Renate und die Flowerpower

„Die doch nicht… Mensch, Harald. Die ist doch jetzt schon ganz gammelig!“

Sie ahnen, wen ich wieder mal mitten im prallen Leben erwischt habe, liebe Leser?
Richtig… es ist meine Freundin Renate. Da steht sie am Straßenrand und dirigiert ihren Mann Harald durch ein Sonnenblumenfeld. Es ist eine Wonne, ihr dabei zuzusehen und zuzuhören. Darum gibt es heute noch mal etwas über Renate zu lesen, bevor wir uns wieder mal für geraume Zeit von der entzückendsten aller Ehefrauen in diesem Blog verabschieden werden. Renate kommt irgendwann im Herbst wieder… versprochen. Und nun zurück zum Ort des Geschehens, dem Blumenfeld:

Seit sich die Felder mit Blumen zum selber pflücken und Blumen zum selber schneiden links und rechts der Landstraßen ausgebreitet haben, gibt es auch wieder Blumenschmuck in den deutschen Haushalten, in denen sonst vergilbtes Alpinaweiß auf Erfurter Rauhfaser (und gerade frage ich mich, wie die Rauhfasertapete der Rechtschreibreform trotzend das „h“ in sich behalten konnte) die Wohnwelten dominierte. Denn die Hemmschwelle, einen Blumenladen zu betreten und die Sorge, dort am Floristen zu scheitern, ist ein typisch männliches Verhalten. Will die Frau des Hauses also Blumenschmuck, dann muss sie sich das blühende Grünzeug entweder selbst besorgen oder schon bei der Partnerwahl ein wachsames Auge gehabt haben.
Bei uns steht gerade ein Strauß selbst geschnittener Blumen auf dem Tisch. Damit will ich nicht gesagt haben, dass wir damit Rauhfasertapeten und trübweiße Wände kaschieren müssten. Aber ungewöhnlich ist das schon, dass ich Blumen mit nach Hause bringe, das gebe ich gern zu. Wie mein Freund Peter bin ich völlig unfähig, einen Strauß Blumen im Geschäft zu kaufen. Als Peter Rosen kaufen sollte, endete es fast in einem Desaster. Vielleicht haben Sie das davon in diesem Blog gelesen, sonst holen Sie es gern hier nach. Im Blumenladen bin ich der berühmte fish out of water. Aber wenn ich mal, was äußerst selten vorkommt, trotzdem Blumen kaufe, dann ist es meist ein frustrierendes Erlebnis. Nicht, dass meine Frau etwa Ungemach wittert, wenn ich ihr Blumen mitbringe. Das ist es nicht. Nur sehen die Blumen, die ich nach sachkundiger Beratung beim Floristen ausgewählt habe, am nächsten Tag aus, als hätten sie die Nacht nicht in Wasser stehend verbracht sondern in Olivenöl. Der Strauß landet ebenso schnell im Müll, wie er gekauft ist. Bevor ich am Ende vollends zur Witzfigur werde, denn Witze über blumenkaufende Männer gibt es genug, lasse ich es.
À propos Blumen, à propos Witze… Kennen Sie den schon?

Kommt ein Mann in ein Blumengeschäft: „Ich hätte gern einen Strauß Gladiatoren.“ „Guter Mann, Sie meinen Gladiolen.“ „Stimmt, Gladiatoren heißen ja diese Heizkörper.“

