Bioland-Blogparade: Artenvielfalt – Mehr Wissen und mehr Respekt würden helfen

Worum geht’s?

Bioland, ein Verband landwirtschaftlicher Betriebe, dem rund 7.700 Bauern, Gärtner, Imker und Winzer sowie als Partner mehr als 1.000 verarbeitende Betriebe wie Bäcker, Metzger, Gastronomie und Molkereien angehören, hat zu einer Blogparade aufgerufen. Das Thema: Blogger für Artenvielfalt. Denn Bioland hat die Biodiversität zu einem aktuellen Schwerpunkt ihrer Aktivitäten erkoren. Ein wenig versteckt und schwer zu finden war dieser Aufruf, aber über Social Media bekommt man es am Ende doch mit. Hier also mein Beitrag zum Thema, leider erst am letzten Tag der Parade, übrigens gleichzeitig am „Tag der Bienen“ – aber den Erhalt der Artenvielfalt auf „Rettet die Bienen“ zu reduzieren ist vielleicht etwas spärlich.

Artenvielfalt ist cool. Aber man muss auch die Arten kennen. Was ist das für ein Schmetterling?

Stellt man die Frage, ob einer für Artenvielfalt ist, dann wird wohl jeder sagen: „Ja!“
Niemand, der nur einigermaßen von Verstand und Anstand beseelt ist, wird sagen, dass er mit Artenvielfalt ein Problem hat oder sogar dagegen ist. Zumindest denke ich mir das. Allerdings muss man ja, wenn man nicht explizit für etwas ist, nicht zwangsläufig dagegen sein. Und so unterstelle ich nicht wenigen meiner Mitmenschen, dass sie zwar „irgendwie schon für Artenschutz“ sind, aber es letztlich vielen eigentlich scheißegal ist. Zumindest dann, wenn es nicht nur um ein paar Likes auf Facebook oder Twitter geht, sondern um das eigene Lebensumfeld, das eigene Verhalten, um aktives Tun oder Nichttun, wird das Interesse an Artenvielfalt schnell zum Lippenbekenntnis. Denn Artenvielfalt zu unterstützen fängt zu Hause an.

Artenvielfalt zu unterstützen fängt zu Hause an

Davon reden und irgendwie dafür sein ist eine Sache, was tun eine andere.

  • Wie sonst lässt sich erklären, warum Eigenheimbesitzer ihre Gärten immer grauenhafter gestalten. Die Facebook-Seite „Gärten des Grauens“ gibt ein beredtes Zeugnis dafür, wie schrecklich, geschmacklos und vor allem wie artenfeindlich Gärten angelegt sein können. Wer von Artenvielfalt redet, aber alles mit Zentnern von Kies bedeckt, in dem keine Pflanzen mehr wachsen und Insekten keine Nahrung mehr finden, hat Wesentliches nicht verstanden.
  • Wie sonst kann es sein, dass in tausenden von Gärten kleine Helferlein als Mährobotor tagaus tagein ihren Job machen? Da wächst kein Kraut mehr, jedenfalls nicht richtig. Klee, Gänseblümchen, Löwenzahn, Hahnenfuß, Ehrenpreis, Günsel – nichts kommt mehr zum Blühen, weil Kollege Roboter täglich alles enthauptet, was höher als ein paar Zentimeter groß wird. Fehlanzeige für Bienen, Hummeln und sonstige Nektarsucher.
  • Wie sonst kann es sein, dass man literweise Roundup in die Einfahrt kippt, damit zwischen den Pflastersteinen nur ja kein Hälmchen herauswächst, geschweige denn ein Kräutlein ein Blütlein ansetzt?
  • Wie sonst kann es sein, dass immer noch hanebüchener Unsinn erzählt wird: „Drei Pferdestiche töten eine Hornisse“ – oder war es andersherum? Egal. Es ist so oder so blanker Unfug.
  • Wie sonst kann es sein, dass Zeitgenossen tonnenweise ihren Müll in der Landschaft abladen? Im Großen wie im Kleinen – und kaum einer regt sich noch darüber auf. Nicht mein Wald, nicht mein Müll, nicht mein Problem. nicht meine Straße, schnipp: Landet die Zigarettenkippe eben auf dem Boden. Aber Hallo? Auch nicht mein Wald, mein Weg. Aber MEINE Umwelt. UNSER ALLER!

Das sind extreme Beispiele. Was heißt das jetzt?

Ein paar Tulpen und ein paar Pfingstrosen, vielleicht ein Insektenhotel aus dem Baumarkt (ist ja gerade très chic, so etwas zu haben) – reicht das aus?
Entlastet mich das von meinem ansonsten respektlosen Umgang mit Umwelt und Natur? Ganz sicher nicht. Allerdings kommt es mir so vor, dass die Wertschätzung für selbige doch rapide gesunken ist. Vielleicht auch, weil die Entfremdung von der Natur eklatant zugenommen hat. Die Kenntnisse und das Wissen über heimische Tier- und Pflanzenarten ist, so mein subjektiver Eindruck, auf einem erschütternden Tiefststand. Und was man nicht kennt, das schätzt man nicht. Im Gegenteil. Das ist einem nicht geheuer. Es sind nicht nur Bären, Wölfe und Luchse, die so ins Visier geraten – Tiere, denen man in der Öffentlichkeit ein immenses Bedrohungspotential zuschreibt, ohne, dass es zum Beispiel beim Wolf nur einen einzigen dokumentierten Schadensfall für einen Menschen gegeben hätte. Bisher hat noch jeder DNA-Test erwiesen, dass es nicht ein Wolf sondern ein Hund war, der der betreffenden Person eine Bissverletzung zugefügt hatte.
Es sind aber auch die „Schädlinge“ – geschickt wird immer wieder eingefädelt, wie groß doch der Schaden ist: Biber, die Bäume fällen, Wildschweine, die Felder verwüsten, Kormorane, die den Fischern den Fang streitig machen, Wölfe, die sich ein paar Schafe holen…

Die Crux: Viel Meinung – wenig Ahnung – noch weniger Wissen

Buche im Herbst.

