Heute vor 75 Jahren… für Shula

Für Shula

Heute vor 75 Jahren hat die Rote Armee die Vernichtungslager bei Auschwitz befreit.
Auschwitz – ein Synonym für unendliche Barbarei, den bisher größten Zivilisationsverlust der Menschheit.
Und wer heute den Holocaust leugnet, Gedenkstätten schändet, sie als Mahnmal der Schande bezeichnet, von den Gräueln als Fliegenschiss der Geschichte spricht, Antisemitismus, Rassismus und Faschismus propagiert, macht sich mit den Tätern von damals gemein. Er ist auf dem Weg, nicht nur den Anstand zu verlieren, sondern stellt sich bewusst außerhalb der Werte unserer Zivilisation. Solche Menschen verdienen keinen Respekt, sie verdienen meiner Meinung nach abgrundtiefe Verachtung. So schrieb ich heute morgen in den beiden sozialen Netzwerken Facebook und Twitter. Ich kann und werde kein Verständnis für ein „Ja, aber…“ aufbringen, keine Toleranz für Relativierer und Leugner dieser grauenhaften Ereignisse. Und dieses ganze provokante Geschwätz derer, die vom rechten Spektrum aus heute agieren und den Tag der KZ-Befreiung für ihren perfiden Populismus missbrauchen, finde ich einfach nur noch ekelhaft.

Mehr muss man dazu nicht sagen. Vielleicht das noch:

Heute habe ich mich der Remember Wall auf der Internet-Seite von Yad Vashem angeschlossen. Bewusst an diesem Tag. Vor ein paar Tagen hörte ich auf der Fahrt ins Büro im Radio einen Beitrag über diese Web-Seite: Die digitale Erinnerungswand, auf der Namen und soweit vohanden Bilder der Holocaust-Opfer versammelt sind. Wer will,kann/darf sich dort registrieren. Mit Name und Nationalität.
Die Idee, die dahinter steckt: Wer gedenkt der Opfer, behält ihren Namen in Erinnerung, wenn niemand mehr da ist?
Wir – wir alle.

„The IRemember Wall is a unique and meaningful opportunity for the public to participate in an online commemorative activity to mark International Holocaust Remembrance Day. By joining our IRemember Wall, your name will be randomly linked to the name of a Holocaust victim from Yad Vashem’s Central Database of Shoah Victims‘ Names and will appear together on the IRemember Wall“, heißt es in der Erklärung dieser Seite: „Die IRemember Wall ist eine einzigartige und bedeutungsvolle Gelegenheit für die Öffentlichkeit, an einer Online-Gedenkveranstaltung zum Internationalen Holocaust-Gedenktag teilzunehmen. „Wenn Sie sich unserer IRemember-Wand anschließen, wird Ihr Name zufällig mit dem Namen eines Holocaust-Opfers aus Yad Vashems zentraler Datenbank der Shoah-Opfernamen verknüpft und erscheint zusammen auf der IRemember-Wand.“
Ja, ich will das. Es ist viele Jahre her, dass ich Yad Vashem besucht habe – heute bediene ich mich der digitalen Medien, die die Gedenkstätte und auch das Auschwitz Memorial auf Twitter nutzen und jetzt eben auch der IRemember Wall.

Shula Dukhovnaya auf einem schlecht erhaltenem Foto

Shula Dukhovnaya (Chernos) heißt die Frau, die mir der Zufallsgenerator zugeordnet hat. Ich werde gebeten, ihre Erinnerung lebendig zu halten, ihrer zu gedenken.

Wer war Shula?
Die Datenbank von Yad Vashem gibt Auskunft: „Shula Dukhovnaya geborene Charnis wurde 1896 in Kazatin, Ukraine (UdSSR) als Tochter von Nukhim und Khaya geboren. Sie war Hausfrau und mit Mordko verheiratet. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebte sie in Kiyev, Ukraine (UdSSR). Während des Krieges war sie in Kiyev, Ukraine (UdSSR). Shula wurde in der Shoah ermordet. Diese Informationen basieren auf einer Zeugnisseite, die von ihrer Tochter eingereicht wurde.“
Das lese ich in der Datenbank, mehr Informationen werde ich wohl über diese Frau nicht erfahren. Wann, wo und wie sie ermordet wurde – darüber erfahre ich nichts. Vergast in einem KZ? Ihre Leiche verbrannt? Erschossen? Zu Tode erschöpft durch Zwangsarbeit, mangelnde Ernährung, Krankheiten?
Shula war etwa so alt wie meine Großmutter. Ihre Tochter (hatte sie mehrere Kinder?) vermutlich etwa so alt wie mein Vater oder sein Bruder. Lebt die Tochter noch? Hat auch sie Kinder? Enkel? Erinnern sie sich an ihre Großmutter, Urgroßmutter?
Erinnert sich noch irgendwer an Shula?
Wer denkt an diese eine Frau auf dem Foto auf der IRemember Wall, die kaum zu erkennen ist…
Ich schätze sie auf dem Bild auf Anfang bis Mitte vierzig, was angesichts des Geburtsjahres ja passt. Und viel älter wurde sie dann auch nicht mehr. Furchtbar. Ein Schicksal – eines unter Millionen anderer.
Mit diesem Blogpost möchte ich beginnen, ihrer zu gedenken. Auch diese Verantwortung möchte ich gern übernehmen.
Heute. 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz-Birkenau.
Und als Nächstes möchte ich ihr zu Ehren und zur Erinnerung einen Stein ablegen. Ich weiß noch nicht wo…

עליה השלום (*)

(*) „aleha ha-shalom“: Der Friede sei mit ihr. Das Equivalent zu R.I.P.

Diesen Beitrag weiterempfehlen:

1 Antwort

  1. Kurt Schaller sagt:

    Danke Lutz
    Ich werde mich auch registrieren und einem Opfer gedenken.
    Niemand sollte vergessen werden ebensowenig wie unsere Aufgabe wachsam zu sein. Nie wieder dürfen solche Gräueln geschehen, nie wieder dürfen wir so blind sein. Der Kampf hat längst begonnen und die Blinden sitzen schon wieder in den Gremien des Bundestages und noch viel schlimmer, den Gemeinderäten und Vereinen. Bei uns ist ein Fanclub DEINES Vereins komplett unterwandert und ich gehe jede Wette, dass es vielen Vereinen ebenso geht. Jedem Wort, ob als Witz oder nebenher gesagt, muss entschieden entgegen getreten werden, damit rechnen sie nicht und das ist eine Chance. Es gibt keine einzige Entschuldigung, niemals.

Entdecke mehr von Mal Zwetschgenmann - Mal Wassermann

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen