Drei neue Seen: The Good, The Bad and The Ugly

Irgendwie liegt es nahe, mal den Titel meines Lieblingsfilms The Good, The Bad and The Ugly an dieser Stelle zu nutzen. Es bietet sich geradezu an, wenn man drei Dinge, Personen, Taten… miteinander in vergleichende Beziehung setzen will. Zum Beispiel drei kleinere Seen im Inntal zwischen Rosenheim und Kufstein direkt hintereinander zu besuchen und zu beschwimmen.
Fair ist das nicht, denn dadurch muss ich mich festlegen: Welcher See ist The Good one, welcher The Bad one und welcher The Ugly one?

Denn ehrlich betrachtet haben alle drei etwas Gutes, etwas Schlechtes und wenn man genauer hinsieht und mäkeln will auch etwas Hässliches.

Dass ich die drei überhaupt abklappere, hat damit zu tun, dass ich dieses Jahr die 120er Freiwasser-Hürde schaffen will. Hexenwerk ist das nicht. Sollte man zumindest meinen. Es gäbe weitaus schönere, größere, attraktivere und prominentere Seen in Oberbayern, aber da ist die Anfahrt weit und staubelastet. Dazu unerträglich viele Baustellen und Umleitungen und vor allem: Regelmäßig setzen am Nachmittag Gewitter ein, es wäre nicht das erste Mal, dass ich unverrichteter Dinge umkehren muss, weil es, kaum bin ich angekommen am See, blitzt, donnert, stürmt und schüttet.
Also nehme ich mir eben die drei kleinen vor, die ich ohnehin schon auf meiner Liste hatte. Viel erwarte ich nicht, blöd genug bin ich, mich durch den Stau über den Irschenberg dahin zu quälen statt über Land zu fahren. Egal.
Auf mich warten:

1. Hawaii-See
Gleich mal vorab: Ja, der heißt wirklich so. Seinen Namen verdankt der See den amerikanischen Soldaten, die nach dem Zweiten Weltkrieg rings um Rosenheim stationiert waren. Nicht, dass der See sie an Hawaii erinnert hätte und sie ihm diesen Namen aus sentimentalen Gründen gegeben hätten. Es ist viel profaner. Weil er direkt an der Autobahn liegt, nannten sie ihn Highway Lake.
Das war den Hiesigen im Inntal dann doch etwas zu komplex. Aus Highway Lake wurde eingedeutscht der Hawaii-See. Und ehrlich: Das klingt auch viel besser als Autobahnsee (den es übrigens auch gibt).
Auf dem Radar habe ich den See schon länger, jetzt bündle ich ihn mit zwei anderen Seen und schlage zur Mittagsstunde dort auf. Der Impuls kommt wieder mal von Wigald Boning, der in seinem Buch Herr Boning geht baden ebenfalls den Hawaii-See erwähnt.

Der See liegt direkt an der A93, fast ist es, als bratzen einem die Fahrzeuge über die Füße. Wäre da nicht der Parkplatz Petersberg, von dem es angeblich einen Zugang zum See gibt. Ich finde den allerdings Zaun dicht vor. Aber es muss klasse sein, als Fernfahrer oder Urlauber nach zig Stunden Gegurke über bundesdeutsche Autobahnen einen Stopp zu machen und mal eben in den See zu hüpfen.

Die Kulisse ist in der Tat famos, die des Autobahnlärms allerdings auch. Das war zu erwarten. Earplugs halten mir nicht nur das Wasser aus den Ohren sondern auch den Radau.

Beim Schwimmen im Hawaii-See komme ich mir irgendwie vor wie beim Salatwaschen. Tausende zerrupfter und zerfetzer Stücke Seerosenblätter treiben auf der Wasseroberfläche. Hier muss vor nicht allzu langer Zeit ein Gewitterhagel niedergegangen sein, der die Blätter, die schon auf der Oberfläche waren, komplett zerstört hat.

2. Reischenharter See

Ich sage nicht, ich sei nicht gewarnt worden. Bayerns Seen haben ein massives Mückenproblem. Schuld ist das feucht warme Wetter und der viele Regen, der immer so viele Pfützen hinterlässt, dass die Mückenbrut mal hier mal da zum Schlüpfen kommt. Es herrschen für die lästigen Blutsauger beste Bedingungen. Vor allem natürlich an den Seen, an denen sich die so einfach zu stechenden Menschen in größerer Zahl aufhalten.
Es ist also keine gute Idee, den zweiten See per pedes in kurzer Hose und T-Shirt zu umrunden. Es sei denn, ich will zigfach gestochen werden, was dann auch passiert. Denn der See führt durch nahezu windstillen Wald direkt am Wasser entlang.