Erschreckend wenig Wissen herrscht über heimische Tier- und Pflanzenarten vor.
Wer Tiere hält, die sich weitgehend von Pflanzen ernähren und in einschlägigen Futterpflanzengruppen bei Facebook unterwegs ist, weiß, wovon ich rede. Klar: Man muss nicht alles Grünzeug kennen, was draußen wächst . Aber ich finde es erschreckend, dass immer mehr Leute Fotos von Spitzwegerich oder Sauerampfer ins Netz stellen und fragen, was das ist. Sie haben keine Ahnung, um welche Pflanzen es sich handelt, geschweige denn, ob man diese seinen Lieblingen verfüttern darf oder ob die giftig sind. Die Kenntnisse selbst über heimische Pflanzenarten sind minimal. Gras, Unkraut, Blume. Das ist oft alles. Und das ist zu wenig.
Mich wundert auch nicht mehr, dass Leute lieber für ihre kleinen Garnelen im Nano-Aquarium ein Vermögen bei ebay Buchenblätter ausgeben um diese zu verfüttern, statt sich selbst welche zu suchen. Woher sollen sie schließlich wissen, wie eine Buche aussieht? Am Ende verwechselt man sie mit einer Eiche oder Birke, sehen doch alle gleich aus, die Bäume.

Mit der Fauna ist es nicht besser. Leider symptomatisch (und nicht nur im Sommerloch), dass sich die Anwohner des kleinen bayerischen Ortes Töging nicht mehr auf ihren Friedhof trauten, weil es dort Ringelnattern oder vielleicht Blindschleichen gibt. Da kann man schon mal besorgt sein. Was heißt besorgt? Todesangst ausstehen. Bei Ringelnattern oder Blindschleichen!
Da wird die Feuerwehr gerufen, wenn eine Frau einen Tigerschnegel unter den Terrassendielen findet, nicht viel anders in Diedorf. Da lösen Zerkarien panische Angst aus. Taucht mal in einem Garten eine aus Südeuropa zugewanderte Wespenspinne auf, gilt Alarmstufe rot: Ist die doch mutmaßlich mindestens so giftig wie der Blaugeringelte Krake. Man weiß es nicht, aber es könnte ja sein, dass…
Besser gleich alles plattschlagen. Dann ist man auf der sicheren Seite.
Manchmal möchte man sich an die Stirn schlagen bei so viel Unwissen und gleichzeitig so viel Meinung, so viel Vermutungen und so viel Hysterie.

Die Artenvielfalt verändert sich - Wespenspinne im Garten

German Angst greift auch im Umgang mit der Natur immer mehr um sich.
Gleichzeitig aber – und das macht das Ganze vollends absurd – drücken Eltern ihren kleinen Kindern Brot in die Hand, damit diese dann Wildschweine auf dem Darß füttern, Tiere die jegliche Scheu vor Menschen verloren haben, aber trotzdem immer noch unberechenbar sind. Sie zücken ihre Handies und lassen ihre Kinder vor laufender Kamera an Weihern und Seen Schwäne füttern. Und dann wundern sie sich, wenn der Vogel ihr Prinzesschen attackiert, weil das Kind, das kaum größer ist als der Schwan selbst, eine falsche Bewegung gemacht hat und der Vogel sich plötzlich bedroht fühlt. Schwäne neigen dazu, sich zu verteidigen, vor allem, wenn sie Jungtiere dabei haben.
Kann man die Tiere nicht einfach in Ruhe lassen? Wohl nicht, wenn man ein kleines Youtube Video drehen will.

Schwäne - einfach in Ruhe lassen. Artenvielfalt unterstützen.

Was hat das mit Artenvielfalt zu tun?

Artenvielfalt zu unterstützen ist nicht nur eine Frage der Einstellung. Es ist auch eine Frage des Wissens. Denn Artenschutz funktioniert nur, wenn wir die heimischen Arten kennen, wenn wir etwas über ihre Bedürfnisse und über ihr Verhalten wissen und vor allem: Wenn wir ihnen Respekt erweisen.
Leben und leben lassen.
Leben lassen und in Ruhe lassen.
Damit wäre schon viel gewonnen.

Man muss nicht alles anfassen, man muss nicht in allem, was man nicht kennt, eine Bedrohung sehen, schon gar nicht eine potentielle Gefahr für Leib und Leben.
Da kann sich jeder mal an seine eigene Nase fassen und über sein Verhalten nachdenken.
Da nehme ich mich übrigens gar nicht aus.
So ein toller Hecht bin ich nämlich gar nicht – jedenfalls nicht so toll wie der hier aus dem Weiher ein paar Dörfer weiter, der mir vor ein paar Jahren vors Objektiv schwamm.Junghecht im Wörther Weiher. Lebendige Artenvielfalt
Ich habe ihn in Ruhe gelassen – und er mich. So einfach geht das.

 


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1 Antwort

  1. Meine Kurzfassung:
    es gibt ganz klare Daten und Fakten. Es liegt soviel im Dunklen. Interessen, die alle eine gemeinsame Richtung haben. Richtung Geld … wäre jetzt die Top Antwort.
    Wer anders denkt, hat einen starken Gegner.
    Mir graut, wenn ich an meine Enkel denke.

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