Das junge Glück… kann ganz schön nerven
Sie sind jung und lieben sich – wie schön.
Aber können sie ihrer Liebe nicht an anderer Stelle Ausdruck verleihen als ausgerechnet auf der Sportbahn im Schwimmbad?
Ich habe nichts gegen das junge Glück. Aber ich fühle mich belästigt und gestört. Das gebe ich offen zu. Das an sich ist nichts Ungewöhnliches. Ich fühle mich fortgesetzt durch andere Menschen belästigt und gestört. Es gibt nun mal einfach zu viele davon. Vor allem in den Schwimmbädern. Längst habe ich meine Feindbilder ausgemacht und katalogisiert. Das Spektrum reiht von Dienstags-Arschlöchern über Moderlieschen zu Kalle und Opa Kruse.
Nicht zu vergessen die Taumelkäfer und Muskeltiere.
Es wird Zeit diesem Panoptikum der Störenfriede ein weiteres Ärgernis hinzuzufügen: Das junge Glück…
Denn das junge Glück steht am Beckenrand und knutscht – und schmust. Auch dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden. Aber die Sportbahn ist für den Austausch von Zärtlichkeiten nun nicht gerade der allergeeigneteste Ort.
Wirklich nicht.
Das stört das Paar aber nicht. Es positioniert sich in der Ecke neben dem Startblock und verhakt sich ineinander. Derart geschickt platziert ist eine Wende für die anderen Nutzer der Bahn kaum noch möglich. Das stört das junge Glück nicht. Nichts kann es stören. Die beiden sind vollkommen versunken in ihrer Beziehung, was ich rein metaphorisch meine, denn zumindest die Köpfe ragen noch über Wasser. Darin zumindest sind sie nicht vollkommen versunken. Unterwasserknutschen ist ja auch eine eher kurzzeitige Angelegenheit.
Aber vollkommen der Welt entrückt sind sie. Anders kann man es nicht sagen. Ein Liebestraum für die beiden. Für alle anderen, und derer sind weitere drei Schwimmer, die die Bahn nutzen, ist das Geturtel eher nervig. Denn das junge Glück scheint überhaupt nicht wahrzunehmen, dass es noch andere Menschen gibt – und sie diese in der Ausübung ihrer sportlichen Aktivitäten erheblich beeinträchtigen.
Die Weltentrücktheit ist vollkommen normal bei Frischverliebten, das sei ihnen auch gegönnt. Allerdings sollte die Auswahl der Orte, sich aus der Realität zu verabschieden, mit Rücksicht und Sachverstand gewählt werden, vielleicht auch ein wenig mit Diskretion und Privatsphäre. Weiß doch jeder, wie schnell man dabei mit einem Bein im Knast stehen kann…
Warum gehen die beiden nicht ins Kino? Oder machen einen langen Spaziergang? Oder einfach hinaus ins Dunkel?Oder gehen in die Therme in den Whirlpool?
Warum gehen sie in ein proppenvolles Schwimmbad? Und dann noch ausgerechnet auf die Schnellschwimmerbahn?
Irgendwann nehmen sie wieder Verbindung zu der sie umgebenden Wirklichkeit auf und erinnern sich:
Sie sind ja zum Schwimmen hergekommen. Also wird jetzt geschwommen.
Und da das junge Glück einfach alles gemeinsam macht und gar nicht voneinander lassen kann, schwimmen beide nebeneinander (!) auf der Sportbahn. Natürlich Brust, natürlich erhobenen Hauptes – nur so kann man sicherstellen, nicht den Bruchteil einer Sekunde den anderen aus den Augen zu lassen, nur so kann man sich fortwährend dem Austausch von Liebesschwüren hingeben.
Offensichtlich haben die beiden noch immer nicht wahrgenommen, dass sie auf dieser Welt nicht alleine sind. Und dass man sie weder überholen kann, noch auf der Gegenbahn genug Platz ist, ziehen sie erst recht nicht in Betracht. Weil das junge Glück nämlich brüstelt, braucht es weitaus mehr Platz als die Schwimmer, die kraulen und dabei einen schlanken Fuß machen. Dann nämlich passen zur Not auch mal drei Schwimmer nebeneinander auf eine Bahn.
Verwirrt und verärgert zeigt sich das junge Glück, als ihnen plötzlich ein Schwimmer auf Kollisionskurs entgegenkommt, der gar nicht daran denkt, auszuweichen. Im allerletzten Moment taucht der Mann ab schwimmt unter dem jungen Glück hindurch. Das wirft die beiden zwar kurzzeitig aus dem Konzept, nicht aber aus der Bahn.
Erschreckt, Wasser schluckend und hustend bleibt das junge Glück am Beckenrand stehen, was für den nachfolgenden Schwimmer wiederum fast zu einem Auffahrschwimmunfall führt.
Noch immer empört durch den schnöden Störer brüstelt das Pärchen zum Beckenrand, sortiert sich und besinnt sich, dass auf dieser Bahn nicht geturtelt sondern gekrault wird.
Es könnte alles so schön werden, wenn die beiden sich jetzt an diese elementare Spielregel halten würden. Tun sie aber nicht.
Habe ich mich verhört?„Fang mich doch“, ruft er ihr zu und krault los. Sie hinterher.
Sie müht sich redlich, einholen tut sie ihn nicht.
Lachend steht der Lover auf der anderen Seite des Beckens, als sie japsend und stöhnend ankommt.
Kaum ist sie da, hetzt er wieder los. Sie ihm prustend nach. Eine zweite Bahn.
Nach dieser ist sie vollkommen am Ende. Außerdem war das wohl eine schier unfassbar lange Zeit (körperlicher) Trennung. Da muss das Wiedersehen mit innigster Umarmung gefeiert werden. Gemeinsam schwimmt das junge Glück zur Leiter. Endlich.
Sie verlässt das Becken, er hinterher. Und das ist dann die Gelegenheit, ihr, als sie zwei Sprossen über ihm ist, die Hände in die Hüften zu legen.
Sie quietscht entzückt auf.
Mein Gott, muss Liebe schön sein. Aber kann man die nicht bitteschön irgendwo in einem abseitigen See praktizieren? Habt Ihr Turteltauben nie Dirty Dancing gesehen?
Das junge Glück… kann ganz schön nerven. Mich jedenfalls.
Vielen Dank fürs Lesen.
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Kann ich gut nachvollziehen. Aber als weitere Kategorie mit gegenüber dem jungen Glück erheblich größerem Erregungsfaktor solltest du dich mal mit der „Hühnerbrühe“ auseinandersetzen, also mit Schwimmknäuel und Badehaufen bildenden pubertierenden Mädels, die wild kreischend und mit schrägen Blicken auf alles Sacktragende im Becken ihre angelesenen Erfahrungen austauschen und mit hysterischem Gelächter die Bahnen blockieren. Ich kann ja nicht schreiben, also verlasse ich mich in Bezug auf eine grundlegende und erhellende Auseinandersetzung im Blogbad auf dich.
Oh ja – ein wunderbarer Hinweis. Hier ließe sich aufs Allervortrefflichste eine Betrachtung schreiben, in der Misathropie mit Chauvinismus eine fulmiante Allianz eingehen. Bedauerlicherweise kollidiere ich mit diese Schwärmen eher selten. Um das zu verhindern hat der liebe Gott in Form des Bademeisters eie Trennleine zur Sport- oder Schnellschwimmbahn durchs Becken gezogen. Und so unverfroren sind diese Gören nicht, sich ins Getümmel zwischen die Schwimmer zu wagen.
Und wie kommst Du darauf, dass Du (das) nicht schreiben könntest?