Es ist allerdings auch keine gute Idee, nach Schnitzelsemmel und Johannisbeerschorle gleich wieder ins Wasser zu steigen, um See Nr 2 abhaken zu können. Also ein Spaziergang im Eiltempo, immer zuschlagbereit, mal eine, mal zwei Mücken mit der flachen Hand ins Jenseits zu befördern. Zurück bleiben blutverschmierte Hände, denn so mancher Sechsbeiner hatte gerade erst vollgetankt. Immerhin ist es mein eigenes Blut, das an meinen Fingern klebt…

…und kurz darauf im See abgewaschen wird. Bevor die Stiche sich zu regelrechten Beulen entwickeln (ich bin dafür prädestiniert) oder ich hysterischer Kratzer werde, tauche ich in den See ab und unter. Welch Wohltat.
Meine Schwimmrunde in Ufernähe führt mich an Seerosen, Baumleichen und Schilfbüscheln vorbei. Schön ist es hier.

Und familiär geht es draußen auf der Wiese und am Kiosk zu. Man kennt einander, Fremde wie ich verirren sich wohl eher selten an den Reischenharter See. Die Konkurrenz im nahen Chiemgau ist eben allzu mächtig. Vielleicht ist es aber auch besser so.

3. Neubeurer See
Der dritte und letzte See an diesem Tag ist der Neubeurer See, nur knapp 8 Kilometer vom Reischenharter entfernt. Aber es ist eine nervige Fahrt (Baustelle, Umleitung) und wie immer muss man erst mal irgendwo über den Fluss, in dem Fall den Inn.
Ich durchfahre Neubeuern, was wirklich ein wunderschöner Ort ist, den ich mir demnächst mal in Ruhe anschauen möchte. Und ich kann verstehen, dass hüben wie drüben am Fluss im Inntal der Widerstand gegen die Zuleitung zum Brennerbasistunnel groß ist. Eine Eisenbahntrasse würde weh tun. Aber die Blockabfertigung und die LKW-Staus auf der A93 tun das auch.
Der Neubeurer See ist in gewisser Weise ein zu groß geratenes Naturfreibad mit mächtig viel Liegewiese,

mächtig viel Parkplätzen, mächtig viel Geräuschpegel und mächtig viel People. Ich möchte nicht wissen, wie es hier am Wochenende bei Superwetter zugeht…
Was es aber nicht hat, sind Stechmücken. Und so wird das Gute des einen Sees das Fehlen des Schlechten eines anderen. Wie sinnig.

Gegend hat’s natürlich auch. Viel Gegend. Immer schreiben alle in solchen Fällen von Kulisse. Aber die Berge sind echt und nicht nur aus Pappmache, also keine arrangierte Kulisse.

Ich drehe mein Ründchen, opfere einen Earplug, der sich selbstständig macht und im tiefen Grün abtaucht. Das kommt hin und wieder vor, beruhigenderweise mal der linke, mal der rechte.

Dann zieht der Himmel zu. Ein paar Tropfen fallen, es grummelt bedrohlich und hallt von den Bergen wider.
Gewitter ist im Anzug.
Was zu erwarten war.

Bleibt die Frage, welcher der drei nun The Good one, welcher The Bad one und welcher The Ugly one ist. Diese Frage beantworte ich nicht. Es wäre nicht fair. Und damit finden See ihre Plätze Nr.107, 108 und 109 Platz auf meiner Liste.


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1 Antwort

  1. Du hast einen guten Geschmack – „The Good, the Bad and the Ugly“ ist auch mein absoluter Lieblingsfilm. Ich schätze, dass ich ihn ca. 20 mal oder mehr gesehen habe; erst in den Jahren mit Kindern musste ich die wertvolle Seh-Zeit den gemeinsamen Familienprogram widmen.
    Jedenfalls: Danke für die Headline („catchy“, wie wir im Agenturleben gestrandete Redakteure sagen) und für Deine wunderbaren Bilder.
    So long
    Buddy
    PS: Es gibt zwei Arten von Menschen. Die einen haben einen geladenen Revolver. Und die anderen … eine Kamera.

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