Mediatipps (Teil 32): „Die wilden Achtziger – Fotografien aus West-Berlin“ von Christian Schulz
Und irgendwann erreicht mich mal wieder eine Werbung in den sozialen Medien, oder war es ein Link zu einem Zeitungsbericht über ein Buch, das mich sofort interessiert. Die wilden Achtziger – Fotografien aus West-Berlin von Christian Schulz. Da ist mein Interesse und meine Neugier gleich mehrfach geweckt. Zum einen war West-Berlin (so hieß das damals, als die Mauer noch drum herum stand) eine höchst interessante Stadt, die ich mehrfach bereiste. Zum andern kenne ich den Fotografen aus mehreren Zusammenarbeiten, für so manche Veranstaltung, die Firma, für die ich in den 2000ern arbeitete, in Berlin organisierte, wurde Christian als Fotograf gebucht. Und manchen Abend saßen wir nebeneinander irgendwo abseits des Trubels, er fas Laptop auf dem Schoß, die ersten Fotos bearbeitend, damit noch die Presse am gleichen Abend versorgt werden konnte. Hochkonzentriert und doch plaudernd jagte er Bild für Bild durch die digitale Bearbeitung, bevor er sie nach München übertrug, wo in einer Agentur einer Nachtschicht schob, um die Bilder in unterschiedlichster Auflösunge auf einen Presseserver zu legen.
Das ist lange her – noch länger aber das Berlin der 80er, die Stadt, in der mein Bruder studierte und wir ihn dort regelmäßig heimbesuchten. Es war eine wilde, ungezähmte Stadt, in der sich die Menshen drängten, die jungen Männer, die nach Berlin zum Studium gingen, nicht wenige, um dem Kriegsdienst zu entgehen, den sie verweigert hatten, aber die die Verweigerung nicht anerkannt wurde.
Dazu Punks, Gestrandete, die durch die Republik reisten – und die alten Berliner, die immer schon da gewohnt hatten und denen die DDR quasi ein Inseldasein bescherte – mit Mauer, Todesstreifen, Stacheldraht und wenigen durchlässigen Übergängen für Tagestripps in den Osten.
Christian Schulz zeigt in seinem Buch diese Stadt, vor allem aber die Menschen darin.
Es ist quasi eine Reise zurück durch Zeit und Raum. Nie ist es die Stadt, die er portraitiert, nie die Sehenswürdigkeiten, die Hot Spots, die markanten Plätze und Bauwerke, zumindest nicht in diesem Buch. Immer sind es die Beriner*innen in ganz alltäglichen Momenten in aller bester Street Photography Manier, aber er nimmt uns auch mit in Clubs und auf Parties – eben ins wilde Berlin der Punks, New Wave und frühen neuen deutschen Welle.
Krawalle, Demos, Hausbesetzungen, nackte Proteste, Polenflohmarkt am Potsdamer Platz, CSD, Berlinale, Kreuzberger Kiez, alternative und Subkultur – all das, was Berlin so anziehenswert machte für die einen, so abstoßend für die anderen. Eben „typisch Berlin“.
Konsequent endet seine Bilderauswahl mit dem Jahr 1990, als nicht nur die Dekade zu Ende ging sondern auch die Geschichte von West-Berlin. Denn mit der Öffnung der Mauer hatte auch das Inseldasein der Stadt ein Ende und damit eine ganze Epoche.
Ja, es sind auch Bilder von Prominenten mit im Buch, Johnny Depp oder Jane Birkin zum Beispiel, die er auf der Berlinale fotografierte, ein Foto von Willy Brandt, eines von Helmut Kohl und Richard von Weizäcker am Tag des Mauerfalls, aber es ist eben keine Sammlung von Celebrity Pics, von denen Christian Schulz mittlerweile tausende haben muss. Sondern es sind Bilder einer Stadt, wie wir sie als Besucher mit aufgerissenen Augen immer wieder selbst bestaunt haben.
Als die Achtziger noch wild und wir noch jung waren – und immer wieder in Berlin.
Die Webseite des Fotografen mit Galerien und Fotos erreichen Sie hier. Dieses Buch lohnt aber unbedingt seinen Platz unter dem Coffee Table – griffbereit, um es immer wieder hervorzuholen, durchzublättern.
Jetzt hier kaufen (Das Buch gibt es aber auch über die ISBN bei Ihrem Buchhändler):
Bertram, Matthias (Herausgeber) und Schulz, Christian (Autor): Erebus . Ein Schiff, zwei Fahrten und das weltweit größte Rätsel auf See
Erhältlich als gebundene Ausgabe
Broschiert / 160 Seiten / Verlag: Lehmstedt / Erschienen 05.08.2019 / Sprache: Deutsch
Taschenbuch 978-3442142675
Preis:
Gebunden: 24,90 €
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Allerdings ist die Rote Liste ohnehin schon viel zu lang; was schlimm genug ist.
Langsam komme ich wohl in das Alter, in dem man anfängt zu sagen „Früher war alles besser“ – aber vielleicht habe ich einfach so viele tolle bemerkenswerte Erfahrungen an die „80er“, dass mich Bilder immer sofort in meine Teeny-Zeit katapultieren. Nein – es war damals nicht alles besser, aber es war die Zeit in der man es als Heranwachsender zum ersten Mal bewusst wahrgenommen hat. Danke für den Tipp – das Buch liegt nun in meiner Wunschliste.