Der Sound morgens zur blauen Stunde
Morgens zur blauen Stunde, Hochwürden läutet Sturm – so, als ob nicht nur ein neuer Tag an-, sondern ein Tross marodierender, brandschatzender Schweden wie weiland im dreißigjährigen oder ein ebensolcher französischer 1800 über unser Dorf hereinbrechen wird. Es ist früh am Morgen, wenn die Pfarrkirche St. Martin zum Geläut ansetzt, gerade erst hat es 6 Uhr geschlagen. Nicht meine Zeit, und schon gar nicht am Wochenende. Sollte man meinen.
Gelegentlich aber stehe ich auf, öffne ich das gekippte Fenster ganz, atme tief ein, schaue in den blauen Himmel und sehe den ollen Mond auf seiner Bahn.
Dann rolle mich gemütlich wieder in meine Bettdecke ein und lasse die kalte Morgenluft ins Zimmer und mich umspülen. Unter der Decke ist es wunderbar warm, es ist ein ganz besonderer Moment, der Beginn der blauen Stunde.
Es ist so friedlich, bevor es richtig Tag wird. Keine Soldateska ist im Anmarsch. Eine himmlische Ruhe – bis eben auf das langsam endende Glockengeläut…
…und die beiden Hähne der Nachbarn. Nun ist es nicht so, dass ein Nachbar zwei hätte. Der eine Nachbar schräg hinter uns zur Rechten hat einen vollbrüstigen Gockel im besten Mannesalter, der genau dann zu krähen anfängt, wenn es dämmert. Das ist so auf dem Land, es nützt nichts, sich darüber aufzuregen, zu ärgern, Streit oder einen Prozesskrieg wegen eines Hahns anzufangen. Schon allein, weil ich noch einige Jahre länger in unserem Dorf leben will.
Der andere Hahn lebt zur Linken – etwas weiter weg, aber noch immer in guter Hörweite. Das gilt für ihn und für mich. Wenn nämlich der eine Hahn anhebt, klarzumachen, wer das Sagen unterm Federvieh in der Vorstadt hat, antwortet postwendend der Kollege zur Linken. Der hat den Hahnenschrei nämlich auch gehört. Und so etwas lässt er sich nicht bieten. Also geraten wir wieder einmal zwischen die Fronten zweier äußerst potenter und dominanter „Kampf“-Hähne, von denen keiner das letzte Wort hergeben will. Wie so’n richtiger Gregor.
Gelegentlich denke ich, ich sollte mal Bilder von Chicken McNuggets, einem Wiener Backhendl, Thai Chicken Curry oder einem Broiler machen und den Hähnen als versteckte Warnung an den Zaun hängen. Denn so kann’s einem Gickerl gehen, wenn einer den Schnabel zu weit aufreißt.
Die beiden Hähne sind aber nicht die einzigen, die morgens vor dem Schlafzimmerfenster ihre Grundsatzdiskussionen um die Vormachtstellung im Kiez ausmachen.
Auch Meister Amsel ist munter dabei. Mal flötet er sein Weibchen herbei, mal stößt er dem Rivalen Bescheid. Hauptsache laut, Hauptsache eindringlich. Oft sitzt er dabei auf unserem Dachgiebel, bisweilen im Geäst von Nachbars Pflaumen- oder Kirschbaum.
Dazu das Gezeter der Spatzen, das Gezwitscher der Meisen, Buchfinken, Rotkehlchen und ganz selten hämmert auch der Buntspecht im Kirschbaum. Kollege Specht mag es um diese frühe Uhrzeit wohl auch etwas ruhiger. Vermutlich dröhnt ihm noch der Schädel vom Vortag. Immer nur mit dem Kopf gegen’s Holz donnern, da muss man ja Migräne bekommen.
Das ist Landleben – ich lausche dem Konzert.
Keine zwanzig Minuten dauert der Gesang der Vögel, dann ist es schlagartig wieder still – wie auf ein geheimes Zeichen halten alle Federviecher mit einem Schlag den Schnabel. Selbst die Hähne halten sich daran. Ruhe kehrt ein – zutiefste Ruhe und Stille, nur gelegentlich von einem Auto gestört, dass die Hauptsraße entlang fährt.
Es ist Wochenende, das heißt, es ist Zeit, die Augen wieder zu schließen, sich noch einmal umzudrehen, und einen dieser wirren aber äußert plastischen Träume zu erleben, die man in dieser Phase meist hat. Vielleicht von Renate und Harald? Oder von einem possierlichen Buchfinken aus dessen blauen Schnabel im Vorgarten?
Denn so einer trällert gerade so schön – so melodisch und tonsicher…
Irtum, das war der Wecker.
Vielen Dank fürs Lesen.
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