Klar kennen sie den, der ist ja uralt, und außerdem unfassbar schlecht. Aber jetzt verstehen Sie sicher, warum ich keine Blumen kaufe und es mich normalerweise auch nicht zu den Selbstbedienungsfeldern zieht. Und doch habe ich dort vor ein paar Tagen gehalten. Nicht etwa wegen der Blumen, ein Zierkürbisstand direkt daneben, war der eigentliche Grund. 20140818_183142Wir haben August, ich möchte die prallen orangen Teile fotografieren, die als Halloween-Kürbis angeboten werden und dazu einen kleinen bösartigen Kommentar in meinem Blog dazu schreiben, wie fehl am Platze das Gemüse jetzt gerade ist, da entdecke ich Renate.
Da ist der Kürbis schnell vergessen. Renate ist ja viel besser. Und es ist, so viel bekomme ich sofort mit, ein Musterbeispiel ihrer Gattung.
Renate also steht am Feldrand, natürlich in den unvermeidlichen Sandalen, und jagt rufend, kommandierend und gestikulierend ihren Harald durch die Blumenreihen. Diese Blume solle er abschneiden und jene, aber doch nicht die dahinten. „Die ist doch viel zu weit auf, das sehe ich ja sogar von hier aus“, ruft sie ihm zu.
Harald tut, was er meistens tut, also genau das, wie ihm gesagt wird. Das Feld ist vom nachmittäglichen Gewitter noch feucht, der Lehmboden ist matschig, da ist es natürlich besser, dass Harald das Blumenschneiden besorgt bevor Renate in Sandalen dadurch stapft und womöglich nasse Füße bekommt. Er hat schließlich festes Schuhwerk an, sie nicht. Ob das freiwillig geschieht oder nicht, ist leider nicht mehr in Erfahrung zu bringen. Dazu komme ich zu spät.
„Harald, ich glaube das reicht“, pfeift sie ihn zurück, während ich vorgebe, als würde ich mir vom Feldrand aus erst mal einen Überblick verschaffen, was es da alles so gibt. Ich möchte schließlich zwar etwas mitbekommen, aber nicht auffallen. Allerdingst nimmt Renate gar keine Notiz von mir. Viel zu sehr ist sie mit ihrem Mann beschäftigt. Brav schleppt der Gatte die Sonnenblumen herbei: Ein wunderbarer Strauß, das muss ich zugeben. Ich hätte das so nicht hingebracht, aber ich hab auch keine Renate, die mir die notwendigen Anweisungen dazu gibt und die Auswahl trifft, weil sie weiß, welche Blume es noch zu was bringen wird und welche nicht.
„Na wenigstens hast Du sie dieses Mal nicht ganz so kurz abgeschnitten.“ Diese Mischung aus Lob und Kritik in einem Atemzug ist einmalig. So etwas beherrscht Renate perfekt. „Die kann ich jetzt wunderbar in die große Bodenvase stellen“, freut sie sich. „Die sehen bestimmt toll in der großen blauen Vase, die uns Deine Cousine Helga geschenkt hat. Weißt du? Die, die Du beinahe mal umgerannt hättest…“ Damit meint sie sicher nicht die Cousine sondern die Vase. Ich bin begeistert. Renate ist in Topform. Was habe ich ein Glück, dass ich den Kürbisstand gesehen und mich spontan zum Halten entschieden habe.
„Gib schon mal her, ich bring die in den Kofferraum, nicht das am Ende noch welche abknicken.“ Da! Schon wieder. Es ist das dritte Mal innerhalb einer Minute, dass sie ihren Ehemann herunterputzt. Sie rupft ihm den Strauß aus der Hand.20140818_183220
„Weißt Du was?“ fragt sie und er schüttelt reflexartig den Kopf, „schneid doch noch ein paar von den Dahlien ab. Die bringen wir Gudrun heute Abend zum Essen mit. Nimm die roten, die mag sie besonders gern. Außerdem ist das ihre Lieblingsfarbe.“
Harald trollt sich, nicht ohne, dass Renate ihm noch nachruft, er solle darauf achten, dass die Blüten zwar schon geöffnet seien, aber nicht zu weit. Anschließend geht sie zum Auto und bettet den Sonnenblumenstrauß vorsichtig in den Kofferraum des Kombis. Als sie zurückkehrt ist Harald bereits wieder im Einsatz. Stolz hebt er die ersten abgeschnittenen leuchtend roten Blumen hoch.
„Renate, schau mal“, ruft er ihr fröhlich und nicht ohne den Stolz zu, der einen befällt, wenn man eine Anweisung zur vollsten Zufriedenheit des Auftraggebers ausgeführt hat. Er winkt vorsichtig mit dem Strauß, so, dass die Blumen nicht am Ende noch abbrechen. Es ist ein wirklich wunderbarer Strauß, der da entsteht. Renate aber sieht das völlig anders.
„Mensch Harald, manchmal frage ich mich, wie dumm Du eigentlich bist? Ich hatte doch von Dahlien gesprochen. Und Du schleppst Gladiolen an. Da stehen doch extra Schilder. Die sind doch nun wirklich nicht zu übersehen.“
Wo sie Recht hat, da hat sie Recht. Das muss man sagen. Schuldbewusst senkt der Gatte sein Haupt und schaut ratlos aus der Wäsche.
„Was sollen wir denn jetzt mit denen?“ fährt Renate fort. „Gladiolen kann doch niemand ausstehen. Ich versteh‘ gar nicht, warum die hier angeboten werden. Also ich kenn keinen, der sich freiwillig einen Strauß von diesem Zeugs in die Wohnung stellt.“ Jetzt ist sie richtig laut. „Außerdem sind die viel teurer als Dahlien.“20140818_183309
Die Ice Bucket Challenge ist nichts zu dem, was der arme Harald gerade durchmacht. Allein dafür sollte er ihr den Strauß rechts und links um die Ohren klatschen bis keine einzige Blüte mehr am Stängel ist, denke ich. Aber das tut er natürlich nicht, der gute Harald.
Aber dafür trete ich auf den Plan, kontrolliere kurz mein Schuhwerk und stelle fest: Ok, das geht, es sind nicht die besten Schuhe, die ich trage. Die können etwas Matsch abbekommen. Schnell schnappe ich mir ein Küchenmesser vom Haken am Preisschild und marschiere schnurstracks mitten hinein ins Feld. Ich werde sofort einen Strauß Gladiolen für meine Frau holen. Ich mag nämlich Gladiolen, und meine Frau mag sie auch (hoffe ich zumindest). Und weil sie 50 Cent pro Stück teurer sind als Dahlien, schneide ich ganz bestimmt noch eine Gladiole mehr ab. Ich werde darauf achten, dass die Blüten noch nicht zu weit geöffnet sind, und ich werde die roten nehmen. Mit dem Strauß werde ich sie heute Abend überraschen. Und ich mache das sehr gerne für sie… und heute auch für Harald.20140818_183529


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