Der eine Kilometer, um den sich alles dreht
Seit Anfang des Jahres hat Frank auf mich eingeredet, Frank, der Schwimmmeister. Der nämlich hat mir den Floh ins Ohr gesetzt: 2018 600 Kilometer zu schwimmen.
Wann immer ich ihn traf, rief er lachend: „600?“ und manifestierte damit schon im Januar eine vage Idee:
„600 kann man schaffen!“
50 pro Monat das heißt: Mindestens dreimal die Woche schwimmen gehen, Fehlzeiten wie Urlaube, Terminengpässe und Krankheiten nicht eingerechnet.
Mein selbst gesetztes Ziel lag dabei deutlich niedriger: 480km, und die waren im Oktober erreicht. Natürlich liebäugelte ich mit den 600k, es war durchaus unklar, ob ich das schaffen würde. Aber eine Herausforderung ist keine, wenn man von Anfang an weiß, dass es hinhauen wird.
Ein paar kräftige Anstrengungen waren nötig, um zum Jahresende die Defizitmonate wieder reinzuholen – denn wirklich Strecke gemacht hatte ich im September und Oktober nicht. Und im März auch nicht. Vom Juli ganz zu schweigen.
Statt dreimal war ich viermal pro Woche ins Schwimmbad, statt drei oder dreieinhalb Kilometern eben vier oder viereinhalb Kilometer. Ich habe aufgeholt.
Frank, der sich für mich mitfreute, spornte mich an, ermunterte und motivierte mich – nur, um mich trotzdem zu schocken. Denn Anfang Dezember meinte er, er wäre wahnsinnig gerne dabei, wenn ich den 600sten Kilometer schwimme:“Ich stell mir das schon richtig super vor: Ein Aufschrei und Du schießt wie Flipper aus dem Wasser! Jaaaaaaaaaaaaaaaaaah“.
Er wirbelte die Triumphfaust durch die Luft. Das motivierte, natürlich wollte ich ihm die Freude machen.
„Wie schaut denn Dein Dienstplan aus? Dann kann ich das einrichten!“
„Am ersten Feiertag Frühdienst – danach Urlaub!“
„Sollte passen!“…
Moment – am ersten Feiertag und danach Urlaub?
Das nimmt mir fast eine ganze Woche, wenn ich schon am 25.12. statt am 30.12. den 600sten schwimmen will. Mindestens drei Schwimmtermine weniger. Ich musste mich noch mehr sputen.
Trotzdem: Der erste Weihnachtsfeiertag war gesetzt.
Ich habe mir (und Frank) diese Bescherung gemacht und heute den letzten Kraulschlag dieser närrischen Idee getan. Mit 599 habe ich vor Weihnachten Schluss gemacht, nur um heute diesen einen zu schwimmen: Den Kilometer, um den es geht. Diesen einen!
Und keinen mehr. Nur für 40 Bahnen bin ich ins Schwimmbad gefahren und habe Bahn um Bahn das Tempo reduziert. Zuletzt bin ich so langsam geschwommen, dass es unter Normalbetrieb eine grobe Zumutung für alle auf der Bahn gewesen wäre. Diese Bahn auskosten – als solle sie nie enden, als sei völlig unklar, was danach kommt, als ob ich danach nie wieder schwimmen gehen würde.
Ich habe mir für heute T-Shirt gebastelt, das ich umgehend übergestreift habe, stolz wie Oskar.
Dieser eine – der sechshunderte. Ich habe es geschafft.
600 Kilometer. In einem Jahr. Für andere mag das nicht so viel sein. Für mich ist es das schon. 1,64 Kilometer, und das jeden Tag. Und damit ich eine Vorstellung davon bekomme, was das noch alles beinhaltet, habe ich viel gerechnet: Zeit hatte ich ja auf den Strecken genug:
600 Kilometer
Das sind in einem 25m-Becken 24.000 Bahnen, in einem 50er Becken immerhin noch 12.000 Bahnen.
Wie öde. Ich bin froh um jeden Kilometer, den ich im Frühjahr, Sommer und Herbst im Freiwasser in Seen und Weihern genießen konnte.
Denn immer hin und her, da wird man ja irre.
Da es am Ende aber doch über 60% in der Halle auf der Bahn sind, musste der innere Schweinehund mehr als einmal überwunden werden. Eigentlich verdammt oft. Meist schon auf dem Weg von der Arbeit nach Hause, wenn ich den Blinker setzte, um zum Schwimmbad abzubiegen. Lieber doch geradeaus und ab aufs Sofa? Reichen heute nicht drei? Müssen es vier sein? Es ist sowieso so voll. Lieber ab ins Dampfbad…
Das alles ist eine Frage des Willens – aber auch eine Frage der Disziplin.
600 Kilometer
Das sind von mir daheim mit dem Auto etwa eine Tour bis nach Bologna oder südlich von Venedig ans Meer. Oder zurück in die alte Heimat nach Hagen in Westfalen, bis nach Budapest oder an den Genfer See. Just saying.
600 Kilometer
Das sind sehr konservativ gerechnet rund 12.000 Minuten, will ich mal für einen Kilometer 20 Minuten ansetzen, was ich allerdings meistens schneller schaffe. Aber ich bin großzügig, ich rechne die Pausen am Beckenrand und am Ufer mit ein: Verschnaufen, einen schnelleren Schwimmer vorbei lassen, Paddle an, Paddle ab, ein Schluck aus der Trinkflasche, einmal aufs Klo… oder einfach nur ratschen. Und gelegentlich sind auch ein paar Bahnen Brust dabei.
Geschenkt.
12.000 Minuten sind 200 Stunden, 200 Stunden sind 28,57 Tage, also etwas mehr als vier Wochen. Das klingt dann plötzlich gar nicht mehr so viel, oder? Kinders, wo ist bloß die Zeit geblieben?
600 Kilometer
Ich möchte einen weiteren Durchschnittswert bemühen: In einem moderaten Tempo (man will ja nicht übertreiben), verbraucht unsereiner pro gekraulter Stunde rund 650 bis 850 Kalorien. Diese Zahl ist natürlich nur sehr grob und auch nur ein Durchschnitt, findet sich aber auf zahlreichen Seiten im Netz, zum Beispiel auf der Seite Kalorienverbrauch-Schwimmen.de.
Ich habe also – rein statistisch und wenn ich 750 Kalorien als Durchschnitt wähle – 150.000 Kalorien im Wasser verbrannt. Ich möchte mir das gar nicht alles auf einem Haufen vorstellen. Und selbigen schon gar nicht in einem Pool der Stadtwerke Erding oder München. 100g Coca Cola bringt es auf 41 Kalorien. Was bedeutet, dass ich jetzt mit Recht 365 Kilo (!) Cola zu mir nehmen müsste, um diesen Verlust wieder wett zu machen.
Ein Döner bringt es auf rund 760 Kalorien, was bedeutet, dass ich mit jeder gekraulten Stunde das Recht habe, sofort danach einen Döner zu verknuspern (was gelegentlich schon vorgekommen ist).
Ich kann es selbst noch nicht ganz glauben, dass ich mich auf diese Idee eingelassen habe, aber noch weniger, dass ich es tatsächlich durchgezogen habe.
Frank, der darauf vorbereitet ist, gratuliert und überreicht mir ein Maskottchen, das extra für mich angefertigt wurde samt Schwimmabzeichen Seehund Trixi:
Was für ein Tag!
PS: Und nach den Feiertagen werden die angfressenen Pfunde weggeschwommen. Ehrensache. 600k hin oder her.
Vielen Dank fürs Lesen.
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