz darauf in meinem Postfach – ein Text, den ich im an dieser Stelle veröffentliche, Rewe habe ich vorher darüber informiert, dass ich das machen werde:

Hallo Zwetschgenmann, besten Dank für deine Rückmeldung. Grundsätzlich versuchen wir als Unternehmen, das sich seit Jahren intensiv für Nachhaltigkeit engagiert, den Einsatz von Plastik(folien) weitestgehend zu verringern. Dennoch haben wir uns nach reiflicher Abwägung von Pro und Kontra für eine Verteilung unserer Handzettel – die ansonsten nicht in Plastikfolie verpackt werden – über EINKAUFAKTUELL entschieden.
Gerne erläutern wir dir die Hintergründe unserer Entscheidung: Zugegebenermaßen erscheint die Folie für den Außenstehenden auf den ersten Blick verzichtbar. Tatsächlich erfüllt sie aber in vielerlei Hinsicht einen praktischen Nutzen. Erstens schützt sie die Handzettel in hygienischer Hinsicht vor Verschmutzung. Zweitens schützt sie vor dem Wetter, denn regennasse Handzettel sind weder im Interesse unserer Kunden noch in unserem.

Rewe Antwort

Drittens schützt die Folie insofern die Umwelt, da dadurch sichergestellt wird, dass keine Handzettel beispielsweise durch den Wind wegfliegen. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass EINKAUFAKTUELL die Handzettelwerbung mehrerer Firmen bündelt, die bis dahin einzeln ihre Handzettel distributierten. Das schont Ressourcen und Umwelt. Speziell der Hygiene- und Wetteraspekt lässt sich durch alternative Verpackungsformen nicht adäquat abdecken. Die eingesetzte Polyethylen-Folie (PE) hat eine durchschnittliche Stärke von lediglich 0,015 mm. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar (0,04 bis 0,12 mm) ist also bis zu vier Mal dicker. Hinzu kommt: Bei rein sachlicher Bewertung des Einsatzes von Rohstoffen, Energie und Wasser während der Herstellung sowie des Gewichtsaspekts, ist die PE-Folie die ökologisch sinnvollere Alternative. Zudem kann diese Folie von sämtlichen Anlagen sehr effizient recycelt werden. Wir begrüßen es aber ausdrücklich, dass EINKAUFAKTUELL bekundet, im Sinne der Nachhaltigkeit bessere Alternativen zu suchen. Bis diese gefunden sind und Marktreife haben, sehen wir die PE-Folie als vertretbare Übergangslösung. Viele Grüße, dein REWE Team

Für Rewe ist der Vertriebsweg, die Prospekte über den „Einkauf Aktuell“ praktisch, nützlich und eine vertretbare Übergangslösung. Und die Deutsche Post freut sich – denn niemand anderes steckt hinter dem Dienstleister „Einkauf Aktuell“. Postzusteller kann man wunderbar einspannen, Reklame gleich mit zu verteilen.
Gegen all das ist prinzipiell auch nichts zu sagen. Allerdings stellt sich mir die Frage, ob es nicht genug Module gibt, Prospekte ohne Plastik an den Konsumenten zu bekommen… Wenn man das will. Die Argumente, Prospekte hygienisch vor Verschmutzung zu bewahren und mittels Plastikfolie zu verhindern, dass die Handzettel wegfliegen, finde ich persönlich eher dürftig.

Entscheidend ist für mich, dass die Glaubwürdigkeit in puncto Umweltschutz all der Firmen, die „Einkauf Aktuell“ buchen, kaum mehr gegeben ist. Ich frage sich, weshalb die Plastikeinkaufstüten im Supermarkt in Wahrheit bezahlt werden müssen.
So groß scheint es mit der Bereitschaft, auf Plastik zu verzichten, bei den Handelsketten ja nicht her zu sein. Vielleicht geht es letztlich gar nicht so sehr um die Rettung der Weltmeere, sondern eher um die Senkung der Betriebskosten, in dem eine vormalige Gratisleistung einfach eingestellt wird. Schließlich dürfte der Bedarf an Plastiktüten enorm gesunken sein, Rewe selbst geht von 140 Millionen Tüten aus, die so eingespart werden. Eine ähnlich lautende Rückfrage via Twitter-Messenger blieb übrigens unbeantwortet. Wen wundert’s?

„Der Verzicht auf den Verkauf von Plastiktüten ist der nächste konsequente Schritt in unserer Nachhaltigkeitsstrategie. Auch arbeiten wir bereits an weiteren Initiativen zur Reduzierung von Plastikverpackungen im Lebensmitteleinzelhandel“, ließ Lionel Souque, Vorstandsmitglied REWE Group blumig über die Firmenwebsite und Pressemeldungen 2016 wissen… derweil 2018 die Tüten noch immer in den Märkten angeboten werden und Tausende von Handelsprospekten in PE-Folie verteilt werden.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.


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3 Antworten

  1. Gunda sagt:

    Der wahre Grund für diese schlaue Marketingstrategie (wie ich vermute): In Folie eingeschweißte Reklame lässt sich nicht ungelesen mit einem Handgriff in die Papiermülltonne werfen. Ein umweltbewusster Mensch reißt die Plastikverpackung auf, um sie getrennt zu entsorgen und schwupp wird der Blick von den flatternden Seiten mit den bunten Angeboten angesogen :-)

  2. Naya sagt:

    Es gibt doch auch fast überall Gratis-Lokalwochenzeitungen, in denen hab ich auch einiges an Werbung eingelegt. Und die kommt ganz ohne Plastik an, auch ohne durchzuweichen.
    Ich vermute daher auch den von Gunda genannten Grund, den sie sich nur nicht trauen, anzugeben. Wobei bei mir die Einkauf-Aktuell-Werbung dann eben nach zwei Handgriffen (Plastik ab, dann in die beiden verschiedenen Mülleimer) im Müll landet. Die Läden, die mich interessieren, finde ich als Beilage auch in meiner Wochenzeitung bzw kann ihre Prospekte im Internet anschauen.

  3. Peter sagt:

    An Einkauf aktuell scheiden sich die Geister. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob bei voruteilsfreier Betrachtung die wirklich geringe Folienmasse hier nicht sogar weniger umweltschädlich ist als die darin verpackten Prospekte (Papierherstellung, Druckfarben). Die Folien sind ja in der Tat sehr dünn. Aber wie dem auch sei: Auf meinem Briefkasten klebt schon lange „Keine Werbung“, und sollte sich doch einmal eine Einkauf aktuell darin verirren (was nur seltens passiert), denke ich nicht im Traum daran, diese für die Post zu entsorgen, sondern werfe sie umgehend in den nächsten Briefkasten.

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